BFH

BFHI R 64/8514.3.1990

Amtlicher Leitsatz:

1. Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen, wie sie zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde.

2. Der Forderungserlaß durch mehrere Gläubiger ist ein Anzeichen für Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsabsicht.

3. Sanierungseignung besteht auch dann, wenn der Forderungserlaß einem Einzelunternehmer ermöglicht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein.

Normen

§ 3 Nr. 66 EStG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb bis zum 30. September 1978 einen Großhandel mit ... Die Ehefrau des Klägers war in seinem Betrieb bis einschließlich 1974 als Arbeitnehmerin tätig. Bereits 1974 begann sie einen eigenen Einzelhandel. Die Eheleute bezogen darüber hinaus keine weiteren Einkünfte.

Dem Kläger, der bis zum 31. Dezember 1973 noch 915 637 DM Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen hatte, gelang es, bis zum 31. Dezember 1975 diese Verbindlichkeiten auf 271 122 DM zurückzuführen. Er geriet jedoch danach in Zahlungsschwierigkeiten. Die Gläubiger befürchteten bereits im September 1974 einen Konkurs. Im selben Jahr wurde ein Stillhalteabkommen geschlossen. Dieses Abkommen sah vor, daß der Kläger die Erlöse aus dem Verkauf der noch vorhandenen Ladenbestände ausschließlich zur Abgeltung der in das Stillhalteabkommen einbezogenen Verbindlichkeiten verwenden sollte. Die verbliebenen Beträge sollten dann dem Kläger erlassen werden. Forderungen bis zu 2 000 DM waren vollständig zu begleichen. An dem Moratorium beteiligten sich alle diejenigen Gläubiger, die eine kleine Kommission von vier Gläubigern berufen hatten.

Im Jahre 1975 waren etwa 70 bis 80 v. H. der Gläubigerforderungen beglichen. Der Kläger hat darauf erklärt, daß weitere Erlöse nicht mehr zu erwarten seien, da mangels finanzieller Mittel neue Ware nicht mehr eingekauft werden könne und er somit nicht in der Lage sei, weitere Zahlungen zu leisten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) haben die Gläubiger im Jahre 1976 auf die Forderungen verzichtet.

Der Kläger errechnete aus den ausgesprochenen Forderungsverzichten einen Sanierungsgewinn von 66 850 DM, für den er die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend machte.

Zum 30. September 1978 übertrug der Kläger seinen Betrieb auf seine Ehefrau gegen Übernahme der verbliebenen Schulden von 75 315,66 DM bei einem negativen Kapitalkonto von 8 027,63 DM.

Zu den auf den 31. Dezember 1976 folgenden Bilanzstichtagen wies der Kläger u. a. folgende Positionen aus:

31. Dezember 1977 30. September 1978

DM DM

Warenbestand 108 986,00 60 249,00

Kassenbestand/

Postscheckkonto 2 040,74 0,00

Forderungen aus

Warenlieferungen 37 856,00 10 128,08

Verbindlichkeiten aus

Warenlieferungen 61 849,20 288,60

Verbindlichkeiten

insgesamt 139 558,56 80 250,71

Kapitalkonto 19 003,37 ./. 8 027,63

Im Jahre 1977 erlitt der Kläger einen Verlust von 54 161,30 DM und im Jahre 1978 einen Verlust von 23 935,46 DM. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß der erklärte Sanierungsgewinn nicht steuerfrei sei. Er legte diese Auffassung einem Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1976 sowie einem Gewerbesteuermeßbescheid zugrunde.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage sah das FG als begründet an (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 330).

Die Forderungsnachlässe seien "zum Zwecke der Sanierung" ausgesprochen worden.

