Normen
§ 4 Abs. 1 EStG
§ 15 EStG
Gründe
Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin) ist aus einer im Jahre 1972 gegründeten Spezialmaschinenfabrik hervorgegangen. Im Jahre 1987 übernahm die G-GmbH den Produktionsbereich, während die Klägerin ab diesem Zeitpunkt als reine Besitzgesellschaft fungierte. Die Kläger zu 2 und 3 waren mit Kapitalanteilen in Höhe von je 400 000 DM die einzigen Kommanditisten der Klägerin. Sie waren darüber hinaus mit Beteiligungen in Höhe von je 25 000 DM alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH der Klägerin und als solche allein zur Geschäftsführung befugt. Auch bei der Betriebsgesellschaft, der G-GmbH, waren sie alleinige Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter mit Beteiligungen in Höhe von je 500 000 DM. Wirtschaftsjahr der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft war das Kalenderjahr. Die Satzung der G-GmbH sah vor, daß die Bilanz der Gesellschaft von der Geschäftsführung alljährlich spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erstellen war. Über die Verwendung des sich aus der genehmigten Bilanz ergebenden Gewinn-Verlustbetrages hatte die Gesellschafterversammlung durch Mehrheitsbeschluß zu entscheiden. Für den Fall, daß ein Mehrheitsbeschluß nicht zustande kam, sollte ein Gewinn einem Gewinnvortragskonto, ein Verlust einem Verlustvortragskonto zugeführt werden.
Der Jahresabschluß der Klägerin für das Streitjahr (1989) wurde am 25. Juni 1990, der der G-GmbH fünf Tage später, am 30. Juni 1990, erstellt. Bei diesen Daten handelt es sich jeweils um den Zeitpunkt der Unterzeichnung durch den mit der Erstellung beauftragten Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Die Gesellschafter der Klägerin stellten die Bilanz am 25. Juni 1990 in der vorgesehenen Form fest. Die Bilanz der G-GmbH wurde demgegenüber in deren Gesellschafterversammlung vom 3. Dezember 1990 festgestellt. Wie in der Anlage zur Bilanz vorgeschlagen, beschlossen die Gesellschafter der G-GmbH zugleich u.a. eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1989 in Höhe von 1 Mio. DM. Diese Ausschüttung setzte sich zusammen aus dem Jahresüberschuß in Höhe von 836 835 DM und der teilweisen Auflösung des Gewinnvortrags aus den Vorjahren in Höhe von 163 165 DM. Die Klägerin erfaßte sie in ihrem Jahresabschluß 1990 als Erträge aus Beteiligungen. Sie gab eine dementsprechende Gewinnfeststellungserklärung ab, der der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehender Steuerfestsetzung folgte.
Anläßlich einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer demgegenüber die Auffassung, daß die im Jahre 1990 nach Bilanzaufstellung und Bilanzfeststellung bei der Klägerin von der G-GmbH beschlossene Ausschüttung für das Geschäftsjahr 1989 auch steuerlich bei der Klägerin schon im Jahre 1989 zu erfassen sei. Dem schloß sich das FA an und erließ für 1989 einen geänderten Feststellungsbescheid, in dem es die Gewinnausschüttung als Sonderbetriebseinnahme der Kläger zu 2 und 3 mit entsprechend anrechenbarer Körperschaftsteuer oder Kapitalertragsteuer berücksichtigte. Zugleich wurden durch einen weiteren Änderungsbescheid die Sonderbetriebseinnahmen und die anrechenbaren Steuern in gleicher Höhe für das Folgejahr gemindert. Das gegen den Änderungsbescheid 1989 gerichtete Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht gab der Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgte, statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1022).
Hiergegen wendet sich die Revision des FA, die auf Verletzung materiellen Rechts gestützt wird.
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin war handelsrechtlich weder verpflichtet noch berechtigt, in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1989 einen Anspruch auf Ausschüttung des Gewinnes der G-GmbH auszuweisen. Demzufolge bestand auch steuerlich keine Aktivierungspflicht (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291).
1. Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind nur dann zu aktivieren, wenn sie gegenüber der jeweiligen Beteiligung ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellen. Die Existenz zweier Wirtschaftsgüter setzt die Abspaltung der Dividendenforderung von der Beteiligung voraus. Dies ist ein zivilrechtlicher Vorgang, der sich grundsätzlich erst dann vollzieht, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet ist (BFH-Urteile vom 2. April 1980 I R 75/76, BFHE 131, 196, 198, BStBl II 1980, 702; vom 3. Dezember 1980 I R 125/77, BFHE 132, 80, 82, BStBl II 1981, 184; s. auch BFH-Urteil vom 30. Oktober 1973 I R 67/72, BFHE 111, 72, 75, BStBl II 1974, 234). Dies hat zur Folge, daß der Inhaber der Beteiligung den Gewinnanspruch regelmäßig erst in der Bilanz des Geschäftsjahres (Wirtschaftsjahres) zu aktivieren hat, in dem über die Gewinnverteilung beschlossen wird. Die Bilanz einer Kapitalgesellschaft als Grundlage der Gewinnberechnung ist gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres, nach Maßgabe des Satzes 3 der Vorschrift auch später zu erstellen. Noch später stellen die Gesellschafter die Jahresbilanz fest und beschließen über die Verteilung des sich aus ihr ergebenden Bilanzgewinns (§ 172 ff. des Aktiengesetzes --AktG--, § 42a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--).
2. Der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Sachverhalt läßt keine Besonderheiten erkennen, die eine Abweichung von dem vorstehend wiedergegebenen Grundsatz zuließen.
a) Allerdings geht der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 12. Januar 1998 II ZR 82/93 (BGHZ 137, 378 , Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 383) davon aus, daß bei einer Konzerngesellschaft eine Pflicht zur Aktivierung des Gewinnanspruchs besteht, wenn sie alle Anteile an der Tochtergesellschaft hält, sich die Geschäftsjahre decken, der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft vor dem der Muttergesellschaft festgestellt wird und die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft die Ausschüttung des Gewinns an die Mutter beschlossen hat. Zuvor hatte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 27. Juni 1996 C-234/94 (EuGHE I 1996, 3133, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 1996, 1168) i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 1997 (ZIP 1997, 1374; Betriebs-Berater --BB-- 1997, 1577) auf Ersuchen des BGH entschieden, daß diese Auslegung des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht (Vierte Richtlinie) übereinstimme.
b) Eine ähnliche Auffassung hat der BFH in verschiedenen Fällen vertreten. So hat der I. Senat des BFH die Pflicht zur phasengleichen Aktivierung eines Gewinnanspruchs auf Mehrheitsbeteiligungen außerhalb eines Konzerns oder einer Holding und auf den Fall angewandt, daß die Tochtergesellschaft eine GmbH ist (BFHE 131, 196, 199, BStBl II 1980, 702; BFHE 132, 80, 83, BStBl II 1981, 184; s. auch BFH-Urteil vom 21. Mai 1986 I R 190/81, BFHE 147, 27, 34, 36, BStBl II 1986, 815). Der X. Senat des BFH hat die Pflicht zur phasengleichen Aktivierung von Gewinnansprüchen auf jegliche gewerbliche Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft ausgedehnt, gleichviel, ob Mehrheitsgesellschafter eine Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmer ist (Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).
c) Diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, daß unter den dort genannten Voraussetzungen eine Ausschüttung bereits am 31. Dezember des Jahres, in dem der Überschuß erzielt worden war, als sicher gelten konnte. Maßgeblich für die Realisation des Dividendenanspruchs ist der Wille der Mehrheitsgesellschafter, den Jahresüberschuß --ggf. korrigiert um bestehende Gewinn- oder Verlustvorträge (§§ 58 Abs. 4, 158 Abs. 1 AktG; § 29 GmbHG)-- auszuschütten. Dieser Wille wird nach Auffassung der derzeitigen Rechtsprechung des BGH und BFH spätestens durch den Gewinnverwendungsbeschluß in einer objektiv nachprüfbaren Weise erhellt (BFH-Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714; BGH-Beschluß vom 21. Juli 1994 II ZR 82/93, BB 1994, 1673 ). Sog. ansatz- oder wertaufhellende Umstände müssen aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vorliegen (BFH-Urteil vom 23. Mai 1984 I R 266/81, BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723; Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. B 88, m.w.N.). Aus dieser Erwägung resultiert das Erfordernis, daß der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft vor dem der Muttergesellschaft festgestellt worden sein müsse.
