Normen
§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG 1980 bis 1993
§ 1 KWG
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein Unternehmen, das sich u.a. auf die Übermittlung von Geldern von der Bundesrepublik nach Vietnam spezialisiert hat. Sie darf als ausländische (nicht vietnamesische) Staatsangehörige ein Devisenkonto in Vietnam unterhalten.
Der Überweisungsvorgang läuft wie folgt ab: Der Kunde der Klägerin schließt mit ihr einen Vertrag, der auf die "Beförderung" einer bestimmten Geldsumme nach Vietnam und die dortige Auszahlung an eine bestimmte Person (oder mehrere Personen) gerichtet ist. Dafür ist eine Gebühr in Höhe von 5 v.H. des im Inland eingezahlten Betrags sowie eine Telex-Gebühr zu entrichten, die ab einem Überweisungsbetrag von 500 DM entfällt. Wird die Auszahlung an den Empfänger in Vietnam in Gold gewünscht, entfällt eine Gebühr ganz. Gelangt das Geld nicht zur Auszahlung, wird von der Klägerin eine Gebühr von 20 DM einbehalten. Nach Abschluß des Vertrages zahlt der Kunde auf das Konto der Klägerin in der Bundesrepublik einen bestimmten Betrag ein. Dieser wird dann auf das Konto der Klägerin bei der Vietcom-Bank in Vietnam überwiesen und dort in DM gutgeschrieben. Von dort wird das Geld auf das Konto eines vietnamesischen Agenten überwiesen, der seinerseits dann die Auszahlung in Devisen, vietnamesischen Dong oder Gold vornimmt. Um dem Agenten die Auszahlung zu ermöglichen, übersendet ihm die Klägerin sog. Auszahlungslisten mit allen für die Auszahlung notwendigen Einzelheiten wie Name, Anschrift und Betrag.
Nach der Auszahlung an den Empfänger in Vietnam übermittelt der Agent der Klägerin per Fax eine Auszahlungsquittung. Die Klägerin informiert dann ihrerseits ihren Kunden über die erfolgte Auszahlung. Bei bestimmten Regionen Vietnams kann es bis zu drei Wochen dauern, bis das Geld an den Empfänger ausgezahlt ist.
Im Anschluß an eine Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, daß die Bearbeitungsgebühren für den Geldtransfer nach Vietnam der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, und veranlagte die Klägerin entsprechend zur Umsatzsteuer (Umsatzsteuerbescheid für 1989 vom 4. April 1995, Umsatzsteuerbescheide für 1990 und 1991 vom 20. April 1995, Umsatzsteuerbescheid für 1992 vom 4. April 1995 und Umsatzsteuerbescheid für 1993 vom 15. März 1996).
Die Einsprüche und die Klage gegen die Steuerbescheide hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte im Ergebnis die Auffassung des FA, daß die Klägerin mit dem Geldtransfer eine in der Bundesrepublik steuerbare und steuerpflichtige Leistung ausgeführt habe; das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 507 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts; sie meint, ihre Umsätze seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes 1980 bis 1993 (UStG) befreit. In der Sache beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, daß die Entgelte aus den Geldtransferleistungen steuerfrei belassen werden.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil sie zu Unrecht von steuerbaren bzw. steuerpflichtigen Umsätzen der Klägerin ausgeht.
Der Senat kann zwar der Vorentscheidung nicht entnehmen, ob von den streitigen Geldtransferleistungen auch die Fälle erfaßt sind, in denen die begünstigten Personen in Vietnam Gold ausgehändigt bekamen.
Insoweit kann aber dahinstehen, ob die Leistungen der Klägerin an ihre Kunden Goldlieferungen oder sonstige Leistungen waren.
a) Hat die Klägerin Gold geliefert, fehlt es bereits an einer im Inland (Erhebungsgebiet) steuerbaren Leistung (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG); es liegen dann Goldlieferungen im Ausland vor.
