BFH

BFHX R 123/9223.2.1994

Amtlicher Leitsatz:

Die aufgrund einer Erbschaftsteuerfestsetzung gem. § 23 ErbStG gezahlte Erbschaftsteuer ist bei der Einkommensteuer als Sonderausgabe abziehbar, soweit Einkünfte als Erwerb von Todes wegen mit Erbschaftsteuer belastet sind.

Normen

§ 35 EStG

 

Tatbestand:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin der im Jahre 1978 verstorbenen A. Zum Nachlaß gehörte u. a. die Forderung der Erblasserin aus dem Verkauf eines Grundstücks. Im Kaufvertrag vom 22. Juni 1966 war vereinbart, daß ein Teil des Kaufpreises ("Restkaufpreis") in Höhe von 3 Mio. DM einschließlich einer jährlichen Verzinsung von 7 v. H. in gleichen vierteljährlichen Raten mit jeweils 65 000 DM ab 1. Januar 1967 auf die Dauer von 24 1/2 Jahren, letztmals am 1. April 1991, an die Verkäuferin oder deren Rechtsnachfolger zu zahlen war. Die Zahlungen waren nach näherer Maßgabe bei Änderung des Lebenshaltungskostenindexes anzupassen.

Im Erbschaftsteuerbescheid setzte das für die Erhebung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt die auf die "Restkaufpreisforderung" entfallende Erbschaftsteuer antragsgemäß nach § 23 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) fest; es ging dabei von der Unverzinslichkeit der Forderung aus. Die festgesetzte Jahressteuer betrug 107 134 DM (56 v. H. von 191 312 DM); für 1981 waren nach dem Erbschaftsteuerbescheid vom 22. Mai 1981 für die Zeit vom 22. November 1978 bis 21. November 1981 321 404 DM, danach jährlich, letztmals zum 22. November 1991, 107 134 DM zu entrichten.

Die Klägerin machte in ihren Einkommensteuererklärungen 1981 bis 1989 die Erbschaftsteuerzahlungen als Sonderausgaben (dauernde Last) nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. In den jeweils unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1981 bis 1983 ließ das Finanzamt die Erbschaftsteuerzahlungen zum Abzug als Sonderausgaben zu. Im Anschluß an eine im Dezember 1985 durchgeführte Außenprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, die Kaufpreisforderung sei weder eine Rente noch eine sonstige wiederkehrende Leistung i. S. des § 23 ErbStG. Es handle sich um eine in Raten zu erfüllende verzinsliche Kapitalforderung. Die Tilgungszuflüsse unterlägen - anders als die vereinnahmten Zinsen - nicht der Einkommensteuer. Die Voraussetzungen des § 23 ErbStG lägen deshalb nicht vor. Ein Abzug als dauernde Last scheide aus, auch wenn bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer antragsgemäß § 23 ErbStG angewandt worden sei. Die fehlerhafte und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr korrigierbare Entscheidung bei der Erbschaftsteuer sei für die Einkommensteuer nicht bindend. Der Erbschaftsteuerbescheid sei kein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA änderte u. a. auch aus diesem Grund die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1981 bis 1983 und ließ - wie auch in den erstmaligen Einkommensteuerbescheiden der Folgejahre - die Erbschaftsteuerzahlungen nicht mehr zum Abzug zu. Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1986 und 1989 blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 302 veröffentlicht.

Das FG war der Auffassung, die Erbschaftsteuer sei eine sonstige Personensteuer i. S. des § 12 Nr. 3 EStG, die nicht steuermindernd berücksichtigt werden dürfe. Nach dem Einleitungssatz des § 12 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1979 vom 30. November 1978 (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) sei § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als Ausnahme vom Abzugsverbot nicht erwähnt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. April 1965 VI 339/63 U (BFHE 82, 315, BStBl III 1965, 360), die den Abzug der wiederkehrenden Erbschaftsteuerzahlungen i. S. des § 33 ErbStG a. F. (jetzt § 23 ErbStG) für eine vermächtnisweise zugewandte Leibrente als dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1958 bejaht habe, sei zu § 12 EStG i. d. F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1979 ergangen. Aus § 35 Satz 3 EStG ergebe sich keine andere Beurteilung; diese Vorschrift könne nur so verstanden werden, daß die in § 35 Sätze 1 und 2 EStG näher geregelte Einkommensteuerermäßigung nicht gewährt werden dürfe, wenn tatsächlich die Jahreserbschaftsteuer als Sonderausgaben abgezogen worden sei, wie dies bis zum Inkrafttreten des StÄndG 1979 nach der Rechtsprechung möglich gewesen sei.