d) Im Schrifttum werden Zweifel geäußert, ob diese Auffassung eine Grundlage im Gesetz findet (Weber, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung von Beteiligungen, 1980, S. 129; Kaufmann, DStR 1992, 1677 ff.). Insbesondere wird unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815 bezweifelt, daß der Anteilseigner bereits vor der (zeitversetzten) rechtlichen Entstehung des Dividendenanspruchs neben dem Anteil als solchem über einen Vermögensgegenstand "Gewinnbezugsrecht" verfügt (Wassermeyer, Festschrift für Döllerer, S. 705 ff.; ähnlich: Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 221 f.: Bilanzierungshilfe). Es wird --anders ausgedrückt-- bestritten, daß es einen im Jahr der Gewinnentstehung liegenden Realisationstatbestand gibt und daß dieser durch einen im Folgejahr gefaßten Gewinnverwendungsbeschluß oder -vorschlag lediglich "erhellt" wird (Hoffmann, BB 1996, 1051; ders. in Herzig, Europäisierung des Bilanzrechts, Köln, 1997, S. 1, 16; ders. in GmbH-Rundschau 1998, 318, 321; vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Tesauro, Der Betrieb 1996, 316, BB 1996, 579 ).
e) Der Senat läßt dahinstehen, ob er an der bisherigen Rechtsprechung in vollem Umfang festhalten könnte. Insbesondere weckt der Streitfall Zweifel daran, ob sich allein anhand der Reihenfolge der Jahresabschlüsse stets eine ausreichend sichere Aussage zum Zeitpunkt der Konkretisierung des Gewinnanspruchs treffen läßt. Wird nämlich der Abschluß der beherrschenden Muttergesellschaft nur wenige Tage vor dem der ausschüttenden Tochter festgestellt, so liegt es gleichwohl nahe, daß die beiden Abschlüsse aufeinander abgestimmt waren. Auf der anderen Seite kann weder in diesem noch in dem anderen Fall, daß der Abschluß der Muttergesellschaft nach dem der Tochter festgestellt wurde, eine hinreichend sichere Aussage darüber getroffen werden, ob bereits am Ende des Gewinnerzielungsjahres zwischen den Gesellschaftern definitive Einigkeit über die Ausschüttung im Folgejahr bestand. Ein Gewinnverteilungsbeschluß kann ebensogut auf einer Meinungsbildung der Gesellschafter beruhen, die sich erst nach dem Bilanzstichtag vollzogen hat.
Es wäre denkbar, im Anschluß an die vorstehend unter d) dargestellten Auffassungen von der phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen ganz Abstand zu nehmen oder sie auf die Fälle des --im Streitfall nicht gegebenen-- "Vertragskonzerns" zu beschränken. Der Senat neigt der erstgenannten Auffassung zu, wobei möglicherweise eine Einschränkung für die Fälle zu machen wäre, in denen eine langjährige Übung festzustellen ist, den jeweiligen Gewinn der Tochtergesellschaft in dem auf seine Entstehung folgenden Jahr auszuschütten (Verfügungen der Oberfinanzdirektionen --OFD-- Hannover, Düsseldorf und Frankfurt vom 29. Januar 1992, BB 1992, 466; vom 12. Februar 1992, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 181; vom 15. Juli 1992, DStR 1993, 203). Hierin könnte ein Beweisanzeichen dafür gesehen werden, daß die entsprechende Absicht jeweils bereits am Ende des Jahres der Gewinnerzielung bestand. Im Streitfall hingegen hatte die G-GmbH die Jahresüberschüsse der beiden seit ihrer Gründung abgelaufenen Vorjahre einem Gewinnvortragskonto zugeführt. Dies war in der Satzung ausdrücklich vorgesehen. Hierin sieht der Senat den für seine Entscheidung wesentlichen Umstand.
