Normen
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
§ 30 Abs. 2 KStG
§ 40 Abs. 2 FGO
Tatbestand:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Ehegatten für das Streitjahr 1984 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum 5. Juli 1984 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Diese schuldete ihm für das Jahr 1982 noch ein Geschäftsführergehalt in Höhe von 201 500 DM. Mit Beschluß vom 5. September 1983 verzichtete der Kläger auf die Auszahlung dieses Gehalts.
Im Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - (vEK-Bescheid) für die GmbH zum 31. Dezember 1983 wurde der Gehaltsverzicht als verdeckte Einlage behandelt und als Zugang beim nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals nach § 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 (EK 04) erfaßt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 20. Juni 1984 beschloß die GmbH, den gesamten Bilanzgewinn 1983 in Höhe von 329 918 DM auszuschütten. Die GmbH hat dem Kläger eine Änderung des EK 04 in Höhe von 177 575 DM und steuerpflichtige Bezüge in Höhe von 152 343 DM bescheinigt. Demgegenüber wurde die Ausschüttung im (geänderten) vEK-Bescheid zum 31. Dezember 1984 in der Weise verrechnet, daß zunächst das EK 04 in Höhe der verdeckten Einlage von 201 500 DM und dann das restliche verwendbare Eigenkapital in Höhe des verbleibenden Teils der Ausschüttung gemindert wurde. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 5. Juli 1984 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an der GmbH in Höhe von 500 000 DM zum Nennwert.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1984 errechneten die Kläger nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) folgenden Veräußerungsverlust:
Stammkapital 500 000,00 DM
verdeckte Einlage (Gehaltsverzicht) 201 500,00 DM
701 500,00 DM
Veräußerungspreis 500 000,00 DM
Veräußerungsverlust 201 500,00 DM
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte den Veräußerungsverlust bei der (endgültigen) Festsetzung der Einkommensteuer 1984 nicht. Dabei ging es zunächst von Einkünften aus Kapitalvermögen nach folgender, auf der fiktiven Reihenfolge für die Verwendung von Eigenkapital nach § 28 Abs. 3 KStG beruhenden Berechnung aus:
Ausschüttung der GmbH 329 918,00 DM
beim EK 04 zu verrechnen 177 575,00 DM
Dividende 152 343,00 DM
anzurechnende Körperschaftsteuer (9/16) 85 692,93 DM
Einnahmen aus Kapitalvermögen: 238 035,93 DM
Daraus ergab sich eine auf die Einkommensteuer-Schuld in Höhe von 156 534 DM anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 85 692,93 DM und eine anzurechnende Kapitalertragsteuer in Höhe von 38 085,75 DM.
Die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes lehnte das FA mit dem Hinweis ab, daß in der Gewinnausschüttung der GmbH für das Jahr 1983 eine Rückzahlung der verdeckten Einlage enthalten sei, die die Anschaffungskosten der Beteiligung mindere.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen diesen Bescheid ging das FA in Übereinstimmung mit dem vEK-Bescheid zum 31. Dezember 1984 von einer vorrangigen Minderung der Anschaffungskosten in Höhe von 201 500 DM aus. Demgemäß ermittelte es die (nunmehr geringeren) Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen wie folgt:
Ausschüttung der GmbH 329 918,00 DM
beim EK 04 zu verrechnen 201 500,00 DM
Dividende 128 418,00 DM
anzurechnende Körperschaftsteuer (9/16) 72 236,00 DM
Einnahmen aus Kapitalvermögen: 200 654,00 DM
Daraus ergab sich eine auf die Einkommensteuer-Schuld in Höhe von 133 432 DM anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 72 236 DM und eine anzurechnende Kapitalertragsteuer in Höhe von 32 104,50 DM.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloß sich - in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 240 veröffentlichten Entscheidung - der Ansicht des FA an, daß ein Veräußerungsverlust nicht entstanden sei. Es ließ aber offen, ob die vorrangige Verrechnung der Ausschüttung in Höhe der verdeckten Einlage mit dem EK 04 durch das FA zutreffend war. Ob und inwieweit das verwendbare Eigenkapital der GmbH als verwendet gelte, sei allein dem bestandskräftigen vEK-Bescheid zum 31. Dezember 1984 zu entnehmen. Es bestehe insoweit - wenn auch möglicherweise keine formelle, so doch - zumindest eine materielle Bindungswirkung.