§ 176 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AO 1977 stehe der Entscheidung nicht entgegen. Die geänderte Rechtsauffassung beruhe allein auf der Änderung des Gesetzes durch das StÄndG 1979, nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung zur Beurteilung der Erbschaftsteuer als sonstige Personensteuer i. S. des § 12 Nr. 3 EStG durch das Urteil des BFH vom 9. August 1983 VIII R 35/80 (BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 176 AO 1977 hinsichtlich der Streitjahre 1981 bis 1983.

Die bloß deklaratorische Änderung des Einleitungssatzes des § 12 EStG durch das StÄndG 1979 sei nur von Bedeutung, weil der BFH im Urteil in BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27 seine Rechtsauffassung zur Erbschaftsteuer als sonstige Personensteuer geändert habe.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1991 hinsichtlich der Streitjahre 1981 bis 1983 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1983 in der Weise zu ändern, daß Erbschaftsteuerzahlungen in Höhe von 167 611 DM (1981), 160 701 DM (1982) und 107 134 DM (1983) als Sonderausgaben abgezogen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die nach § 23 ErbStG laufend vom Jahreswert erhobene Erbschaftsteuer darf entgegen der Auffassung des FG nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 35 Satz 3 EStG i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als dauernde Last abgezogen werden, soweit dem Zugriff der Erbschaftsteuer eine Bereicherung unterlegen hat, die wertgleich in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer eingeht. Im Streitfall ist nicht ausgeschlossen, daß der Erbschaftsteuer als "Jahreswert" i. S. des § 23 ErbStG nicht nur die Tilgungsbeträge, sondern auch die Zinsen unterlegen haben; insoweit kommt eine Doppelerfassung in Betracht, die durch einen Sonderausgabenabzug auszugleichen ist. Das FG hat hierzu - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen; die Sache wird deshalb zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückverwiesen.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Dagegen dürfen die in § 12 Nr. 3 EStG genannten Steuern vom Einkommen und sonstigen Personensteuern, soweit nichts anderes bestimmt ist, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

Zutreffend geht das FG davon aus, daß die Erbschaftsteuer eine sonstige Personensteuer i. S. des § 12 Nr. 3 EStG ist (BFH-Urteile in BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27, und vom 7. Dezember 1990 X R 72/89, BFHE 163, 137, 145, BStBl II 1991, 350). Eine Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG gilt jedoch, soweit bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte aus Renten, Nießbrauchsrechten und anderen wiederkehrenden Leistungen und Nutzungen berücksichtigt werden, die mit dem Jahreswert gemäß § 23 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegen. Insoweit enthält § 35 Satz 3 EStG i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG entgegen der Auffassung des FG eine spezialgesetzliche Ausnahme (s. bereits BFHE 163, 137, 143, BStBl II 1991, 350).

2. Nach § 35 Satz 1 EStG wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer nach näherer Maßgabe des Satzes 2 ermäßigt, wenn bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt werden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Einkommensteuer unterlegen haben.

§ 35 Satz 1 EStG berücksichtigt, daß es in bestimmten Fällen zu einer Gesamtbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen kann, die höher ist als die gewollte Doppelbelastung, die sich im Regelfall aus dem Nebeneinander von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer ergibt. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn

- der Erbschaftsteuer als Wertbestandteil der erbschaftsteuerlichen Bereicherung stille Reserven unterlegen haben, die erst in der Person des Erben realisiert werden (BFH in BFHE 163, 137, 143, BStBl II 1991, 350),

- bei der Erbschaftsteuer eine Bereicherung erfaßt ist, die als Zufluß nicht mehr beim Erblasser, sondern erst in der Person des Erben zu steuerpflichtigem Einkommen wird (vgl. BFH in BFHE 163, 137, 144, BStBl II 1991, 350),

- bei der Erbschaftsteuer ein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen oder Nutzungen erfaßt wird, die beim Erwerber als wiederkehrende Bezüge bzw. Einkünfte aus dem Nutzungsrecht in voller Höhe der Einkommensteuer unterliegen,

- beim Erwerb von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen der Erwerber die Versteuerung nach § 23 ErbStG wählt und die Erbschaftsteuer statt vom abgezinsten Wert des Anspruchs im Zeitpunkt des Rechtserwerbs nach dem Jahreswert der wiederkehrenden Leistungen erhoben wird.

