BFH

BFHII R 39/8929.7.1992

Amtlicher Leitsatz:

Es besteht eine (tatsächliche) Vermutung, daß Geldmittel, die dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich der unselbständigen inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft entzogen und durch Überweisung an das ausländische Stammhaus dessen unmittelbarem Zugriff unterworfen werden, nicht mehr der inländischen Betriebsstätte, sondern der ausländischen Zentralbetriebsstätte dienen und daher bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der inländischen Betriebsstätte nicht mehr zu erfassen sind.

 

Tatbestand:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG japanischen Rechts mit Sitz in Tokio. Sie unterhält in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) unselbständige Zweigniederlassungen. Die Zweigniederlassung in A nimmt die Aufgabe als inländische "Kopfstelle" wahr; sie erstellt konsolidierte Jahresabschlüsse für die inländischen Filialen. Das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr beginnt am 1. April und endet am 31. März.

Die von den inländischen Betriebsstätten der Klägerin in den Wirtschaftsjahren 1982/83 und 1983/84 erzielten Jahresüberschüsse sind vor Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres wie folgt an das Stammhaus in Japan abgeführt worden:

Wirtschaftsjahr 1982/83

am 19. Juli 1982 3 000 000,00 DM

am 1. Oktober 1982 14 270 501,10 DM

am 20. Januar 1983 2 000 000,00 DM

am 31. März 1983 5 081 735,50 DM

24 352 236,60 DM

Wirtschaftsjahr 1983/84

am 3. Oktober 1983 15 001 625,62 DM

am 30. März 1984 7 196 513,96 DM

22 198 139,58 DM

Der Board of Directors der japanischen Zentrale der Klägerin faßte in seiner Sitzung vom 22. November 1982 den Beschluß, für das Wirtschaftsjahr 1982/83 eine Zwischendividende von 4,8 Mrd. Yen (=3 Yen pro Aktie) auszuschütten und eine Gewinnrücklage in Höhe von 0,96 Mrd. Yen (= 1/5 des Ausschüttungsbetrages) zu bilden. Dividendenberechtigt waren die am 30. September 1982 in den Aktionärslisten erfaßten Aktionäre und Pfandrechtsinhaber. Die Auszahlung der Zwischendividenden sollte am 10. Dezember 1982 beginnen.

In der Sitzung vom 22. November 1983 faßte der Board of Directors einen entsprechenden Beschluß für das Wirtschaftsjahr 1983/84. Die auszuschüttende Zwischendividende, die den am 30. September 1983 in den Aktionärslisten verzeichneten Anteilseignern zustand, sollte wiederum 4,8 Mrd. Yen (=3 Yen/Aktie) betragen und ab 9. Dezember 1983 zur Auszahlung gelangen.

Wiederum 0,96 Mrd. Yen sollten den Rücklagen zugeführt werden.

Die Beschlüsse über die Ausschüttung von Zwischendividenden waren nach der Satzung der Klägerin zulässig und hielten sich im Rahmen der (in Japan geltenden) gesetzlichen Bestimmungen.

Im jeweils ersten Halbjahr der Geschäftsjahre 1982/83 und 1983/84 (Zeitraum vom 1. April bis 30. September) erzielte die Klägerin folgende Gewinne:

1982/83 1983/84

Mio. Yen TDM Mio. Yen TDM

Verlust in Japan ./. 4 807 ./. 45 426 ./. 5 317 ./. 59 471

Gewinn außerhalb Japans 17 095 161 548 18 878 211 150

Gewinn weltweit 12 288 116 122 13 561 151 679

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 26. April 1985 stellte das Finanzamt X den Einheitswert des Betriebsvermögens (für die inländischen Betriebsstätten) der Klägerin auf den 1. Januar 1984 auf 159 759 000 DM fest. Mit ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 17. April 1986 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1985 auf 168 877 000 DM fest. Darin einbezogen waren die von den inländischen Zweigniederlassungen vor dem jeweiligen Bewertungsstichtag an die Tokioter Zentrale abgeführten Jahresüberschüsse in Höhe von 24 352 236,60 DM im Wirtschaftsjahr 1982/83 bzw. 22 198 139,58 DM im Wirtschaftsjahr 1983/84.