Mit der - vom FG zugelassenen - Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 17, 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EStG, § 28 Abs. 3 KStG 1977). Die vom FG angenommene Bindungswirkung des vEK-Bescheides bestehe nicht.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und in Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1984 vom 5. November 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1989 die Einkommensteuer auf 140 750 DM, die anrechenbare Körperschaftsteuer auf 106 276 DM und die anrechenbare Kapitalertragsteuer auf 47 234 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es hält die Revision mangels Beschwer der Kläger für unzulässig. Die mit der Revision begehrte Einkommensteuer in Höhe von 140 750 DM liege über dem in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Betrag von 133 432 DM.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision ist zulässig.
Sie ist zwar nur mit dem Ziel erhoben, eine Besserstellung gegenüber dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid im Anrechnungsverfahren zu erreichen. Mit diesem Ziel ist sie grundsätzlich unzulässig. Die Anrechnung ist Teil des Steuererhebungsverfahrens und wird durch einen selbständigen Verwaltungsakt - durch Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid - herbeigeführt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. März 1992 VII R 39/91, BFHE 168, 300, BStBl II 1992, 956 unter II. 1. c der Gründe; vom 25. Februar 1992 VII R 41/91, BFH/NV 1992, 716; vom 28. April 1993 I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 36 Anm. 17 m. w. N.; Brenner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 36 Rdnr. A 231 f., 256f. m. w. N.). Unzulässig ist ein Revisionsantrag grundsätzlich auch mit dem Begehren, eine höhere Einkommensteuer festzusetzen. Nach § 40 Abs. 2 FGO kann ein Verwaltungsakt nur angefochten werden, wenn der Kläger geltend macht, durch ihn in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige behauptet, daß die Steuer zu niedrig festgesetzt sei (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286, und Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91).
Im Streitfall treten jedoch beide GrundSätze zurück; das angestrebte Rechtsschutzziel kann mit dem gestellten Antrag im Rechtsmittelverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid erreicht werden.
1. Kapitalertragsteuer
Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1983 kann die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer auf die Jahreseinkommensteuer nur angerechnet werden, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfaßten Einkünfte entfällt. Die begehrte höhere Anrechnung eines Kapitalertragsteuerbetrages ist deshalb nur möglich, wenn zunächst die Einkünfte aus Kapitalvermögen erhöht werden. Der BFH hat aus diesem Grunde bei einer behaupteten Nettolohnvereinbarung die Anfechtung des Einkommensteuerbescheides mit dem Ziel der Anrechnung höherer Lohnsteuerabzugsbeträge als zulässig angesehen (BFH-Urteile vom 8. November 1985 VI R 238/80, BFHE 145, 198, BStBl II 1986, 186; vom 13. November 1987 VI R 4/84, BFH/NV 1988, 566; vom 16. März 1990 VI R 90/86, BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610). Aus demselben Grund steht die Unterscheidung von Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren auch bei einer geltend gemachten Anrechnung höherer Kapitalertragsteuerabzugsbeträge einer Anfechtungsklage gegen den Einkommensteuerbescheid nicht entgegen (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197 , BStBl II 1993, 426 unter II. 1. der Gründe).
2. Körperschaftsteuer
Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG ist auf die Einkommensteuer auch die Körperschaftsteuer der Beteiligungsgesellschaft in Höhe von 9/16 der Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG anzurechnen. Auch diese Anrechnung ist nur möglich, wenn zunächst die Einkünfte aus Kapitalvermögen entsprechend erhöht werden. Das ist für Einkommensteuerveranlagungen ab dem Veranlagungszeitraum 1990 nunmehr ausdrücklich geregelt (§§ 36 Abs. 2 Nr. 3f., 52 Abs. 25 Satz 2 EStG 1990), ergab sich aber auch bereits für die vorausgehenden Veranlagungszeiträume aus dem System des Anrechnungsverfahrens (vgl. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1990 I R 43/89, BFHE 163, 162, BStBl II 1991, 427 unter II. 2. der Gründe; vom 31. Juli 1991 I R 4/89, BFHE 165, 387, BStBl II 1992, 98 unter 2. der Gründe; in BFHE 170, 197 , BStBl II 1993, 426; FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 1988 VIII 511/82, EFG 1989, 302; Niedersächsisches FG, Urteil vom 12. Oktober 1990 XIII 44/89, EFG 1991, 487; vgl. - für den AnSatz der Körperschaftsteuer als Einnahme - BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924).
