BFH

BFHII R 36/8929.1.1992

Amtlicher Leitsatz:

1. Beim Eigentumsübergang von Grundstücken infolge Verschmelzung von Genossenschaften ist Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht der Wert des Grundstückes, sondern die Gegenleistung (Aufgabe von BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816).

2. Zur Gesamtgegenleistung, die verhältnismäßig nach dem Wert der übergegangenen Grundstücke und dem Wert der Gegenstände, die nicht unter den Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG 1983 fallen, aufzuteilen ist, gehören bei der Verschmelzung von Genossenschaften die auf die übernehmende Genossenschaft übergegangenen Schulden und Lasten sowie die Geschäftsguthaben der Genossen der übertragenden Genossenschaft.

Normen

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG BY
§ 2 GrEStG BY
§ 10 GrEStG BY
§ 11 GrEStG BY
§ 93e GenG
§ 93g GenG
§ 93h GenG

 

Tatbestand:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kreditgenossenschaft, schloß am 27. Juli/9. August 1982 mit einer anderen (Kredit-)Genossenschaft (übertragende Genossenschaft) einen Verschmelzungsvertrag. Danach übertrug die übertragende Genossenschaft "ihr Vermögen einschließlich der Schulden gemäß § 93 e des Genossenschaftsgesetzes (GenG)" auf die Klägerin. Der Verschmelzung wurde die Bilanz der übertragenden Genossenschaft auf den 30. Juni 1982 zugrunde gelegt. Danach betrugen die von der Klägerin zu übernehmenden Schuldposten 9 702 509 DM, die Geschäftsguthaben der Genossen der übertragenden Genossenschaft 76 923 DM. Die Verschmelzung ist am 4. Oktober 1982 in das Genossenschaftsregister eingetragen worden. Zu dem Vermögen der übertragenden Genossenschaft gehörten Grundstücke. Der Teilwert dieser Grundstücke betrug 689 000 DM, der der sonstigen Gegenstände 9 582 024 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer nach der anteilig auf die übergegangenen Grundstücke entfallenden Gegenleistung fest. Dabei ging es von einer Gesamtgegenleistung von 9 779 432 DM aus. Die festgesetzte Grunderwerbsteuer betrug 39 372 DM.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 1970 II 105/64 (BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816) Klage erhoben und beantragt, die Grunderwerbsteuer aus 140 v. H. der maßgebenden Einheitswerte der übergegangenen Grundstücke (das sind 284 200 DM) zu errechnen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage unter Anwendung der zur Verschmelzung von AG ergangenen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 1979 II R 59/73, BFHE 128, 412, BStBl II 1979, 683) abgewiesen.

Mit der vom Senat - auf die Beschwerde der Klägerin hin - zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und beantragt, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Bemessungsgrundlage in Höhe von 140 v. H. des Einheitswertes der Grundstücke anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

FA und FG sind zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der als Rechtsfolge der Verschmelzung der Genossenschaften eingetretene Übergang des Eigentums an Grundstücken der übertragenden auf die übernehmende Genossenschaft (vgl. § 93 e GenG) gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des früheren Bayerischen Grunderwerbsteuergesetzes (entspricht § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - 1983) der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist beim Eigentumsübergang von Grundstücken infolge Verschmelzung von Genossenschaften Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht der Wert des Grundstücks (§ 10 Abs. 2 GrEstG BY = § 8 Abs. 2 GrEStG 1983), sondern die Gegenleistung (§ 10 Abs. 1, § 11 GrEStG BY = § 8 Abs. 1, § 9 GrEStG 1983).

Der Senat hat bereits durch Urteil in BFHE 128, 412, BStBl II 1979, 683, m. w. N., für die Verschmelzung von AG entschieden, daß die Gegenleistung dem Verschmelzungsvertrag als dem ersetzenden Rechtsakt, der auslösendes Moment für den Vermögensübergang ist, entnommen werden kann, und demzufolge kein Fall nicht vorhandener oder nicht zu ermittelnder Gegenleistung vorliegt. Dies gilt auch bei der Verschmelzung von Genossenschaften, denn auch in diesem Fall handelt es sich um die Übertragung des Vermögens nebst Verbindlichkeiten unter Verwendung des vom Gesetzgeber bereitgestellten Rechtsinstitutes der Verschmelzung, die eine Form der Gesamtrechtsnachfolge darstellt und einen erleichterten Übergang des Aktivvermögens und des Passivvermögens auf die übernehmende Genossenschaft ermöglicht. Soweit demnach bewußt die Rechtsfolgen des § 93 e GenG herbeigeführt werden, kann nichts anderes gelten als bei der Übertragung belasteten Grundstückseigentums bzw. bei einer Veräußerung des gesamten Vermögens einschließlich der Grundstücke einer Person u. a. gegen Übernahme der bestehenden Verbindlichkeiten. Denn mit der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister geht das Vermögen der übertragenden Genossenschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Genossenschaft über und findet bezüglich der Grundstücke der übertragenden Genossenschaft ein Rechtsträgerwechsel statt. Bei der Übertragung des gesamten Vermögens einer Person sind die übernommenen Verbindlichkeiten zuzüglich der sonstigen Aufwendungen Teil der Gesamtgegenleistung, die entsprechend dem Wert der Grundstücke und dem Wert der sonstigen Vermögensgegenstände aufzuteilen ist.