Nach erfolglosen Einsprüchen begehrte die Klägerin mit ihrer Klage, die Einheitswerte auf die streitigen Stichtage nach einem um die vor den Feststellungszeitpunkten an die Zentrale abgeführten Jahresüberschüsse geminderten Betriebsvermögen festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 396 veröffentlichten Urteil statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 121 Abs. 2 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einheitswertfeststellungen in der Weise abzuändern, daß ihnen ein um 4 853 011 DM (1. Januar 1984) und 3 810 413 DM (1. Januar 1985) gemindertes Betriebsvermögen zugrunde gelegt werde.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die angefochtenen Bescheide gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Die Klägerin hat die Änderungsbescheide, mit denen jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, daß die streitigen, jeweils vor dem Ende des Geschäftsjahres an das Stammhaus abgeführten Beträge bei der Einheitsbewertung des inländischen Betriebsvermögens der Klägerin nicht (mehr) zu erfassen waren.

1. Die Klägerin unterliegt als im Ausland ansässige Körperschaft (AG japanischen Rechts) der beschränkten Vermögensteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes - VStG -). Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich lediglich auf das Inlandsvermögen der in § 121 BewG bezeichneten Art (§ 2 Abs. 2 VStG). Hierunter fällt gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG das inländische Betriebsvermögen. "Als solches gilt das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist" (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BewG).

Unstreitig hat die Klägerin im Inland eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet und Betriebsstätten unterhalten. Für das diesen Betriebsstätten dienende Vermögen ist gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ein Einheitswert festzustellen.

Die sich nach den vorstehenden Grundsätzen ergebende beschränkte Vermögensteuerpflicht der Klägerin wird durch das deutsch-japanische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Japan) vom 22. April 1966 (BGBl II 1967, 872) in der Fassung des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des DBA-Japan vom 17. April 1979 (BGBl II 1980, 1183) und des Zweiten Protokolls zur Änderung und Ergänzung des DBA-Japan vom 17. Februar 1983 (BGBl II 1984, 194) nicht eingeschränkt. Art. 22 A Abs. 2 DBA-Japan hält in Anknüpfung an Art. 7 DBA-Japan das Besteuerungsrecht des Quellenstaates aufrecht für bewegliches Vermögen, das einer auf seinem Gebiet befindlichen Betriebsstätte dient.

Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß die Zuordnung des einer inländischen Betriebsstätte dienenden Betriebsvermögens nach dem DBA-Japan sowohl nach der "direkten Methode" (vgl. den im Rahmen der Vermögenszuordnung entsprechend anwendbaren Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan) als auch nach der "indirekten Methode" (vgl. Art. 7 Abs. 4 DBA-Japan) erfolgen könne (Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, DBA-Japan, Art. 22 A Anm. 2b i. V. m. Art. 7 Anm. 2). Im vorliegenden Streitfall haben die Beteiligten übereinstimmend die direkte Methode der Vermögensermittlung angewendet. Dem ist zu folgen. Schon in seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) der direkten Vermögenszuordnung gegenüber der (meist ungenaueren) indirekten Methode den Vorzug gegeben (vgl. z. B. Urteile vom 21. Januar 1972 III R 57/71, BFHE 104, 471, BStBl II 1972, 374, 375, re. Sp., m. w. N., und vom 25. Juni 1986 II R 213/83, BFHE 147, 264, BStBl II 1986, 785, 786, m. w. N.).