3. Einschränkung des Klageantrags
Der Antrag der Kläger, die Einkommensteuer zu erhöhen, ist auch noch im Revisionsverfahren zulässig. § 123 FGO steht dem nicht entgegen. Denn der Antrag erweitert das Klagebegehren nicht, sondern schränkt es ein (zur Zulässigkeit der Einschränkung des Klageantrags im Revisionsverfahren vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 123 Rdnr. 2 m. w. N.). Der Klageantrag war auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung gerichtet.
Der Antrag ist auch nicht wegen fehlender Beschwer unzulässig. Eine Beschwer liegt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Steuerfestsetzung und ihrer Auswirkungen dann vor, wenn die Belastung mit Einkommensteuer, die sich aus der Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen - einschließlich ihrer Erhöhung um die anzurechnende Kapitalertragsteuer und um die anzurechnende Körperschaftsteuer - ergibt, niedriger ist, als der mit der Erhöhung des Anrechnungsbetrages verbundene Vorteil. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung in BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924 darauf hingewiesen, daß dies möglich sei, wenn der GrenzsteuerSatz bei der Einkommensteuer niedriger als 52 v. H. ist; in diesem Fall könne sich durch die Anrechnung von 36 v. H. Körperschaftsteuer und 16 v. H. Kapitalertragsteuer ein finanzieller Vorteil für den Steuerpflichtigen ergeben (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 33 KStG Allgem. Erl. C I und Erl. D III 1 zu § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG).
Von einer in diesem Sinne möglichen Beschwer ist nach dem Antrag der Kläger auch im Streitfall auszugehen.
II.
Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die Einkommensteuer 1984 ist im Ergebnis zutreffend festgesetzt (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2, 17 EStG 1983).
1. Einkünfte aus Kapitalvermögen
Der von der GmbH ausgeschüttete Betrag ist nur in Höhe von 128 418 DM als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG); in Höhe von 201 500 DM ist er als Ausschüttung aus dem EK 04 der GmbH nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören sonstige Bezüge aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft stammen, für die Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG als verwendet gilt. Die Vorschrift ist im Streitfall unmittelbar anwendbar. Daran ändert sich nichts dadurch, daß der Kläger an der ausschüttenden GmbH gemäß § 17 EStG wesentlich beteiligt war. Zu den gewerblichen Einkünften nach § 17 EStG gehören nur die anläßlich der Veräußerung der Beteiligung erzielten Gewinne bzw. Verluste; die von der GmbH ausgeschütteten Dividenden werden von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht erfaßt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428; vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596). Für den Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen grenzt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die steuerbaren von den nicht steuerbaren Bezügen ab (vgl. auch - für Beteiligungen im Betriebsvermögen - BFH-Urteil vom 7. November 1990 I R 68/88, BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177).
b) Ausschüttungen aus dem EK 04 betreffen Eigenkapitalanteile einer Kapitalgesellschaft, die durch Vermögensmehrungen entstanden sind, die nicht der Körperschaftsteuer unterlegen haben; dazu gehören insbesondere verdeckte Einlagen der Anteilseigner (§ 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 und dazu u. a. - für den Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf sein Gehalt als Einlage - BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 34/92, BFHE 171, 286 , BStBl II 1993, 804). Der Senat kann aber im Streitfall weder die Frage sachlich prüfen, ob der Gehaltsverzicht im Jahre 1983 zutreffend als verdeckte Einlage im EK 04 der GmbH erfaßt wurde, noch die Frage, ob die Ausschüttung im Jahre 1984 in voller Höhe der verdeckten Einlage zunächst mit dem EK 04 und erst dann mit anderen Teilen des verwendbaren Eigenkapitals der GmbH zu verrechnen ist. Dieser Prüfung steht die Bindungswirkung der die Eigenkapitalanteile feststellenden Bescheide (vEK-Bescheide) entgegen.
aa) Diese Bindungswirkung ergibt sich zwar nicht aus § 182 der Abgabenordnung (AO 1977); der vEK-Bescheid ist Grundlagenbescheid nur für Folgebescheide, die an die Körperschaft gerichtet sind (insoweit herrschende Meinung, vgl. Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 47KStG 1977 Tz. 11 und § 20 EStG Tz. 23; Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 47 Anm. 10; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 20 EStG - grüne Blätter - S. 13; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. D 18). Die Bindungswirkung ist eine materiellrechtliche. Sie ergibt sich unmittelbar aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten (vgl. zu dieser u. a. Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., S. 220f., 439).