Nach § 3 Abs. 6 UStG wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Da sich das Gold in Vietnam befand, kommt nur eine Goldlieferung in Vietnam in Betracht.
b) Hat die Klägerin an ihre Auftraggeber auch insoweit sonstige Leistungen (Transferleistungen) erbracht, als die Empfänger in Vietnam bestimmungsgemäß Gold erhielten, sind diese Leistungen ebenso als nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei zu beurteilen wie in den Fällen, in denen die Auszahlung in vietnamesischen Dong oder in einer anderen Währung erfolgte.
Nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG sind die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei. Der Zahlungs- und Überweisungsverkehr hat --jedenfalls in der Regel-- den nichtkörperlichen Geldtransfer vom Zahlenden an den Zahlungsempfänger durch ein oder mehrere Kreditinstitute oder sonstige Unternehmer zum Gegenstand. Dabei kann die Ein- oder Auszahlung in bar oder durch Überweisung von einem Konto des Zahlenden auf ein Konto des Zahlungsempfängers erfolgen.
Die Klägerin hat gegenüber ihren Auftraggebern Umsätze im Zahlungsverkehr ausgeführt, indem sie dafür sorgte, daß das bei ihr von den Auftraggebern eingezahlte Geld den von diesen bestimmten Zahlungsempfängern in der gewünschten Währung ausgezahlt wurde.
Entgegen der Auffassung des FG gilt § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG für alle Unternehmer, die die dort bezeichneten Umsätze ausführen und nicht nur für Unternehmer, die ein Bankgewerbe betreiben. § 4 Nr. 8 UStG behandelt zwar in erster Linie Bank- und Börsengeschäfte, beschränkt sich in seiner Auswirkung jedoch nicht auf das Bankgewerbe, befreit vielmehr alle aufgeführten Umsätze von der Umsatzsteuer. Soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, ist gleichgültig, wer die Umsätze tätigt (in diesem Sinne bereits von Wallis, in Hübschmann/Grabower/Beck/ von Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Lfg. April 1963, § 4 Ziff. 8 Anm. 1; ebenso z.B. Handzik in Offerhaus/Söhn/ Lange, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 Rn. 1, 77).
Etwas anderes kann auch nicht dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) entnommen werden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG zählt zwar die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft) zu den Bankgeschäften im Sinne dieses Gesetzes. Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG bezeichneten Bankgeschäfte müssen aber nicht notwendig von einer Bank ausgeführt werden. Das Gesetz über das Kreditwesen bezeichnet als Bank ein Kreditinstitut, das eine Erlaubnis nach § 32 KWG besitzt (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1 KWG). Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben, wenn der Umfang dieser Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG). Abgesehen davon, daß sich aus der Vorentscheidung nicht ergibt, daß die Klägerin kein Kreditinstitut im Sinne dieser Vorschriften betreibt, folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG, daß auch Minderkaufleute, bei denen ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, Bankgeschäfte betreiben können, obwohl sie keine Kreditinstitute im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen sind und sich nicht als Bank bezeichnen dürfen. Keine Kreditinstitute im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen sind auch die in § 2 KWG genannten Unternehmen und sonstige öffentliche Kassen, obwohl auch sie an der Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Giroverkehr) beteiligt sein können.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Klägerin ein Kreditinstitut i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG betreibt; in jedem Fall hat sie wie ein Kreditinstitut an ihre Auftraggeber Umsätze im Zahlungsverkehr erbracht.
2. Diese Auslegung des Senats steht im Einklang mit Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten die Umsätze --einschließlich der Vermittlung-- im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen. Auch diese Vorschrift ist nicht auf die Umsätze von Kreditinstituten bezogen (in diesem Sinne auch Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 27. Oktober 1993 Rs. C-281/91 --Muys und de Winter--, Slg. 1993, I-5405, Internationales Steuerrecht 1993, 567 zur Kreditgewährung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG).
3. Da der Vorentscheidung nicht zu entnehmen ist, welche genauen Beträge auf die streitigen Geldtransferleistungen entfallen und ob sich Auswirkungen auf die Vorsteuer ergeben, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.