Nach § 35 Satz 3 EStG ist die Tarifermäßigung des § 35 Satz 1 EStG ausgeschlossen, "soweit Erbschaftsteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgezogen wird". Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortsinn die Fälle des § 23 ErbStG. Diese erbschaftsteuerrechtliche Sonderregelung unterscheidet sich hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der zeitlichen Erhebung von der Sofortversteuerung:

a) Grundsätzlich hat der Erwerber von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen nach § 12 Abs. 1 ErbStG den nach den §§ 13 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) zu errechnenden Kapitalwert des Anspruchs auf die wiederkehrenden Bezüge zu versteuern. Weil dies für den Erwerber dann zu einer unbilligen Härte führen kann, wenn sich unter Berücksichtigung des Kapitalwertes eine hohe Steuer ergibt, für deren sofortige Begleichung die liquiden Mittel fehlen, räumt § 23 ErbStG das Recht auf Versteuerung nach dem Jahreswert der Bezüge ein.

b) Anders als bei der Sofortversteuerung nach dem Kapitalwert wird bei der Versteuerung nach dem - nach §§ 15 und 16 BewG zu errechnenden - Jahreswert gemäß § 23 ErbStG der volle Nennwert der jährlichen Bezüge, nicht nur der abgezinste Wert des Anspruchs im Zeitpunkt des Rechtserwerbs erfaßt (vgl. z. B. Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 23 ErbStG Anm. 2). Nach § 35 Satz 3 EStG soll in den Fällen des § 23 ErbStG die Doppelbelastung der dort bezeichneten wiederkehrenden Bezüge mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer durch entsprechenden Abzug der Erbschaftsteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG beseitigt werden (Abschnitte 213e Abs. 2 und 87 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -; Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 35 Anm. 75, 76; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Anm. 60 Stichwort "Erbschaftsteuer" und § 35 EStG Anm. V; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 12 RdNr. D 9; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 12 Anm. 12; Schmidt/Glanegger, a. a. O., § 35 Anm. 11; Klotz, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1974, 347; Troll, Betriebs-Berater - BB - 1985, 2099; Moench, Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer, Kommentar, § 23 Anm. 20; vgl. auch BFH-Urteile vom 22. Dezember 1976 II R 58/67, BFHE 121, 487, 494, BStBl II 1977, 420; vom 27. November 1985 II R 148/82, BFHE 145, 443, 448, BStBl II 1986, 265, und in BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350; anderer Ansicht Claßen in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Rz. 63; Söhn in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 10 Anm. D 180).

c) Nach dem Sinn des § 35 EStG ist der Abzug der Erbschaftsteuerzahlungen als Sonderausgaben - ebenso wie die Tarifermäßigung nach § 35 Satz 1 und 2 EStG (hierzu ausführlich Senatsurteil in BFHE 163, 137, 142f., BStBl II 1991, 350) - jedoch auf die Einkünfte oder Teile davon zu beschränken, die als Erwerb von Todes wegen tatsächlich mit Erbschaftsteuer belastet sind.

3. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

a) Bereits vor Einführung des § 35 EStG durch das Einkommensteuer-Reformgesetz (EStRG) 1974 vom 5. August 1974 (BStBl I 1974, 530) hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Jahreserbschaftsteuer nach § 33 ErbStG 1959 (jetzt § 23 ErbStG) als dauernde Last abziehbar ist (BFH-Urteile vom 15. November 1957 VI 79/55 U, BFHE 66, 262, BStBl III 1958, 103; in BFHE 82, 315, BStBl III 1965, 360; s. bereits Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 14. August 1935 VI A 582/35, RFHE 38, 159, RStBl 1935, 1496). Diese Rechtsprechung beruhte vor allem auf der Überlegung (s. insbesondere BFH in BFHE 66, 262, BStBl III 1958, 103 - für den erbweisen Erwerb eines lebenslänglichen Nießbrauchs -), daß es trotz der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer in den Fällen der Versteuerung nach § 33 ErbStG 1959 (jetzt § 23 ErbStG) zu einer durch das Nebeneinander beider Steuerarten nicht mehr gerechtfertigten Doppelbelastung kommen könne, weil