Soweit der Senat in seiner früheren Entscheidung in BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816 zur Verschmelzung von Genossenschaften eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, wird diese hiermit ausdrücklich aufgegeben.

Die Klägerin wird auch hinsichtlich der Höhe der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Gegenleistung in ihren Rechten nicht verletzt. Grundsätzlich bemißt sich die Grunderwerbsteuer nur nach dem Wert der für das Grundstück (§ 2 GrEStG) hingegebenen Gegenleistung. Deshalb ist bei Verschmelzungsvorgängen, in denen neben Grundstücken auch andere Gegenstände, die nicht unter den Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG fallen, in das Vermögen der übernehmenden Gesellschaft/Genossenschaft übergehen, eine Aufteilung des Gesamtentgeltes im Verhältnis des Wertes der Grundstücke und der übrigen Vermögensgegenstände, deren Übertragung nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt, erforderlich. Diese Aufteilung ist nach der sog. Boruttau'schen Formel vorzunehmen, wonach das Gesamtentgelt mit dem gemeinen Wert der Grundstücke zu vervielfachen und durch die Summe des gemeinen Wertes der sonstigen Gegenstände und des gemeinen Wertes des Grundstücks zu teilen ist (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., 1986, § 9 RdNr. 111; BFH-Urteile vom 20. Februar 1968 II 150/64, BFHE 91, 494, 496, und vom 8. Februar 1978 II R 48/73, BFHE 124, 387, BStBl II 1978, 320, 321).

Auszugehen ist demnach auch im Streitfall von dem Gesamtaufwand der Klägerin, den diese für den Übergang des Vermögens der übertragenden Genossenschaft aufzubringen hatte. Zu diesem Gesamtaufwand gehören die auf die Klägerin gemäß § 93 e Abs. 1 Satz 1 GenG übergegangenen Schulden und Lasten der übertragenden Genossenschaft (vgl. BFH-Urteile in BFHE 124, 387, BStBl II 1978, 320, und vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671). Zur Gesamtgegenleistung sind ferner die Geschäftsguthaben der Genossen der übertragenden Genossenschaft zu rechnen, soweit diese für die neu entstehenden Geschäftsanteile bei der übernehmenden Genossenschaft angerechnet (vgl. § 93 h Abs. 2 GenG) oder wegen Überschreitens des Gesamtbetrages der Geschäftsanteile von der übernehmenden Genossenschaft an die Genossen der übertragenden Genossenschaft auszuzahlen sind (vgl. § 93 h Abs. 3 GenG). Es ist deshalb im Streitfall nicht zu beanstanden, daß das FA die sich aus der Schlußbilanz der übertragenden Genossenschaft ergebenden Verbindlichkeiten und die Geschäftsguthaben der Genossen als Gesamtgegenleistung angesehen hat. Insoweit waren auch die Buchwerte zugrunde zu legen, da diese sowohl für die Übernahme der Verbindlichkeiten (vgl. § 93 g GenG) als auch für die Anrechnung bzw. Auszahlung der Geschäftsguthaben der Genossen der übertragenden Genossenschaft (vgl. § 93 h Abs. 4 GenG) maßgeblich sind.

Bei der verhältnismäßigen Aufteilung der Gesamtgegenleistung ist entgegen der Auffassung der Klägerin allerdings nicht von den Buchwerten, sondern von den gemeinen Werten bzw. bei Wirtschaftsgütern, die einem Unternehmen dienen, von den Teilwerten der übertragenen Vermögensgegenstände auszugehen. Denn nur der gemeine Wert bzw. der Teilwert stellen vergleichbare und deswegen für die verhältnismäßige Aufteilung verwendbare Wertgrößen dar.

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