Nach der direkten Methode ist die Betriebsstätte als wirtschaftlich - nicht rechtlich - selbständige Einheit zu denken (vgl. z. B. Senatsurteil in BFHE 147, 264, BStBl II 1986, 785, 786, re. Sp.) und das Betriebsvermögen dieser Einheit auf der Basis ihrer Rechnungslegung zu ermitteln (statt vieler vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 1982, S. 241). Nach dem im Rahmen der Vermögensermittlung entsprechend anwendbaren Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan gilt für die Abgrenzung des Vermögens der inländischen Zweigniederlassungen gegenüber der Hauptniederlassung und anderen ausländischen Betriebsstätten das sog. "dealing at arm's length-Prinzip", welches besagt, daß der Betriebsstätte im Inland sämtliche Wirtschaftsgüter dienen, die ein selbständiges Unternehmen am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung eines gleichen oder ähnlichen Erfolges benötigt hätte (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 104, 471, BStBl II 1972, 374, zum DBA-Großbritannien).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall sind die jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahres an die japanische Zentrale tatsächlich abgeführten Geldbeträge, die in ihrer Summe jeweils dem gesamten, von den inländischen Zweigniederlassungen erzielten Überschuß des Geschäftsjahres entsprachen, bei der Einheitsbewertung des den inländischen Betriebsstätten dienenden Betriebsvermögens nicht mehr zu erfassen.

a) Ausgangspunkt für die Ermittlung des an den streitigen Feststellungszeitpunkten anzusetzenden Betriebsvermögens sind - nach der hier anzuwendenden "direkten Methode" - die von der Klägerin für ihre inländischen Zweigstellen erstellten Jahresabschlüsse zum 31. März 1983 und 31. März 1984 (§ 106 Abs. 1 und 3 BewG). In den Schlußbilanzen auf die genannten Abschlußzeitpunkte sind die streitigen Beträge nicht mehr erfaßt, weil diese schon vor den Abschlußstichtagen nach Japan transferiert worden waren. Der buchmäßige (Nicht-)Ausweis der streitigen Geldbeträge ist jedoch für die hier gebotene Vermögenszuordnung nicht ohne weiteres maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die in Rede stehenden Mittel trotz ihres Abflusses aus dem Inland weiterhin dem Betrieb der inländischen Betriebsstätte dienten (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BewG).

Wirtschaftsgüter dienen dem Gewerbe der inländischen Betriebsstätte, "wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung der Erreichung des Betriebszwecks dienen" (Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 121 BewG RdNr. 19). Das ist insbesondere bei solchen Vermögensgegenständen der Fall, die das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebsstätte "zwangsläufig und maßgeblich beeinflussen und ihre Erträge zu gewährleisten oder zu steigern imstande sind" (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 10. September 1936 III A 213/35, RStBl 1936, 1161). Nicht ohne weiteres entscheidend ist, ob sich die Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland befinden (vgl. schon RFH-Urteil vom 19. April 1934 III A 140/30, RStBl 1934, 738; Gürsching/Stenger, a. a. O., § 121 BewG RdNr. 21). Ist ein eindeutiger - wirtschaftlicher - Zusammenhang der betreffenden Vermögensgegenstände weder zu der inländischen Betriebsstätte noch zur ausländischen Zentrale oder einer anderen ausländischen Betriebsstätte gegeben, so wird es häufig vom Willen der Geschäftsleitung abhängen, welchem Betriebsteil die Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind. Dieser Wille kann sich insbesondere in der bilanziellen Behandlung der Wirtschaftsgüter offenbaren (RFH-Urteil vom 19. Dezember 1935 I A 236/35, RStBl 1936, 590; Niedersächsisches FG, Urteil vom 26. Juni 1970 I 115-122/67, EFG 1970, 593; Gürsching/Stenger, a. a. O., § 121 BewG RdNr. 21; Kumpf, a. a. O., S. 103, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dabei ist der buchmäßige Ausweis nur Indiz, nicht hingegen Voraussetzung für die Zuordnung. Auch kann eine der wirtschaftlichen Zugehörigkeit widersprechende bilanzielle Behandlung keine Zuordnung begründen (RFH in RStBl 1936, 590; Kumpf, a. a. O., S. 103).

