Normen
§ 2 S. 2 Nr. 1 InvZulG 1993
§ 6 Abs. 2 EStG
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Kanzlei in Sachsen. Im Streitjahr 1993 stattete er einen Büroraum u.a. mit drei Schreibplätzen aus. Diese bestehen aus:
- drei Schreibtischen zu Anschaffungskosten von insgesamt 1 008 DM (341 DM + 341 DM + 326 DM) mit drei unter den Schreibtischplatten befestigten Kabelkanälen zu Anschaffungskosten von insgesamt 74 DM (26 DM + 26 DM + 22 DM),
- drei Rollcontainern einschließlich Schüben und Schloß zu Anschaffungskosten von jeweils 579 DM mit zwei Einteilungen für Schubkästen zu Anschaffungskosten von jeweils 31 DM und einem Formulareinsatz für Schubkästen zu Anschaffungskosten von 47 DM sowie
- zwei als Beistelltische verwandten Computertischen zu Anschaffungskosten von insgesamt 808 DM (404 DM + 404 DM).
Bei den Kabelkanälen handelt es sich um unter der Tischplatte anklebbare Leisten, in die die für den Computer- und Lampenanschluß erforderlichen Kabel eingelegt sind, die ansonsten auf dem Boden lagern würden. Die Rollcontainer enthalten mehrere übereinander angeordnete Schubkästen und können als Schrank für Schreibtische und Schreibmaschinentische sowie als Kartei- oder Aktenschränke verwandt werden. Sie stehen unter der Tischplatte am Rand des Schreibtisches entweder links oder rechts vom Benutzer des Tisches und erfüllen die Funktion von Schubläden für Schriftstücke und Arbeitsutensilien. Die Einteilungen für die Schubkästen ermöglichen es, jedes Fach bzw. jeden Kasten nach den Bedürfnissen der Nutzer weiter zu unterteilen. Die beiden Computertische dienen jeweils als Beistelltische für einen Schreibtisch und gestatten es der Schreibkraft, gleichzeitig mit Schriftstücken und Computer zu arbeiten.
Für die angeschafften Schreibtische, Rollcontainer und Computertische beantragte der Kläger (neben anderen nicht streitigen Anschaffungen) die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1993 in Höhe von 8 v.H. der Anschaffungskosten von 3 269 DM = 262 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag insoweit mit der Begründung ab, die Schreibtischkombinationen bestünden aus einzeln bewertbaren und selbständig nutzungsfähigen Wirtschaftsgütern, deren Anschaffungskosten jeweils unter 800 DM lägen.
Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 336 veröffentlichten Urteil aus: Die Schreibtischkombinationen stellten keine einheitlichen Wirtschaftsgüter dar. Sie beständen vielmehr jeweils aus einer Mehrheit selbständig nutzungsfähiger geringwertiger Wirtschaftsgüter. Die Rollcontainer könnten ohne Veränderung aus ihrem bisherigen Nutzungszusammenhang, sofern ein solcher überhaupt unterstellt werden könne, herausgelöst und allein genutzt werden, ohne ihre Funktionsfähigkeit zu verlieren. Die konkrete Nutzung könne nach der Zweckbestimmung durch den Nutzer abgewandelt werden; so sei z.B. auch eine Nutzung als Schreib- tisch-, Kartei- und Aktenschrank oder als Kombination von Karteischrank mit Tastaturen- oder Druckeruntersatz möglich. Die Mobilität der Container ergebe sich auch aus der Bezeichnung als Rollcontainer. Sie verdeutliche, daß ein nur zur Aufbewahrung von Schreibutensilien dienender Rollcontainer nicht notwendig unter dem Schreibtisch, sondern auch neben oder vor dem Schreibtisch oder in einiger Entfernung von diesem aufgestellt werden könne. Die Aufteilung des herkömmlichen Schreibtisches in selbständige nicht miteinander verbundene Gegenstände führe auch steuerrechtlich zu der Annahme mehrerer selbständig nutzungsfähiger Wirtschaftsgüter.
Darüber hinaus sei die selbständige Nutzungsfähigkeit von Schreibtisch und Rollcontainer deshalb zu bejahen, weil sie nicht technisch aufeinander abgestimmt seien. Dazu reiche eine Normung, Typisierung oder wirtschaftliche Verbindung nicht aus. Eine technische Abstimmung bedeute vielmehr, daß die Eigenschaften von Wirtschaftsgütern auf ein Zusammenwirken miteinander angelegt seien. Über die einheitliche Zweckbestimmung hinaus müsse eine technische Verbindung und Verzahnung gegeben sein. Diese müsse, um eine selbständige Nutzbarkeit der einzelnen Gegenstände auszuschließen, nach ihrer Festigkeit, technischen Gestaltung und Dauer derart sein, daß der zu beurteilende Gegenstand im Falle der Trennung seine Nutzbarkeit verliere. Eine derartige Verbindung sei zwischen Schreibtisch und Rollcontainern ebensowenig gegeben wie bei anderen zusammen genutzten Büroeinrichtungsgegenständen, z.B. Schreibmaschinentisch, Schreibmaschine, Schreibtischstuhl, Schreibtischlampe, Computer usw.