Dem FA sei nicht darin zu folgen, daß das Unternehmen nicht sanierungsbedürftig gewesen sei. Eine Überschuldung habe allerdings im maßgebenden Zeitpunkt nicht vorgelegen. Nach dem Schulderlaß von 66 850 DM habe der Kläger zum 31. Dezember 1976 noch ein Kapital von 76 134,76 DM ausgewiesen. Somit hätte auch ohne diesen Erlaß das positive Kapital noch 9 284,76 DM betragen. Der Kläger habe deshalb seine Sanierungsbedürftigkeit nicht mit Überschuldung, sondern mit Liquiditätsschwierigkeiten begründet. Er habe, da er außer seinem Betriebsvermögen kein weiteres Vermögen besessen habe, trotz eines verhältnismäßig großen Geschäftsumfangs seit langem mit geringen liquiden Mitteln auskommen müssen. Den großen Warenbestand und die hohen Außenstände habe der Kläger ohne Fremdmittel finanzieren können, solange Geld aus steigenden Erlösen zur Verfügung gestanden habe. Das sei zunächst der Fall gewesen; denn die Umsätze seien von 1970 von 856 165 DM bis 1973 kontinuierlich auf 1 676 019 DM gestiegen. Dann sei jedoch plötzlich ein Umsatzeinbruch erfolgt. Die Einnahmen seien 1974 auf 1 067 765 DM zurückgegangen und hätten sich in gleicher Stärke noch einmal auf 488 853 DM im Jahre 1975 vermindert. Davon habe sich der Kläger nicht mehr erholt. Zum 31. Dezember 1976 seien Verbindlichkeiten (vor Erlaß) von 179 862,74 DM einem Warenbestand und Außenständen von zusammen 245 265,55 DM gegenübergestanden, während in der Kasse und auf dem Postscheckkonto zusammen nur 1 025,98 DM vorhanden gewesen seien. Mit Rücksicht darauf, daß der Finanzbedarf nicht nur durch Umsatzsteigerungen zu decken gewesen sei und das Bargeld sowie andere Mittel in nennenswertem Umfang fehlten, konnte eine Befriedigung der Gläubiger nur noch in dem Umfang stattfinden, in dem der Warenbestand verkauft worden sei und die Kunden bezahlt hätten. Unter diesen Umständen sei das Unternehmen des Klägers wegen fehlender Liquidität nicht mehr lebensfähig gewesen.

Die für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 66 EStG erforderliche Sanierungsabsicht könne bei einem gemeinschaftlichen Erlaß durch mehrere Gläubiger in der Regel unterstellt werden.

Zu Recht habe das FA festgestellt, daß der Forderungserlaß objektiv nicht geeignet gewesen sei, das konkrete Unternehmen des Klägers, nämlich den vorhandenen ... großhandel, zu sanieren.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Februar 1972 VIII R 30/66 (BFHE 105, 260, BStBl II 1972, 531) solle ein steuerfreier Sanierungsgewinn dann nicht vorliegen, wenn der Schulderlaß das sanierungsbedürftige Unternehmen zwar vor dem Zusammenbruch bewahre, hierdurch jedoch nicht die Ertragsfähigkeit wiederhergestellt werde. Diese Rechtsprechung setze sich jedoch nicht mit dem Fall auseinander, daß ein Einzelunternehmer die Sanierung lediglich zum Zwecke der Liquidierung betreibe, um anschließend schuldenfrei eine neue Existenz aufbauen zu können. Zu Unrecht leite das FA daraus eine Einschränkung des im Gesetz nicht definierten Sanierungsbegriffes ab. Dem Gesetzeswortlaut sei diese Einschränkung nicht zu entnehmen. Dort sei nur von einem Schulderlaß zum "Zwecke der Sanierung" die Rede. Ertragsteuerlich sei aber Steuersubjekt im Falle eines Einzelunternehmens der Unternehmer als natürliche Person und nicht sein Unternehmen als Vermögenszusammenfassung.

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Auslegung des § 3 Nr. 66 EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es einen Teil der Einkünfte in Höhe von 66 850 DM als steuerfreien Sanierungsgewinn anerkannt hat und die auf diesen Teil der Einkünfte entfallende Gewerbesteuer gemindert hat.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Das FG hat zu Recht die Steuerfreiheit des Gewinns bejaht, der im Streitjahr dadurch entstand, daß die Gläubiger auf ihre Forderungen verzichteten. Eine Betriebsvermögensmehrung durch Schulderlaß ist nach der Rechtsprechung als Sanierungsmaßnahme gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und der Schulderlaß sanierungsgeeignet ist (BFH-Urteil vom 7. Februar 1985 IV R 177/83, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504). Fehlt es an einer der Voraussetzungen, ist der Schulderlaß kein solcher "zum Zwecke der Sanierung" und die Betriebsvermögensmehrung nicht steuerfrei.

Die Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG kann herangezogen werden. § 3 Nr. 66 EStG gilt zwar im Streitjahr noch nicht. § 3 Nr. 66 EStG ist durch das Körperschaftsteuerreformgesetz (KStRG) vom 31. August 1976 (BGBl I 1976, 2597, BStBl I 1976, 445) in das EStG eingefügt worden. Die Vorschrift hat gegenüber dem früheren Recht keine sachlichen Unterschiede gebracht (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes, BTDrucks 7/1470, S. 243 zu § 6 Abs. 10 E EStG).