b) Die hier streitigen Geldbeträge könnten dem Gewerbe der inländischen Betriebsstätten jedenfalls dann nicht mehr gedient haben, wenn sie von der japanischen Zentrale bereits vor dem jeweiligen Ablauf des Geschäftsjahres in voller Höhe als Zwischendividenden an die Anteilseigner der Klägerin ausgeschüttet worden wären.

aa) Der Senat schließt sich insoweit der zutreffenden - inzwischen auch vom FA geteilten - Rechtsauffassung des FG an: Mit Recht hat das FG darauf hingewiesen, daß im Einheitswert nur das vorhandene Betriebsvermögen erfaßt werden könne und die als Zwischendividenden ausgezahlten Beträge bereits vor Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres aus dem (Gesamt-)Betriebsvermögen der Klägerin ausgeschieden gewesen seien, ohne daß entsprechende Rückforderungsansprüche der Klägerin gegen die Anteilseigner bestanden hätten. Denn die als Rechtsgrundlagen für die erfolgten Vorabausschüttungen in Betracht kommenden Beschlüsse des Board of Directors der Klägerin waren nach der maßgeblichen japanischen Rechtslage wirksam.

bb) Zu Recht beanstandet die Revision indessen die Annahme der Vorinstanz, daß die gesamten, von den inländischen Zweigniederlassungen im Laufe der beiden Wirtschaftsjahre an die japanische Zentrale abgeführten Gewinne bereits vor Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres an die Aktionäre der Klägerin ausgeschüttet worden seien. Diese Schlußfolgerung des FG wird durch die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Zutreffend hat das FA in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß zumindest die Überweisungen vom 20. Januar 1983, 31. März 1983 und 30. März 1984 schwerlich zur Bestreitung der Vorabdividenden hätten dienen können.

c) Gleichwohl erweist sich die Entscheidung des FG im Ergebnis als zutreffend. Der Senat kann dabei offenlassen, ob und inwieweit die in Rede stehenden Überweisungen an die japanische Zentrale zur Finanzierung der ausgeschütteten Zwischendividenden dienten. Denn nicht erst die Ausschüttung dieser Zwischendividenden durch das Stammhaus, sondern bereits der Abfluß der den Jahresüberschüssen der inländischen Zweigniederlassungen entsprechenden Geldmittel von den deutschen Betriebsstätten nach Tokio führte zu einer Minderung des Betriebsvermögens der inländischen Betriebsstätten.

aa) Mit dem Abfluß der besagten Mittel nach Japan dienten diese - mangels im Streitfall vorliegender gegenteiliger Anhaltspunkte - nicht mehr den inländischen Betriebsstätten. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Zwar erfordert - wie schon unter 2.a) dargelegt - die wirtschaftliche Zuordnung von Vermögensgegenständen zu einer inländischen Betriebsstätte nicht notwendigerweise, daß sich diese Gegenstände im Inland befinden, wie auch umgekehrt allein aus der Tatsache, daß sich Wirtschaftsgüter im Inland befinden, nicht zwingend gefolgert werden kann, daß diese stets zur inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens gehörten (zu letzterem vgl. z. B. Kumpf, a. a. O., S. 107, m. w. N.). Ebensowenig kann allein aus dem Umstand, daß ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) in den Bilanzen der inländischen Betriebsstätte, sondern in den Bilanzen einer ausländischen Betriebsstätte des Unternehmens ausgewiesen wird, bindend abgeleitet werden, daß das entsprechende Wirtschaftsgut nicht mehr der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sei.