Dementsprechend seien auch die Computertische als selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter zu beurteilen. Sie verlören ihre eigenständige Funktion nicht dadurch, daß es für die Arbeit der Sekretärinnen vorteilhaft sei, sie mit einem Schreibtisch zusammenzustellen. Im übrigen fehle es auch hier an einer technischen Verbindung und Verzahnung von Schreibtischen und Computertischen. Die Computertische könnten ohne weiteres getrennt vom Schreibtisch aufgestellt werden, ohne ihre Nutzbarkeit zu verlieren.
Mit der Revision trägt der Kläger vor: Die Rollcontainer ständen in einem Nutzungszusammenhang mit den Schreibtischen. Ein Rollcontainer diene dazu, Utensilien des täglichen Arbeitsbedarfs aufzunehmen. Fehle eine solche Vorrichtung, handele es sich nicht mehr um einen Schreibtisch, sondern um einen einfachen Tisch. Für die Nutzung als Akten- oder Karteischrank sei das Fassungsvermögen der Rollcontainer zu gering. Die Rollcontainer und die Schreibtische seien auch technisch aufeinander abgestimmt. Die Eigenschaften beider Gegenstände seien auf ein Zusammenwirken miteinander angelegt. Dies ergebe auch die Sicht des Herstellers, der Rollcontainer für Schreibtische herstelle. Im Verkaufsprospekt seien sie unter der Rubrik Schreibplätze aufgeführt und nicht unter der Rubrik Büroschränke u.ä.
Die Computertische würden vom Hersteller als Ergänzung zu einem Schreibtisch angeboten. Soweit die Computertische, wie im Streitfall, für einen Computer genutzt würden, bestehe wegen der verhältnismäßig kleinen Arbeitsfläche keine Möglichkeit, andere Arbeiten zu verrichten, da die Flächen durch die Computerkonfiguration nahezu vollständig in Anspruch genommen würden. Es sei nicht einsichtig, weshalb bei einer Verschraubung der Tische mittels Metallplatten, die jederzeit gelöst werden könnten, eine andere Beurteilung gegeben sein solle.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und für die Anschaffungskosten der drei Schreibtischkombinationen in Höhe von 3 269,56 DM Investitionszulage zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1993 wird eine Investitionszulage nicht gewährt für die Anschaffung oder Herstellung geringwertiger Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Begriff des geringwertigen Wirtschaftsguts im Investitionszulagenrecht ist gleichbedeutend mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff (Urteil des Senats vom 15. März 1991 III R 57/86, BFHE 164, 324, BStBl II 1991, 682). Geringwertige Wirtschaftsgüter sind danach Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, sofern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag) 800 DM nicht übersteigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Wirtschaftsgut ist einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingeführten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind. Dies gilt auch, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Zusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann (§ 6 Abs. 2 Sätze 2, 3 EStG).
Ob ein Wirtschaftsgut nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern und nicht für sich allein nutzbar ist, beurteilt sich nach der konkreten Zweckbestimmung in dem Betrieb des Steuerpflichtigen (Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 6 EStG Rz. 1124, m.w.N.). Eine Einfügung in einen betrieblichen Nutzungszusammenhang ist anzunehmen, wenn die in dem Nutzungszusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter nach außen als einheitliches Ganzes in Erscheinung treten, wobei die Festigkeit, technische Gestaltung und Dauer der Verbindung von Bedeutung sein können. Eine Verbindung, die die selbständige Nutzbarkeit ausschließt, ist im allgemeinen immer schon dann anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter über die einheitliche Zweckbestimmung durch den Steuerpflichtigen in seinem Betrieb hinaus durch eine technische Verbindung und "Verzahnung" in der Weise verflochten sind, daß durch die Trennung eines der Teile seine Nutzbarkeit im Betrieb verliert, d.h. ihm außerhalb des bisherigen Nutzungszusammenhangs keine betriebliche Funktion zukommt; dabei ist eine dauerhafte und feste körperliche Verbindung nicht unbedingt erforderlich (Urteil des Senats in BFHE 164, 324, BStBl II 1991, 682; Blümich/Ehmcke, a.a.O., § 6 EStG Rz. 1128, m.w.N.).
In einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügte Wirtschaftsgüter sind technisch aufeinander abgestimmt, wenn zusätzlich zu einem wirtschaftlichen (betrieblichen) Zusammenhang ihre naturwissenschaftlichen Eigenschaften auf ein Zusammenwirken miteinander angelegt sind (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 6 EStG Rz. 1276). Davon ist in der Regel auszugehen, wenn einem Gegenstand ohne einen anderen bzw. ohne andere Gegenstände schon aus rein technischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt. Bei Büroeinrichtungsgegenständen der hier vorliegenden Art wäre dies etwa gegeben, wenn ein Gegenstand bei einer Trennung von einem anderen Gegenstand seine Standfestigkeit verlieren würde, weil ihm wegen fehlender Anlehnung an den anderen Gegenstand eine Stütze (etwa ein Tischbein) fehlen würde. Eine Abgestimmtheit verschiedener Gegenstände lediglich aufgrund einer Typisierung oder Normung, wie sie bei einem einheitlichen Büroeinrichtungsprogramm möglicherweise gegeben ist, reicht für eine technische Abgestimmtheit i.S. von § 6 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht aus (s. z.B. auch Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Rz. 1276; a.A. Blümich/Ehmcke, a.a.O., § 6 EStG Rz. 1132).
2. Hiervon ausgehend hat das FG die vom Kläger angeschafften drei Schreibtischkombinationen zu Recht als nicht investitionszulagebegünstigt beurteilt. Die einzelnen Teile (Schreibtische, Rollcontainer, Computertische) stellen geringwertige und damit nicht förderungsfähige Wirtschaftsgüter dar.
Es kann dahinstehen, ob die Teile nach den in der Praxis des Klägers gegebenen Verhältnissen, d.h. nach ihrer betrieblichen Zweckbestimmung, jeweils nur zusammen als Schreibtischkombination genutzt werden sollten. Auch kann offenbleiben, ob die Gegenstände in dem Sinne in einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt waren, daß die (bloßen) Schreibtische einerseits und die Rollcontainer bzw. die Computertische andererseits bei einer räumlich getrennten Aufstellung in der Praxis des Klägers nicht ohne weiteres sinnvoll genutzt werden konnten.
Es fehlt jedenfalls an einer technischen Abgestimmtheit der Gegenstände aufeinander in dem Sinne, daß eine Trennung, d.h. eine räumlich getrennte Aufstellung in der Praxis des Klägers aus technischen Gründen ausgeschlossen wäre oder gewesen wäre. Nach den unangefochtenen und für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) können die Rollcontainer ohne weiteres für sich, d.h. unabhängig von den Schreibtischen, genutzt werden, z.B. als Schreibtisch-, Kartei- und Aktenschrank oder als Kombination von Kartei- und Aktenschrank mit Tastaturen- oder Druckeruntersatz. Sie können nicht nur unter dem Schreibtisch, sondern auch daneben oder entfernt davon aufgestellt werden und sind nicht nur für die Aufbewahrung von im Zusammenhang mit der Schreibtischarbeit benötigten Schreibutensilien, sondern auch anderer Gegenstände verwendbar. Unabhängig davon, ob es vom Arbeitsablauf her sinnvoll wäre, die Schreibtischkombinationen in ihre einzelnen Elemente zu zerlegen, führt die räumlich getrennte Aufstellung von Schreibtisch und Rollcontainer somit jedenfalls nicht dazu, daß ein Teil aus technischen Gründen seine Nutzbarkeit im Betrieb des Klägers verlöre.
Der Einwand des Klägers, die Rollcontainer seien wegen ihres geringen Fassungsvermögens als Akten- oder Karteischränke ungeeignet, greift --abgesehen davon, daß das FG insoweit keine Feststellungen getroffen hat-- nicht durch. Ausschlaggebend ist lediglich, daß die Rollcontainer, selbst wenn dies in der Praxis des Klägers unzweckmäßig sein sollte, nach den Feststellungen des FG beim Kläger auch losgelöst von den eigentlichen Schreibtischen Verwendung finden könnten.
Entsprechendes gilt für die Computertische. Wie das FG festgestellt hat, könnten diese ebenfalls vom Schreibtisch weggerückt und getrennt davon aufgestellt werden, ohne ihre Nutzbarkeit in der Praxis des Klägers zu verlieren. Unerheblich ist, daß sie vom Kläger wegen des Arbeitsablaufs mit den Schreibtischen kombiniert wurden. Entscheidend ist die jederzeitige Trennbarkeit ohne Verlust der selbständigen Nutzbarkeit auch nur eines Teils im Betrieb des Anspruchsberechtigten.