Diese Beurteilung bedeutet - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht, daß das Eigenkapital i. S. von § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977, das für die Ausschüttung als verwendet gilt, vom jeweiligen Veranlagungs-FA in eigener Zuständigkeit nach den Grundsätzen der körperschaftsteuerrechtlichen Gliederungsrechnung zu ermitteln ist. Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist vielmehr der in der Eigenkapitalgliederung der ausschüttenden Gesellschaft im EK 04 ausgewiesene konkrete Betrag. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist Teil einer Gesamtregelung, die davon ausgeht, daß Gesellschaftereinlagen sowohl auf der Ebene der Gesellschaft als auch auf der Ebene der Gesellschafter steuerneutral zu behandeln sind. Da dies aber entsprechend dem System des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens nur über die Miteinbeziehung der Einlagen in die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals bei der Körperschaft erreicht werden kann, bestimmt sich auch ausschließlich nach dieser Gliederungsrechnung, ob Einlagen als solche bei der Körperschaft - im EK 04 - erfaßt worden sind (vgl. dazu BFH in BFHE 171, 286 , BStBl II 1993, 804) und ob bzw. inwieweit bei Ausschüttungen an den Gesellschafter eine Rückzahlung von Einlagen - aus dem EK 04 - angenommen worden ist (vgl. dazu BFH in BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177 unter 4. b-e der Gründe; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. C 107).
Dementsprechend enthält bereits das Urteil des BFH vom 23. Oktober 1991 I R 97/89 (BFHE 165, 537 , BStBl II 1992, 154 unter 5. der Gründe) den Hinweis, daß sich auch für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die Verwendung eines bestimmten Teilbetrags des vEK nach den zuvor gesondert festgestellten Teilbeträgen des vEK bestimmt. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, das EK 04 sei im vEK-Bescheid unzutreffend ausgewiesen.
bb) Es ist bei diesem Ergebnis ohne Bedeutung, daß das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr nicht den in der Steuerbescheinigung der GmbH ausgewiesenen Betrag des EK 04 berücksichtigt hat. Das Veranlagungs-FA kann diesen Betrag auf verschiedene Weise feststellen. Es wird, soweit ihm - wie im Streitfall - der bestandskräftige vEK-Bescheid übersandt worden ist, diesen Bescheid zugrunde legen. Es kann aber auch auf eine Kontrollmitteilung des FA zurückgreifen, das für die Besteuerung der ausschüttenden Körperschaft zuständig ist (vgl. dazu Eversberg in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a. a. O., § 44 KStG 1977 Tz. 98; Krebs in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., Erl. E I zu § 44 Abs. 5 KStG 1977; Kläschen, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar zu § 44 KStG 1977, Rz. 98, jeweils mit Hinweis auf Abschn. 99 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1977) und jedes andere ihm zugängliche Beweismittel heranziehen (Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. C 107).
Zu diesen Beweismitteln gehört auch eine von der Körperschaft ausgestellte Bescheinigung nach § 44 KStG 1977. Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Voraussetzung nur für die Anrechnung der Körperschaftsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c EStG und dazu Begründung zu Art. 2 § 47 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks 7/1470 S. 378; BFH-Beschluß vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a. a. O., § 20 EStG Tz. 66; Krebs in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 44 KStG 1977 Allg. Erl. Anm. C I). Für die Feststellung des Eigenkapitals i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977, das für die Ausschüttung als verwendet gilt, kommt ihr diese Bedeutung nicht zu. Auf sie ist weder in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verwiesen noch ergibt sich aus einer anderen Vorschrift eine Bindung an ihren Inhalt (Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. E 11). Dieses Ergebnis wird durch § 44 Abs. 5 Sätze 4 und 5 KStG 1977 bestätigt. Danach muß eine unrichtige Bescheinigung des für die Leistungen der Gesellschaft verwendeten EK 04 von der Gesellschaft nicht zurückgefordert und berichtigt werden.