Jedoch ändert dies nichts an der (tatsächlichen) Vermutung, daß Geldmittel, die - wie hier - dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich der inländischen Zweigniederlassungen entzogen und durch Überweisung an das ausländische Stammhaus dessen unmittelbarem Zugriff unterworfen werden, nicht mehr den inländischen Betriebsstätten, sondern fortan der ausländischen Zentralbetriebsstätte dienen. Denn in der Transferierung der Mittel zum Stammhaus manifestiert sich jedenfalls für den Regelfall die grundsätzlich auch vom Steuerrecht zu respektierende freie unternehmenspolitische Entscheidung, den bisherigen wirtschaftlichen Zusammenhang der Mittel mit der inländischen Betriebsstätte zu lösen und die Mittel einem anderen Zweck als dem der Förderung des inländischen Filialbetriebs zuzuführen. Selbst wenn sich aber in einem solchen Fall ein derart klarer Funktionswandel in bezug auf die transferierten Geldmittel nicht feststellen läßt, so hat doch der Transfer in aller Regel zumindest zur Folge, daß der bisherige eindeutige wirtschaftliche Bezug der transferierten Mittel zur inländischen Betriebsstätte verlorengeht, so daß es nach den obigen Ausführungen zu 2.a) vor allem vom Willen der Geschäftsleitung abhängen wird, welchem Betriebsteil die betreffenden Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind.

Im Streitfall sind keinerlei Umstände ersichtlich, welche die aufgezeigte Vermutung, daß die streitigen Geldmittel nach deren Transfer nach Japan nicht mehr dem inländischen Zweigbetrieb der Klägerin dienten, zu entkräften vermögen. Derlei Gesichtspunkte lägen etwa vor, wenn die Verschiebung der Gelder - z. B. aus steuerlichen Gründen - von vornherein nur als vorübergehende geplant gewesen wäre und dementsprechend die Mittel eine kurze Zeit nach dem Bilanzstichtag wieder an die inländischen Betriebsstätten zurückgeflossen wären oder wenn die transferierten Mittel der Bestreitung von Betriebsausgaben durch die Zentrale nach den maßgeblichen Abschlußzeitpunkten gedient hätten, die allein die inländischen Betriebsstätten betroffen hätten.

bb) Entgegen der vom FA vertretenen Ansicht läßt sich der Abfluß der in Rede stehenden Geldbeträge an die Zentrale auch nicht dadurch neutralisieren, daß in gleicher Höhe Forderungen der inländischen Betriebsstätte an das Stammhaus als Besitzposten angesetzt werden.

Der Ansatz echter Forderungen der deutschen Zweigniederlassungen an die japanische Zentrale scheitert schon daran, daß die deutschen Betriebsstätten nur unselbständige Teile des Gesamtunternehmens sind und zwischen den verschiedenen unselbständigen Betriebsstätten schuldrechtliche Beziehungen nicht bestehen können (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 49/84, BFHE 154, 465, BStBl II 1989, 140).

Ebensowenig kommt die Berücksichtigung fiktiver Forderungen in Betracht. Steuerrechtliche Bestimmungen oder Grundsätze, die den Ansatz derartiger Forderungen geböten, sind nicht vorhanden. Das Steuerrecht macht dem Unternehmer keine Vorschriften darüber, mit welchem Eigenkapital er sein Unternehmen auszustatten hat. Dementsprechend steht es auch einem ausländischen Unternehmen steuerrechtlich grundsätzlich frei, mit welchem Dotationskapital es seine inländische Betriebsstätte versieht und ob es die von der inländischen Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinne dort reinvestiert oder ins Ausland transferiert. Deshalb kommt es entgegen der Ansicht des FA im Streitfall nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß die hier in Rede stehenden Überweisungen nach Japan erforderlich waren oder nicht. Der Ansatz fiktiver Forderungen läßt sich auch nicht mit den Erwägungen des FA rechtfertigen, daß anderenfalls das in der inländischen Betriebsstätte erwirtschaftete Vermögen der deutschen Besteuerung entzogen würde und daß eine solche Handhabung im Hinblick auf das Fehlen einer der Vermögensteuer ähnlichen Abgabe in Japan dem Zweck des DBA entspreche, der u. a. darin bestehe, ein gerechtes, globales Steuersystem zu schaffen und Möglichkeiten der Steuerumgehung durch das Ausnutzen der national unterschiedlichen Steuergesetze zu verhindern. Hierbei wird übersehen, daß DBA als internationale Kollisionsnormen zur Abgrenzung der sich überschneidenden Steuerhoheiten den Besteuerungsanspruch eines Staates niemals begründen oder ausdehnen, sondern nur einschränken können (Gonella, Der Betrieb - DB - 1986, 297; Vogel, DBA, Kommentar, 2. Aufl., Einleitung RdNr. 45; Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., Systematik I, RdNr. 39). Da die DBA im übrigen nicht nur die "aktuelle", sondern bereits die "virtuelle" Doppelbesteuerung verhindern wollen (Vogel, a. a. O., Einleitung RdNr. 46; Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., Systematik I, RdNr. 40), kommt es für das Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus auch nicht darauf an, ob in Japan eine der Vermögensteuer entsprechende Abgabe erhoben wird.