- bei der Erbschaftsteuer latente Einkommensteuerlasten - anders als die in der Person des Erblassers bereits entstandenen Einkommensteuerschulden - nicht abziehbar seien,

- bei der Erbschaftsteuer mit dem Jahreswert anders als bei der Sofortversteuerung nach dem Kapitalwert nicht nur der "Kapitalanteil" der Jahresbezüge, sondern auch deren "Ertragsanteil" berücksichtigt werde,

- bei einem Anspruch auf lebenslängliche, wiederkehrende Leistungen im Falle der Versteuerung nach dem Jahreswert allein die Dauer der jährlichen Bezüge maßgeblich und keine Beschränkung der Zahlungen auf die nach dem Kapitalwert sich errechnende Erbschaftsteuer möglich sei,

- bei der Einkommensteuer der Wert der jährlichen Bezüge ohne Rücksicht darauf erfaßt werde, daß der Erwerb des Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen lediglich die einkommensteuerrechtlich grundsätzlich nicht relevante Vermögenssphäre betreffe,

- in anderen Fällen der systemwidrigen Doppelbelastung gleicher Wertgrößen durch Einkommensteuer und Erbschaftsteuer durch die Sonderregelungen der § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 5, § 17 Abs. 4, § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG 1957 (Besteuerung des Veräußerungsgewinns) diese Doppelbelastung durch den Abzug der Erbschaftsteuer beseitigt werde.

b) An diese Rechtsprechung knüpft § 35 Satz 3 EStG 1975 an. § 35 EStG regelt die bisher in § 14 Satz 2, § 16 Abs. 5, § 17 Abs. 3 Satz 3 und § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i. d. F. vor dem EStRG nur für bestimmte Veräußerungs- oder Aufgabegewinne vorgesehene Berücksichtigung der Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer abschließend für alle Fälle der systemwidrigen Doppelbelastung. Von einer vollständigen Beseitigung der Doppelbelastung - durch Freistellung oder Anrechnung - wurde mit der Begründung abgesehen, es entspreche "dem Nebeneinander von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, daß ein aus versteuertem Einkommen gebildetes Vermögen beim Übergang von Todes wegen oder bei der Schenkung auch mit Erbschaftsteuer belastet wird" (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 7/2180, S. 21). Lediglich für Sachverhalte, bei denen die gleiche Maßgröße, die zu einem früheren Zeitpunkt als Bereicherung der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) unterlegen hat, auch als Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 und 2 EStG der Einkommensteuer unterliegt (ausführlich hierzu BFH in BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350), sollte die Doppelbelastung durch eine Tarifermäßigung gemildert werden, wenn Erbfall (Erbschaftsbesteuerung) und Einkünfteanfall (Einkommensbesteuerung) sich in einem überschaubaren Zeitraum vollziehen. In den Fällen der Versteuerung nach § 23 ErbStG, die sich hinsichtlich Bemessungsgrundlage und Erhebung der Erbschaftsteuer vom Regelfall unterscheiden, sollte die Doppelbelastung durch den entsprechenden Abzug der Jahressteuer als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG berücksichtigt werden (BTDrucks 7/2180, S. 21).

4. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die aufgrund einer Erbschaftsteuerfestsetzung nach § 23 ErbStG gezahlte Erbschaftsteuer darf nur dann und insoweit als Sonderausgabe abgezogen werden, als Erbschafts- und Einkommensbesteuerung tatsächlich zu einer Doppelbelastung geführt haben (vgl. zu § 35 Satz 1 EStG: BFH in BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350). Diese Voraussetzungen liegen grundsätzlich nicht vor, wenn wie im Streitfall zum Nachlaß eine langfristig zu tilgende, verzinsliche Kaufpreisforderung gehört.