2. Veräußerungsverlust aus § 17 EStG
Liegt der Veräußerungspreis für eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach Abzug der Veräußerungskosten unter ihren Anschaffungskosten, ist der dadurch entstehende Verlust bei den Einkünften des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb zu erfassen (§ 17 Abs. 1 und 2 EStG). Ein Verlust liegt hier jedoch nicht vor.
a) Der Veräußerungspreis ist mit 500 000 DM unstreitig; der Erwerber hat dem Kläger mit diesem Betrag den Nennwert der Geschäftsanteile vergütet. Unstreitig ist auch, daß der Nennwert den ursprünglichen Anschaffungskosten der Beteiligung entspricht. Von diesen ursprünglichen Anschaffungskosten ist trotz des Gehaltsverzichts im Jahre 1983 (vgl. nachfolgend b) und trotz der abweichend von der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG 1977 vorgenommenen Gewinnausschüttung der GmbH im Jahre 1984 (vgl. nachfolgend c) auszugehen. Danach ist im Streitfall weder ein Veräußerungsgewinn noch ein Veräußerungsverlust entstanden.
b) Der Gehaltsverzicht hat zunächst zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung geführt.
aa) Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH insbesondere dann, wenn der Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen Vermögensvorteile zuwendet und diese Zuwendungen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551 , BStBl II 1993, 333 m. w. N.). Eine solche Zuwendung - in Form einer verdeckten Einlage - kann auch der Erlaß einer Forderung gegen die Gesellschaft sein (BFH-Urteile vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; in BFHE 168, 551 , BStBl II 1993, 333 - für Verzicht auf Darlehensforderung -; vom 9. März 1977 I R 203/74, BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515, und vom 12. April 1989 I R 41/85, BFHE 156, 481, BStBl II 1989, 612 - für Verzicht auf Forderungen aus einem Pachtverhältnis -, oder BFH in BFHE 171, 286 , BStBl II 1993, 804 - für Verzicht auf Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis -).
Der Verzicht auf eine Forderung führt allerdings bei den Einkünften, die nach dem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG), nicht ohne weiteres zu einer verdeckten Einlage. Eine solche liegt nur dann vor, wenn sie dem Betriebsvermögen der Gesellschaft aus dem Vermögen des Gesellschafters - oder für dessen Rechnung aus dem Vermögen eines Dritten - zugeführt wird. Was in diesem Sinne Vermögen ist, ist nach Einkommensteuerrecht zu beurteilen. Danach gehört die Forderung des Klägers gegenüber der GmbH auf Zahlung seines rückständigen Gehalts noch nicht zu dessen Vermögen; denn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kann als Vermögen nur erfaßt werden, was dem Arbeitnehmer zuvor als Einnahme zugeflossen ist (§§ 8, 11 Abs. 1 EStG und dazu BFH in BFHE 171, 286 , BStBl II 1993, 804).
bb) Im Streitfall ist das Geschäftsführergehalt dem Kläger zugeflossen.
Ein Zufluß i. S. von § 11 Abs. 1 EStG ist zwar regelmäßig erst anzunehmen, wenn es in bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel (vgl. dazu u. a. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 m. w. N.). Eine solche Ausnahme hat die Rechtsprechung insbesondere angenommen, wenn sich der Anspruch des Gesellschafters gegen eine von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft richtet; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich die geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Voraussetzung ist lediglich, daß der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (BFH in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 unter 2. b der Gründe; vom 8. Oktober 1985 VIII R 284/83, BFHE 146, 108, BStBl II 1986, 481 unter 2. b der Gründe; vom 10. Mai 1989 I R 159/85, BFH/NV 1990, 635 unter 5. der Gründe). Anhaltspunkt dafür, daß die GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit des Gehaltsanspruches zahlungsunfähig war, sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Der unbestrittene Gehaltsanspruch mußte deshalb im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als Einnahme des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfaßt werden. Es ist für die Behandlung des Verzichts auf diesen Anspruch als Einlage ohne Bedeutung, ob der Anspruch noch 1982 oder erst 1983 fällig wurde. Nach materiellem Recht ist in beiden Fällen gewährleistet, daß die Erhöhung der Anschaffungskosten um den Betrag der verdeckten Einlage nicht zu einem Steuerausfall führt. Ob das Gehalt in diesen Jahren tatsächlich versteuert wurde, ist für die Qualifizierung des Gehaltsverzichts als nachträgliche Anschaffungskosten unerheblich.
cc) Der Kläger hat auf den Gehaltsanspruch verzichtet.