f) Die Frage, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, oder einer der angedeuteten anderen Lösungen der Vorzug zu geben ist, bedarf aber im Streitfall keiner Entscheidung. Zum einen sind die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung des BGH und des BFH auf einen bereits im Jahr der Gewinnerzielung gefaßten einstimmigen definitiven Gewinnverteilungsbeschluß rückgeschlossen hat, nicht erfüllt (aa). Zum anderen hält der Senat eine Erweiterung der Pflicht zur phasengleichen Aktivierung über die bisherige Rechtsprechung hinaus keinesfalls für zulässig, weil dies den Grundsätzen der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansatz- bzw. Wertaufhellungslehre (s.o. unter 2. c) widersprechen würde (bb).
aa) Der Jahresabschluß der ausschüttenden Kapitalgesellschaft ist nicht vor dem Jahresabschluß der Klägerin festgestellt worden. Allerdings handelte es sich bei den streitigen Gewinnansprüchen um Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter (Kläger zu 2 und 3). Sie wären daher in Sonderbilanzen zu erfassen gewesen, deren Erstellung der KG oblegen hätte (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401). Indes hat die KG keine Sonderbilanzen aufgestellt, sondern im Folgejahr 1990 die Gewinnausschüttungen in der Gesellschaftsbilanz als Erträge aus Beteiligungen behandelt. Unter diesen Umständen muß auch im Streitjahr als Zeitpunkt, zu dem über die Erfassung des Gewinnanspruchs zu entscheiden war, der der Aufstellung der Gesellschaftsbilanz angesehen werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714). Zu diesem Zeitpunkt (am 25. Juni 1990) lagen keine objektiv nachprüfbaren Umstände vor, die dafür gesprochen hätten, daß und ggf. in welchem Umfang die G-GmbH ihren Bilanzgewinn 1989 ausschütten würde. Weder war die Bilanz 1989 zu diesem Zeitpunkt erstellt, noch war sie festgestellt oder über die Gewinnverwendung beschlossen. Auch der in der Anlage zur Bilanz 1989 enthaltene "Gewinnverwendungsvorschlag" datiert --wie die Bilanz selbst-- vom 30. Juni 1990 und lag somit am 25. Juni 1990 noch nicht vor.
bb) Eine Verpflichtung zur zeitkongruenten Aktivierung kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, daß die Muttergesellschaft (oder --wie im Streitfall-- deren Gesellschafter) in der Betriebsgesellschaft über eine beherrschende Stellung verfügt (verfügen). Die BFH-Urteile vom 30. April 1974 VIII R 123/73 (BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541) und vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80 (BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480) sind nicht einschlägig. Sie beruhen auf dem Gedanken, daß bei einem beherrschenden Gesellschafter die Beschlußfassung über die Gewinnausschüttung in gleicher Weise wie die Ausschüttung selbst zu einem Zufluß i.S. des § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt, weil der beherrschende Gesellschafter es kraft seiner Stellung in der Hand hat, die fälligen Beträge auszuzahlen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Beschlußfassung lassen sich aus der beherrschenden Stellung jedoch keine Schlüsse ziehen. Auch eine unterstellte Konzernverbundenheit zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vermag nicht zu erklären, weshalb z.B. das Ausschüttungsverbot des § 59 AktG unterlaufen und die Abspaltung einer Dividendenforderung von dem ihm zugrundeliegenden Mitgliedschaftsrecht innerhalb des Konzerns bilanzrechtlich anders als außerhalb desselben beurteilt werden kann. Ggf. wäre zusätzlich zu klären, weshalb der im Streitfall möglicherweise einschlägige faktische Konzern in der hier interessierenden Frage eine Gleichbehandlung der i.S. der §§ 15 bis 19 AktG verbundenen Unternehmen verlangt.
3. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, daß --entgegen der vom FA vertretenen Auffassung-- allein aus dem Umstand, daß zwischen der G-GmbH und der Klägerin eine Betriebsaufspaltung bestanden hat, eine Pflicht zur phasengleichen Aktivierung von Gewinnansprüchen nicht hergeleitet werden kann.
a) Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn bei einer Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen durchgängig korrespondierend bilanzieren müßten. Das ist nach dem Urteil des X. Senats des BFH in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714 nicht der Fall. Demzufolge ist auch im Falle einer Betriebsaufspaltung unabhängig von der Bilanzierung bei der GmbH nach den vorstehend aufgeführten allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, wann der Gewinnanspruch des Mutterunternehmens zu aktivieren ist (a.A. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 15 Rdnr. 870 unter Hinweis auf die wirtschaftliche Einheit zwischen beiden Unternehmen). Der Senat stimmt der Auffassung des X. Senats aus der Erwägung zu, daß es sich bei Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft trotz sachlicher und personeller Verflechtung um zwei selbständige Unternehmen handelt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 I R 98/88, BFHE 165, 369, BStBl II 1992, 246; Senatsbeschluß vom 27. September 1993 IV B 125/92, BFH/NV 1994, 617; Schmidt, a.a.O., 17. Aufl., § 15 Rdnr. 870, m.w.N.; anders möglicherweise im Investitionszulagenrecht, vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1994 III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75). Ob etwas anderes gilt, wenn es um den Ansatz von Forderungen und Verpflichtungen geht, deren Inhalt sich unmittelbar aus dem zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bestehenden Pachtvertrag ergibt (Senatsurteile vom 21. Dezember 1965 IV 228/64 S, BFHE 84, 407, BStBl III 1966, 147; vom 23. Juni 1966 IV 75/64, BFHE 86, 625, BStBl III 1966, 589), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.
b) Die hier vertretene Auffassung stimmt im Ergebnis mit den Verfügungen der OFD Hannover, Düsseldorf und Frankfurt (in BB 1992, 466; FR 1992, 181; DStR 1993, 203) überein. In Fällen der Betriebsaufspaltung wird dort lediglich auf das unter Punkt 3. (bzw. c) aufgeführte Erfordernis verzichtet, daß die Bilanz der Betriebsgesellschaft festgestellt worden ist, bevor der Jahresabschluß des Besitzunternehmens aufgestellt wird. Nicht betroffen ist die weitere, unter Punkt 4. (bzw. 1. d) der OFD-Verfügungen genannte Voraussetzung, daß die Verwendung des Gewinns für das laufende Jahr als Ausschüttung tatsächlich gesichert erscheinen muß. Es muß daher auch in Fällen der Betriebsaufspaltung nach Auffassung der genannten Verfügungen entweder ein entsprechender Gewinnverwendungsvorschlag an die Gesellschafterversammlung vorliegen oder durch langjährige Übung sichergestellt sein, daß die Kapitalgesellschaft einen entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß fassen und durchführen wird. Beide Voraussetzungen sind --wie dargestellt-- im Streitfall nicht erfüllt.
4. Mit dem gefundenen Ergebnis weicht der Senat nicht von den Entscheidungen des BGH in BGHZ 137, 378 , DStR 1998, 383 und des EuGH in EuGHE I 1996, 3133 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses in ZIP 1997, 1374, BB 1997, 1577 ab. Wie bereits ausgeführt, setzt die Pflicht zur phasengleichen Aktivierung des Gewinnausschüttungsanspruchs diesen Entscheidungen zufolge voraus, daß --anders als im Streitfall-- die Gesellschafterversammmlung der abhängigen Gesellschaft über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung beschließt, bevor die Prüfung des Jahresabschlusses des beteiligten Unternehmens abgeschlossen ist. Zusätzlich ist diese Rechtsfolge nach der Auffassung beider Gerichte davon abhängig, daß das dividendenberechtigte Unternehmen Alleingesellschafter ist und daß es mit dem ausschüttenden Unternehmen einen Konzern bildet. Selbst wenn man die Betriebsaufspaltung als faktischen GmbH-Konzern ansehen will (so z.B. Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, Köln, 1994, S. 193), so wurden im Streitfall die Anteile an der G-GmbH doch nicht von einem Alleingesellschafter, sondern von zwei zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschaftern gehalten. Eine Abweichung vom BGH-Urteil vom 3. November 1975 II ZR 67/73 (BGHZ 65, 230 ), demzufolge (auch) Mehrheitsgesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen zur phasengleichen Aktivierung von Gewinnansprüchen berechtigt (nicht verpflichtet) sind, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der BGH die in dieser Entscheidung vertretene Auffassung in seinem Urteil in BGHZ 137, 378 , DStR 1998, 383 aufgegeben hat.