a) Diese unterliegt der Erbschaftsteuer grundsätzlich nur mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 1 BewG). Die erst nach dem Tode anfallenden Zinserträge (vgl. § 101 Nr. 2 2. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) sind - anders als bei den in § 23 ErbStG bezeichneten wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen - nicht Gegenstand der Erbschaftsteuer, denn diese erfaßt nur den Vermögensgegenstand als solchen, nicht dessen künftige Erträge (vgl. z. B. Schmidt/Glanegger, a. a. O., § 35 Anm. 5a; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 35 EStG Anm. III 2a). Zweifelhaft ist deshalb schon, ob § 23 ErbStG auf den Erwerb einer in Raten zu tilgenden verzinslichen Kapitalforderung überhaupt entsprechend anwendbar ist (vgl. allerdings FG Hamburg, Urteil vom 27. September 1977 V 18/77, EFG 1978, 25; im Ergebnis bestätigt durch BFH-Urteil vom 9. Dezember 1981 II R 143/77, nicht veröffentlicht - n. v. -). Selbst wenn in diesem Fall eine vergleichbare Interessenlage eine entsprechende Anwendung des § 23 ErbStG rechtfertigen sollte, läge es nahe, als "Jahreswert" bei der Erbschaftsteuer nur die jährlichen Tilgungszuflüsse zu berücksichtigen. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 1 BewG, wonach Forderungen mit dem Nennwert anzusetzen sind, schließt die Berücksichtigung der jährlichen Zinserträge aus.

b) Der Einkommensteuer unterliegen bei einer verzinslichen, in Raten zu tilgenden privaten Kaufpreisforderung dagegen nur der in den jährlichen Zahlungen enthaltene Zinsertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, nicht jedoch die Tilgungsbeträge (z. B. BFH-Urteile vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298 unter II.6., m. w. N., und vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, m. w. N.). Auf Kaufpreisraten oder "Kaufpreiszeitrenten" findet § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG keine Anwendung (z. B. BFH/NV 1993, 87, m. w. N.; vgl. BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298 unter II.6.). Eine Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer wäre deshalb auch bei entsprechender Anwendung des § 23 ErbStG grundsätzlich ausgeschlossen.

c) Im Streitfall ist allerdings nicht auszuschließen, daß das FA bei der Berechnung der Jahressteuer nicht nur die Kaufpreisrestschuld zum Stichtag, sondern tatsächlich auch die bis 1991 noch zu zahlenden Zinsen erfaßt hat. Im Erbschaftsteuerbescheid wurde die Jahressteuer durch Aufteilung der von der Grundstückserwerberin für den 1. Januar 1979 mitgeteilten Restverbindlichkeit von 2 678 375 DM auf 14 Jahresraten festgesetzt. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei dem mitgeteilten Betrag um den gesamten von der Grundstückserwerberin noch zu zahlenden Betrag einschließlich der Zinsen oder nur um die Tilgungsbeträge handelt.

Zur Ermittlung der erforderlichen Tatsachen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

5. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, daß der Änderung der Einkommensteuerbescheide durch das FA nicht § 176 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AO 1977 entgegensteht, soweit im Streitfall die Erbschaftsteuerzahlungen nicht zu einer Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer geführt haben.

a) Die Rechtsprechung hat sich nur dann i. S. des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 geändert, wenn ein im wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalt anders als bisher entschieden wurde (z. B. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421, m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall. Zwar hat sich mit der Entscheidung in BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27 die bisherige Rechtsprechung zur Frage geändert, ob die Erbschaftsteuer eine sonstige Personensteuer i. S. des § 12 Nr. 3 EStG ist. Diese Entscheidung betrifft schon in tatsächlicher Hinsicht einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob Schuldzinsen für einen zur Bezahlung der Schenkungsteuer aufgenommenen Kredit als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. In rechtlicher Hinsicht war die Beurteilung der Erbschaftsteuer als Personensteuer für diese Entscheidung ebensowenig tragend, wie die gegenteilige Aussage in den im Urteil in BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27 unter 6. zitierten Entscheidungen des BFH.

b) Auch die Voraussetzungen des § 176 Abs. 2 AO 1977 liegen nicht vor. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. § 176 Abs. 2 AO 1977 setzt zunächst eine für den Steuerpflichtigen günstige Verwaltungsregelung voraus. Schon daran fehlt es im Streitfall, weil die EStR zu der hier allein entscheidungserheblichen Rechtsfrage keine Aussage enthalten. Die Abschnitte 213e Abs. 2 und 87 Abs. 3 EStR betreffen lediglich die Erbschaftsteuer für den Erwerb von "Renten, Nießbrauchsrechten und sonstigen wiederkehrenden Leistungen", nicht dagegen die Erbschaftsbesteuerung langfristig in Raten zu tilgender verzinslicher Kaufpreisforderungen.

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