Der endgültige Verzicht auf eine Forderung ist nur durch Vertrag möglich (§ 397 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der "Beschluß" vom 5. September 1983 enthält die hierfür erforderlichen Willenserklärungen.
Dieser Annahme steht nicht entgegen, daß der Kläger als alleiniger Geschäftsführer der GmbH mit sich selbst Verträge regelmäßig nur abschließen konnte, wenn er von den Beschränkungen des § 181 BGB für Insichgeschäfte befreit war (§ 35 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Ob das hier der Fall war, läßt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Der Sachverhalt bedarf insoweit jedoch keiner weiteren Aufklärung. § 181 BGB ist nicht anzuwenden, wenn das Insichgeschäft dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt; hier fehlt der die Beschränkungen rechtfertigende InteressengegenSatz zwischen den Vertragsparteien (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 25. April 1985 IX ZR 141/84, BGHZ 94, 232f. , und vom 8. Juni 1989 IX ZR 234/87, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1989, 2542; Schramm in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 1993, § 181 Rdnr. 15f. m. w. N.).
Ein Vertrag, in dem ein Gesellschafter auf eine ihm zustehende Forderung gegenüber der Gesellschaft verzichtet, bringt dieser lediglich einen rechtlichen Vorteil.
c) Der Teil der Ausschüttung der GmbH, für den EK 04 als verwendet gilt, führt zu einer Minderung der Anschaffungskosten der Beteiligung.
Die Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG besteht zunächst - im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen - darin, daß der aus dem EK 04 stammende Gewinnanteil beim Gesellschafter als nicht steuerbare Einnahme zu behandeln ist. Sie ist jedoch nicht auf diese Aussage beschränkt. Sie wirkt sich - im Bereich der gewerblichen Einkünfte nach § 17 EStG - auch als Bewertungsvorschrift aus.
Bei den nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs zu ermittelnden Gewinneinkünften wird § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dadurch vollzogen, daß der aus dem EK 04 stammende Gewinnanteil den Buchwert der Beteiligung mindert (BFH in BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177). Das entspricht der inzwischen herrschenden Meinung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Rückzahlungen von Einlagen aus dem Nennkapital anläßlich einer Kapitalherabsetzung oder der Liquidation einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 1/91, BFHE 169, 213, BStBl II 1993, 189 m. w. N.) und zu Ausschüttungen auf Beteiligungen im Betriebsvermögen, die mit dem EK 04 der ausschüttenden Kapitalgesellschaft verrechnet werden (BFH-Urteil vom 16. März 1994 I R 70/92, BFHE 174, 155, BStBl II 1994, 527). So wie die Einlage zu nachträglichen Anschaffungskosten und damit zu einer Erhöhung des Buchwerts der Beteiligung führt, so hat die Kapitalrückzahlung und die Ausschüttung aus dem EK 04 eine Minderung der Anschaffungskosten und des Buchwerts der Beteiligung zur Folge. Ob und ggf. in welcher Höhe dies der Fall ist, bestimmt sich über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nach der bei der GmbH erstellten Gliederungsrechnung (vgl. oben II. 1. b).
Diese GrundSätze gelten auch für wesentliche Beteiligungen, die im Privatvermögen gehalten werden. Die Frage war bisher streitig (zum Streitstand vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. C 103). Sie kann aber für die Zwecke der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG nicht anders entschieden werden als für die Zwecke der Ermittlung des laufenden Gewinns auf der Grundlage eines Betriebsvermögensvergleichs. Darauf hat der BFH bereits in seinem Urteil in BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177 hingewiesen (dort unter 4. c der Gründe; zustimmend u. a. Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a. a. O., § 17 EStG Tz. 125; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 17 EStG Rz. 621; Schmidt, a. a. O., § 6 Anm. 28 und § 17 Anm. 24 d, ee; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. C 103; ebenso Abschn. 140 Abs. 9 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990). Das entspricht der gebotenen einheitlichen Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs bei den Gewinn- und Überschußeinkünften (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77, BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494).