Auch außersteuerrechtliche Vorschriften rechtfertigen den vom FA befürworteten Ansatz fiktiver Forderungen nicht.

Zwar war die Klägerin nach den Bestimmungen des Gesetzes über ... gehalten, ihre deutschen Zweigniederlassungen mit einem bestimmten, dem Umfang deren Geschäftstätigkeit angemessenen Mindest-Dotationskapital auszustatten. Jedoch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Klägerin durch den Transfer der hier streitigen Geldbeträge gegen dieses Gesetz verstoßen hat. Es mag deshalb offenbleiben, ob eine Verletzung der Vorschriften dieses Gesetzes zum Ansatz einer fiktiven Forderung der inländischen Betriebsstätten gegen das Stammhaus mit steuerrechtlicher Wirkung führen könnte.

Schließlich läßt sich der Ansatz fiktiver Rückforderungen gegen das Stammhaus auch nicht mit § 59 des Aktiengesetzes (AktG) begründen. Denn bei den unselbständigen Zweigniederlassungen der Klägerin handelt es sich weder um eine AG deutschen Rechts, noch können die Filialen im Wege der Fiktion als solche behandelt werden. Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß die mit der Anwendung der direkten Methode und des dealing at arm's length-Prinzips verbundene Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte nicht dazu führen kann, diese Betriebsstätte dem inländischen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen, und daß Art. 22 A Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Betriebsstätte von dem im Ausland ansässigen Stammhaus nur deswegen fingiere, um die Höhe des der Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögens bestimmen zu können. Die darüber hinausgehende Fiktion einer selbständigen Kapitalgesellschaft oder gar - wie es für die Anwendung des § 59 AktG erforderlich wäre - einer Kapitalgesellschaft in Form der AG deutschen Rechts läßt sich aus den genannten Regelungen des DBA-Japan nicht herleiten (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Januar 1970 I 32/65, BFHE 98, 334, BStBl II 1970, 790).

3. Nach § 127 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann der BFH, wenn - wie hier - während des Revisionsverfahrens neue Verwaltungsakte Gegenstand des Verfahrens geworden sind, das angefochtene Urteil aufheben und die Sache an das FG zurückverweisen. Im Streitfall bedarf es indessen einer solchen Zurückverweisung nicht, weil die Sache spruchreif ist. Denn der vom FG festgestellte Sachverhalt reicht aus, um abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob die zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordenen Änderungsbescheide rechtmäßig sind. Die Entscheidung des BFH in der Sache selbst setzt aber voraus, daß er das FG-Urteil aufhebt. Denn dieses Urteil betraf Verwaltungsakte, die nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind (vgl. auch Senatsurteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955, m. w. N.).

Die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1. Januar 1985 sind wie folgt festzustellen:

1. Januar 1984 1. Januar 1985

DM DM

Betriebsvermögen

lt. Bescheiden

vom 31. August 1990 156 753 070 168 580 303

./. Gewinnabführungen 24 352 237 22 198 140

Betriebsvermögen 132 400 833 146 382 163

Einheitswerte 132 400 000 146 382 000

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