BFH

BFHI R 97/9313.4.1994

Amtlicher Leitsatz:

Darlehenszinsen sind inländische Einkünfte gem. § 49 I Nr. 5 lit. c aa EStG, wenn dem Darlehensgläubiger zur Sicherung seiner Forderung ein Pfandrecht an einer Grundschuld eingeräumt wird. Dasselbe gilt, wenn Grundschuldbriefe der Sicherung dienen sollen und die Grundschuldbriefe von einem Notar zugunsten der Darlehensgläubiger dergestalt treuhänderisch verwahrt werden, daß die Rückgabe der Briefe vor Erfülllung der Darlehensverbindlichkeiten ausgeschlossen ist.

Normen

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG

 

Tatbestand:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Vaduz/Liechtenstein. Sie gewährte mit Vertrag vom 15. November 1982 dem im Inland ansässigen T ein mit 7 v. H. zu verzinsendes Darlehen in Höhe von 505 000 DM. T löste abredegemäß mit der Darlehensvaluta eine durch Grundschuldbriefe gesicherte Schuld bei der H-Bank ab. Briefe über Grundschulden in Höhe von 250 000 DM und 150 000 DM, mit denen im Inland liegende Grundstücke belastet waren, wurden von der H-Bank unmittelbar bei Notar P hinterlegt. Mit Schreiben vom 4. November 1987 teilte die Klägerin T bezüglich der Grundschulden folgendes mit:

"Vereinbarungsgemäß sind die Grundschulden, die als Sicherheit bei der H-Bank lagen, an Notar P, ... zu treuen Händen übergeben worden, jedoch mit der Anweisung, daß die Grundschuldbriefe für das Haus ... an den neuen Eigentümer übergeben werden können. Zu unseren Gunsten werden zwei Grundschuldbriefe deponiert, einmal DM 250 000 und einmal DM 100 000 bis zur gänzlichen Rückzahlung des Darlehensbetrages. Die Rückgabe der Schuldbriefe erfolgt nach Erhalt der Darlehensvaluta samt Zinsen durch Notar P."

Der Klägerin flossen 1983 Zinsen in Höhe von 22 310 DM, 1984 in Höhe von 41 700 DM und 1985 in Höhe von 32 690 DM zu, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Steuer heranzog. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat T als Zeugen vernommen. Der gesetzliche Vertreter der Klägerin weigerte sich trotz entsprechenden Beweisbeschlusses, zur mündlichen Verhandlung vor dem FG zu erscheinen.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG vom 7. Dezember 1992 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 581), die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 1990, soweit sie die Körperschaftsteuer 1983 bis 1985 betrifft, und die Körperschaftsteuerbescheide 1983 bis 1985 vom 20. März 1990 bzw. 15. Dezember 1988 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Rüge, das FG habe § 76 FGO verletzt, ist in unzulässiger Weise erhoben worden (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Im übrigen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) von einer Begründung ab.

Gemäß § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die - wie die Klägerin - weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Was inländische Einkünfte sind, bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 KStG nach § 49 EStG.

Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind nach § 49 Abs. 1 Nr. 5c aa EStG inländische Einkünfte, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, oder durch Schiffe, die in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert ist.

a) Das Kapitalvermögen ist durch inländischen Grundbesitz oder durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, gesichert, wenn zur Sicherheit des Inhabers der Darlehensforderung ein Grundpfandrecht (vgl. hierzu z. B. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl., Vorbem. vor § 1113 ff.; vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1985 I R 87/84, BFH/NV 1985, 104) oder ein Verwertungsrecht an einem Grundpfandrecht rechtswirksam bestellt wurde. Dementsprechend hat der Reichsfinanzhof (RFH) in der Verpfändung einer Grundschuld eine mittelbare Sicherung durch Grundbesitz gesehen (vgl. Urteile vom 24. September 1935 I A 162/35, RStBl 1935, 1451; vom 9. Januar 1936 III A 246/35, RStBl 1936, 120; ebenso BFH in BFH/NV 1985, 104). Eine rechtswirksame Verpfändung eines Grundpfandrechts setzt allerdings gemäß § 1274 i. V. m. §§ 1154, 1192 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine schriftliche Verpfändungserklärung des Pfandrechtsinhabers oder die Eintragung der Verpfändung im Grundbuch und die Übergabe des Grundpfandrechtsbriefes voraus. Einer schriftlichen Annahmeerklärung des Pfandrechtsgläubigers bedarf es nicht, so daß diese auch konkludent erklärt werden kann (vgl. Palandt, a. a. O., § 398 RdNr. 8). Die Übergabe des Briefes, der sich nur in mittelbarem Besitz des Grundschuldinhabers befindet, kann gemäß § 1274 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1205 Abs. 2 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 870 BGB ersetzt werden.