5. Eine erneute Vorlage an den EuGH ist nicht erforderlich. Der EuGH hat in seinem Urteil in EuGHE I 1996, 3133 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses in ZIP 1997, 1374, BB 1997, 1577 ausreichend deutlich gemacht, daß eine phasengleiche Aktivierung nur ausnahmsweise und nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht kommt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall --wie dargestellt-- nicht erfüllt.
Hinzu kommt, daß es im Streitfall letztlich darum geht, ob bereits am 31. Dezember 1989 der Anspruch auf die Ausschüttung des Gewinns der Betriebsgesellschaft als Wirtschaftsgut der Besitzgesellschaft entstanden war. Der Begriff "Wirtschaftsgut" wurde vom Reichsfinanzhof entwickelt (vgl. Urteil vom 27. März 1928 I A 470/27, RStBl 1928, 260) und 1934 in das EStG übernommen. Er findet sich heute in § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 und § 6 EStG. Bei den Vorschriften handelt es sich um eigenständige steuerliche Gewinnermittlungsvorschriften. Auch wenn der Ausdruck "Wirtschaftsgut" nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat beipflichtet, in Übereinstimmung mit dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes auszulegen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13; BFH-Beschluß in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348), beruht die einheitliche Auslegung nicht auf einer Entscheidung des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Vierten Richtlinie 78/660/EWG vom 27. Juli 1978 bzw. der Siebten Richtlinie 83/349/EWG vom 13. Juni 1983 in nationales Recht, um das deutsche Steuerrecht an das Gemeinschaftsrecht anzupassen. Das Gebot der einheitlichen Auslegung geht vielmehr ausschließlich auf die Rechtsprechung zurück, die sich insoweit nicht von Anpassungsüberlegungen hat leiten lassen, sondern auf Sinn und Zweck der Begriffe abstellt. So gesehen hat der Senat selbst dann, wenn er den Wirtschaftsgutbegriff in Übereinstimmung mit dem Begriff des Vermögensgegenstandes auslegt, nur über ersteren zu entscheiden. Damit entscheidet er aber nicht mehr über Gemeinschaftsrecht, was eine Vorlage an den EuGH ausschließt (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Juli 1997 C-28/95, Leur-Bloem ./. Inspecteur der Belastingdienst Ondernemingen Amsterdam 2, Internationales Steuerrecht 1997, 539).
6. Der Senat weicht ferner nicht vom BFH-Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714 ab. Auch in diesem Urteil wird die phasengleiche Aktivierung von der im Streitfall nicht erfüllten Voraussetzung abhängig gemacht, daß die Bilanz der ausschüttenden Kapitalgesellschaft vor der Bilanz des die Dividende erzielenden Unternehmens festgestellt wird (unter 3. b der Gründe). Allerdings trifft das Urteil auch eine Aussage zu dem Fall, daß der Dividendenempfänger in Unkenntnis seiner Bilanzierungspflicht keine Bilanz aufgestellt hat. Es soll dann der Zeitpunkt maßgeblich sein, zu dem er bei Kenntnis der Abschlußpflicht vermutlich bilanziert hätte. Das ist im Streitfall der Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz des Besitzunternehmens (s.o. unter 2. f aa).
7. Schließlich weicht der Senat auch nicht vom BFH-Urteil vom 19. Februar 1991 VIII R 106/87 (BFHE 164, 34, BStBl II 1991, 569) ab. Diesem Urteil lag die Besonderheit zugrunde, daß die Besitz-GbR stille Gesellschafterin der Betriebs-GmbH war, so daß der vertraglich vereinbarte Gewinnanspruch gemäß § 231 HGB kraft Gesetzes entstand, ohne daß es eines Gewinnverwendungsbeschlusses der GmbH bedurft hätte. Lediglich die Höhe des Gewinns stand im Zeitpunkt der Bilanzfeststellung der Besitz-GbR noch nicht fest. Allein die Möglichkeit des Besitzunternehmens bzw. seiner Gesellschafter, die Betriebs-GmbH zu beherrschen, ist als Indiz für den Zeitpunkt der endgültigen Beschlußfassung über die Ergebnisverwendung ungeeignet (s. oben unter 2. f bb).