Das FG hat die Sanierungsbedürftigkeit des vom Kläger betriebenen Unternehmens zu Recht bejaht. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Die Ausführungen des FG lassen insoweit keinen Rechtsfehler erkennen. Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen, wie sie zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde. Nicht entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem die Vermögensmehrung eintritt (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. Juni 1939 VI 179/39, RStBl 1939, 970; BFH-Urteile vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472, und vom 20. Februar 1986 IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493). Das FG hat zwar in seiner Entscheidung auch den Zeitraum einbezogen, in dem der Forderungserlaß wirksam wurde, nämlich das Jahr 1976. Nach den Feststellungen und Schlußfolgerungen des FG lag jedoch auch im Jahre 1974, in dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde, Sanierungsbedürftigkeit vor. Das FG hat die Sanierungsbedürftigkeit vor allem mit dem Umsatzeinbruch in den Jahren 1974 und 1975 begründet. Dadurch habe der Kläger den Warenbestand nicht mehr finanzieren können.

Das FG hat zu Recht nicht entscheidend sein lassen, daß der Kläger zum 31. Dezember 1976 über ein Kapital von 76 134,76 DM verfügte, das ohne den Schulderlaß 9 284,76 DM betragen hätte. Für die Frage der Sanierungsbedürftigkeit sind insbesondere die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, d. h. das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldlast, die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und die Höhe des Privatvermögens maßgebend (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122). Das FG konnte danach zu Recht entscheidend sein lassen, daß das Unternehmen wegen des Verhältnisses der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldlast sanierungsbedürftig war. Hinzu kommt, daß eine Vermutung für die Sanierungsbedürftigkeit besteht, wenn sich mehrere Gläubiger an einer Sanierung beteiligen (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1963 I 375/60 U, BFHE 78, 327, BStBl III 1964, 128). Ein Anzeichen für fehlende Sanierungsbedürftigkeit besteht, wenn der Forderungserlaß von einem einzelnen Gläubiger ausgesprochen wird, der erkennbar an der Fortführung der Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert ist (BFH-Urteil vom 27. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472).

Das FG hat das Vorliegen der Sanierungsabsicht zu Recht mit dem Hinweis bejaht, daß bei einem gemeinschaftlichen Erlaß mehrerer Gläubiger in der Regel die Sanierungsabsicht unterstellt werden kann (RFH-Urteil vom 2. März 1937 I A 305/36, RStBl 1937, 626).

Der Forderungserlaß war objektiv geeignet, die Sanierung des Klägers herbeizuführen.

Umstritten ist, ob die Sanierung eines Unternehmens entscheidend ist oder ob es genügt, daß die das Unternehmen betreibende Person saniert wird.

Das RFH-Urteil vom 16. Dezember 1936 VI A 725/36 (RStBl 1937, 436) erkannte einen steuerfreien Sanierungsgewinn auch an, wenn der Betrieb des Schuldners als solcher mehr oder weniger erledigt oder ganz erledigt war, die Gläubiger aber dem Schuldner persönlich nicht jedes wirtschaftliche Dasein durch Fortbestand unerfüllbarer Schulden unmöglich machen wollten. Als Beispiel erwähnt das Urteil dabei, daß sich der Schuldner ins Privatleben zurückzieht, einen neuen Betrieb aufmacht oder sich in ein unselbständiges Angestelltenverhältnis begibt. Das RFH-Urteil vom 12. Oktober 1938 VI 621/38 (RStBl 1939, 86) läßt es genügen, daß durch die Einigung dem Schuldner ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgendeiner anderen Tätigkeit ermöglicht wird, ohne daß er Gefahr zu laufen hätte, durch die alten Schulden weiterhin erdrückt zu werden. Im selben Sinne äußern sich die RFH-Urteile vom 4. Mai 1938 VI 192/38 (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1938, 300) und vom 14. November 1938 VI 495/38 (RStBl 1939, 117).

Der BFH hat bislang zu der Frage nicht eindeutig Stellung genommen. Das Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 30/66 (BFHE 105, 260, BStBl II 1972, 531) verneint die Sanierungseignung, weil die Sanierung nicht geeignet war, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (im selben Sinne BFH-Urteil vom 12. März 1970 IV R 39/69, BFHE 99, 27, BStBl II 1970, 518). Das BFH-Urteil in BFHE 105, 260, BStBl II 1972, 531 hatte keinen Anlaß, zu der Streitfrage Stellung zu nehmen, weil der Erlaß der Verbindlichkeiten im entschiedenen Falle angesichts der Höhe der Schulden von vornherein nicht geeignet war, dem Steuerpflichtigen den Rückzug ins Privatvermögen zu ermöglichen, ohne von den Verbindlichkeiten erdrückt zu werden.