Die Frage, ob die Eigentümergrundschuld im Streitfall rechtswirksam der Klägerin verpfändet wurde, kann anhand der Feststellungen des FG nicht beantwortet werden. Insbesondere hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob T der Klägerin das Angebot auf Sicherung der Darlehensforderung schriftlich gemacht hat, und ob die Klägerin dieses Angebot - wenn auch nur konkludent - angenommen hat.

b) Sollte T eine Absicherung des Darlehens durch die Grundschuldbriefe nur mündlich der Klägerin angeboten haben, so kann gleichwohl eine mittelbare Sicherung i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 5c aa EStG vorliegen, wenn nach den vertraglichen Absprachen die Grundschuldbriefe der Sicherung dienen sollten und diese vom Notar zugunsten der Klägerin dergestalt treuhänderisch verwahrt werden sollten, daß T die Rückgabe der Briefe nicht vor Erfüllung seiner Darlehensverbindlichkeiten verlangen konnte.

Inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 5c aa EStG vor, wenn "das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz ... unmittelbar oder mittelbar gesichert ist". Nach dem Gesetzeswortlaut wird eine formal-rechtlich wirksame dingliche Sicherung nicht vorausgesetzt. Der RFH vertrat daher die Auffassung, daß eine Forderung auch dann (mittelbar) durch Grundbesitz gesichert sei, wenn nach den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten eine treuhänderische Verwahrung von Hypotheken- oder Grundschuldbriefen zugunsten des Darlehensgebers erfolgen sollte (vgl. RFH-Urteile vom 8. November 1934 III A 317/34, RStBl 1935, 582, und vom 31. Juli 1934 I R 116/34, RStBl 1934, 1205). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Sie entspricht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nach der eine tatsächliche Sicherung ausreichend ist (für eine weite Auslegung s. auch Krabbe in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 49 RdNr. 151).

Keine Sicherung im wirtschaftlichen Sinne liegt allerdings vor, wenn der Inhaber (hier:) der Eigentümergrundschuld im Verhältnis zum Gläubiger der Kapitalforderung jederzeit den uneingeschränkten Besitz des Grundschuldbriefes fordern kann. Die bloße Tatsache, daß der Gläubiger der Forderung Kenntnis vom Aufbewahrungsort des (hier:) Grundschuldbriefes hat, genügt für eine mittelbare Sicherung i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 5c aa EStG ebensowenig wie die bloße Kenntnis, daß der Schuldner Eigentümer eines Grundstücks ist, das ggf. der Befriedigung der Forderung im Zwangswege dienen könnte. Notwendig ist vielmehr, daß der Darlehensgeber aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen mit dem Darlehensnehmer eine Rechtsposition erlangt, die ihn in die Lage versetzt, ohne Mitwirkung des Darlehensnehmers eine Haftung des Grundstücks für die Kapitalforderung herbeizuführen. Eine Sicherung, die einer zivilrechtlich wirksamen Verpfändung gleichkommt, ist daher nur gegeben, wenn der Sicherungsnehmer ein ausschließliches, den Herausgabeanspruch des Grundschuldinhabers ausschließendes Recht am (mittelbaren) Besitz des Grundschuldbriefes hat. Dies wäre - bezogen auf den Streitfall - zu bejahen, wenn der Notar P angewiesen war, die Grundschuldbriefe ausschließlich zugunsten der Klägerin zu verwahren und diese dem T keinesfalls vor Darlehenstilgung auszuhändigen.

2. Die Sache ist an das FG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückzuverweisen. Insbesondere wird es den Notar P dazu vernehmen müssen, aus welchem Grund er die Grundschuldbriefe verwahrte und ob dies in den Streitjahren ausschließlich zugunsten der Klägerin geschah. Das FG wird auch zu prüfen haben, ob die Klägerin, wenn auch ggf. durch schlüssiges Verhalten, das Angebot auf Absicherung des Darlehens durch die Grundschuldbriefe annahm. Dem FG ist auch nach erneuter Verhandlung nicht verwehrt, aus einer verweigerten Mitwirkung der Klägerin die entsprechenden Schlüsse zu ziehen (vgl. hierzu z. B. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Insbesondere ist die - ggf. konkludente - Annahme des Angebots des T durch die Klägerin ein Sachverhalt, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung (AO 1977) bezieht (§ 90 Abs. 2 AO 1977).

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