Das Urteil vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84 (BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501) verneint zwar die Steuerfreiheit des durch einen Forderungsverzicht entstehenden Gewinns, weil die Klägerin in dem entschiedenen Falle nicht spätestens im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulderlaß eine eigene werbende Tätigkeit aufgenommen hatte. Die Klägerin war jedoch eine GmbH & Co. KG, bei der keine natürliche Person für die Verbindlichkeiten unbeschränkt haftete; die von den RFH-Urteilen herangezogenen Gesichtspunkte spielten daher keine Rolle. Entsprechendes gilt für das Urteil vom 7. Februar 1985 IV R 177/83 (BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504), das ebenfalls für eine GmbH & Co. KG die Möglichkeit einer "unternehmerbezogenen" Sanierung verneint (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 31/85, BFH/NV 1987, 635). Das BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 282/84 (BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672), das den Fall einer übertragenden Sanierung einer OHG betraf, ließ offen, ob es der Rechtsprechung des RFH folgen könne. Es bejahte die Steuerfreiheit des entstandenen Gewinns, weil die Gläubiger der OHG die Forderungen im Interesse einer Fortführung des Unternehmens durch eine neugegründete GmbH erlassen hatten, auf die das Unternehmen der OHG übertragen wurde.

Die Rechtsprechung der FG ist teilweise der Rechtsprechung des RFH gefolgt (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 2. Juni 1981 VIII 444/80, EFG 1982, 64, das allerdings die Frage bei der Voraussetzung der Sanierungsabsicht behandelt; a. A. Niedersächsisches FG, Urteil vom 19. Juni 1984 VII 49/79, EFG 1985, 61, rechtskräftig).

Das Schrifttum schließt sich teilweise der Ansicht des RFH an (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 EStG Anm. 459; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. 241, und Werner, Finanz-Rundschau - FR - 1987, 539; a. A. von Beckerath in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 B 66/99; Fichtelmann, FR 1984, 325, 330 li. Sp.; Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. 331; Geist, Insolvenzen und Steuern, 3. Aufl., S. 205 in Anm. 739; Heinicke, FR 1987, 269; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 3 Stichwort: "Sanierungsgewinn", und Ströfer, StuW 1982, 231/236, Fn. 56).

Nach Ansicht des Senats genügt es für das Merkmal der Sanierungseignung, wenn es der Forderungserlaß dem Einzelunternehmer ermöglicht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein.

Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 66 EStG bezieht sich die Sanierung nicht auf ein Unternehmen. Dem steht nicht entgegen, daß der Gewinn, der durch den Erlaß von Schulden entstehen kann, nur in einem Betrieb anfallen kann. Dies schließt nämlich nicht aus, daß der Schulderlaß nicht die Sanierung des Unternehmens, sondern des Unternehmers bezweckt.

Die Auslegung entspricht dem Sinn der Vorschrift. Durch sie soll der Erlaß von Forderungen begünstigt werden, die nicht mehr vollwertig sind, deren Fortbestand jedoch den Schuldner in seiner Existenz bedroht. Bestünde die Steuerfreiheit nicht, könnte es durch den Erlaß zum Anfall von Einkommensteuer kommen. Dies würde einerseits den Gläubiger oft daran hindern, den Erlaß auszusprechen, zum anderen würde es den Zweck des Erlasses teilweise beeinträchtigen. Nach dem so verstandenen Sinn des § 3 Nr. 66 EStG ist die Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn der Erlaß dazu dient, einem Einzelunternehmer eine steuerfreie Liquidation seines Betriebes zu ermöglichen.

Die Auslegung entspricht der Rechtsprechung zur steuerfreien Sanierung, die - soweit natürliche Personen betroffen sind - auf den Unternehmer abstellt. So schließt Privatvermögen die Sanierungsbedürftigkeit u. U. aus (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122). Unterhält ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebe, wird auf die Sanierungsbedürftigkeit aller Betriebe abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122).

Die vom Senat vertretene Auffassung entspricht dem System des EStG. Subjekt der Einkommensteuer ist nicht der Betrieb, sondern die natürliche Person. Auf den Betrieb kommt es nur insoweit an, als das Betriebsvermögen Grundlage für die Ermittlung der Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG bildet.

Die unternehmerbezogene Auslegung des § 3 Nr. 66 EStG ist verfassungskonform, Aus Art. 3 des Grundgesetzes folgt das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357). Mit der Regelung in § 3 Nr. 66 EStG wird erreicht, daß ein nicht mehr leistungsfähiger Schuldner nicht aufgrund von Maßnahmen zur Einkommensteuer herangezogen werden wird, die dazu dienen, seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Dieser Gesichtspunkt trifft auch auf den Fall zu, daß die Leistungsfähigkeit nicht gerade im Hinblick auf den Betrieb hergestellt wird, in dem die Schulden begründet sind, die erlassen werden.

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