Normen
§ 20 GrEStG Berlin
§ 21 GrEStG Berlin
Tatbestand:
Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin einer GmbH. Diese wurde auf die Klägerin umgewandelt. In das Handelsregister wurde die Umwandlung am 30. Juli 1974 eingetragen.
Das beklagte Finanzamt (FA) sah in dem Übergang der Grundstücke der umgewandelten GmbH auf die Klägerin infolge der Umwandlung Erwerbe i. S. des früheren Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG Berlin), für die Besteuerungsmaßstab der Wert der Gegenleistung sei. Durch endgültigen Bescheid vom 23. Oktober 1980 setzte es bei einem angenommenen Wert der Gegenleistung von 3 023 621 DM eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 211 653,40 DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und in erster Linie beantragt, die Grunderwerbsteuer auf ... DM herabzusetzen. Ihre Klage hat sie damit begründet, daß die Grunderwerbsteuer mangels Vorliegens einer Gegenleistung nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen sei. Dieser sei mit 140 v. H. des Einheitswertes anzusetzen.
Schließlich hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 1970 II 105/64 (BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816) vertrauen dürfen.
Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 512).
Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat es sich darauf berufen, daß das FG von dem Urteil des BFH vom 25. Juli 1979 II R 55/76 (BFHE 128, 476, BStBl II 1979, 692) abweiche.
Entscheidungsgründe
Die Grunderwerbsteuer ist mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Berlin entstanden. Denn damit sind die Grundstücke, die bisher im Eigentum der umgewandelten Gesellschaft standen, auf die Klägerin übergegangen (§ 5 des Umwandlungsgesetzes - UmwG -). Die Grunderwerbsteuer ist nach § 20 Abs. 1 GrEStG Berlin vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (BFHE 128, 476, BStBl II 1979, 692).
Das GrEStG bestimmt nicht, was unter der Gegenleistung begrifflich zu verstehen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß diese Begriffsbestimmung zwar von dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung ausgeht, sich aber darin nicht erschöpft. Das Grunderwerbsteuerrecht kennt vielmehr einen eigenständigen grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriff, der durch verwandte Begriffe in anderen Rechtsgebieten, auch in anderen Steuerrechtsgebieten (z. B. Anschaffungskosten), nicht vorgeprägt wird. Zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gehört jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (ständige Rechtsprechung; so z. B. BFH-Entscheidung vom 5. November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Bei der Ausfüllung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffs der Gegenleistung müssen die Definitionen und Zurechnungen des § 21 GrEStG Berlin sinngemäß auch für diejenigen Fälle gelten, die in der Aufzählung dieser Vorschrift nicht ausdrücklich enthalten sind. Daraus folgt, daß der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb kausal verknüpft sein müssen; es ist zwar die Regel, aber nicht ein Erfordernis, daß die Gegenleistung zwischen Grundstücksveräußerer und Grundstückserwerber ausgetauscht wird (vgl. § 21 Abs. 3 GrEStG Berlin). Der Gegenleistungsbegriff ist vielmehr sachbezogen auf das Grundstück zu werten. Eine Gegenleistung in diesem Sinn kann deshalb auch bei Grundstücksübertragungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gegeben sein (BFHE 128, 476, BStBl II 1979, 692).
Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung seines Rechtsstandpunktes daran fest, daß auch bei der übertragenden Umwandlung, durch die das Vermögen der umzuwandelnden Gesellschaft kraft Gesetzes auf einen anderen Rechtsträger übergeht, eine Gegenleistung in diesem Sinn gegeben ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Gegenleistung in diesem Fall einem die Einzelübertragung ersetzenden Rechtsakt zu entnehmen ist, wenn nicht das den Eigentumsübergang auslösende Rechtsgeschäft, im Streitfall der Umwandlungsbeschluß, sondern der Eigentumsübergang selbst zur Steuerpflicht führt.
Das UmwG geht davon aus, daß bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter durch den Vermögensübergang ein Leistungsaustausch bewirkt wird. Dies ergibt sich aus § 3 Halbsatz 2 UmwG; danach bedarf es für die Vermögensübertragung nicht eines besonderen Veräußerungsvertrages. Der Umwandlungsbeschluß ersetzt somit den Veräußerungsvertrag. Die diesem ersetzenden Rechtsakt zu entnehmenden Leistungen für den Vermögensübergang sind die Übernahme der Schulden der umzuwandelnden Gesellschaft und der Verzicht auf die Gesellschaftsrechte an dieser Gesellschaft, die in vermögensmäßiger Beziehung als Wertrechte anzusehen sind (vgl. Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 14 Tz. 5). Dieser Übergang tritt zwar kraft Gesetzes ein, er wird jedoch durch einen Willensakt ausgelöst, nämlich durch den Umwandlungsbeschluß.
Die Klägerin bestreitet nicht, daß der Untergang der Gesellschaftsrechte eine Leistung des übernehmenden Rechtsträgers ist; sie meint jedoch, diese Leistung sei keine Gegenleistung. Dem ist entgegenzuhalten, daß auch der durch einseitiges Rechtsgeschäft erklärte Verzicht des Erwerbers auf ein Recht, das den Veräußerer belastet, eine Gegenleistung ist, wenn der Veräußerer diesen Verzicht fordern kann. Bei der Umwandlung erhält die übertragende Gesellschaft aufgrund des ersetzenden Rechtsakts die Rechtsmacht, den Vermögensübergang und damit ihren Untergang und den Untergang der Gesellschaftsrechte herbeizuführen. Der Untergang der übertragenden Gesellschaft ist, anders als der Vermögensübergang aufgrund Erbfalles, eine Folge der Vermögenslosigkeit der übertragenden Gesellschaft. Wollte man an diesem Untergang der übertragenden Gesellschaft die Gegenleistung scheitern lassen, so müßte auch bei Übernahme des Vermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einzelübertragungen und die dadurch ausgelöste Löschung der übertragenen Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (vgl. Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934, RGBl I 1934, 914) eine Gegenleistung verneint werden. Diese Folgerung wird jedoch nirgends gezogen.
Soweit die Klägerin meint, sie habe bei der Durchführung der Umwandlung darauf vertrauen dürfen, daß die Grundstücksübergänge im Zuge der Umwandlung auf der Grundlage der durch das Senatsurteil in BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816 eingeleiteten Rechtsprechung versteuert werden würden, kann sie hiermit nicht gehört werden. Die Verwaltung hat bereits 1971 zu erkennen gegeben, daß dieses Urteil zunächst nur auf die Fälle der Verschmelzung von Genossenschaften angewendet werden sollte. Hinsichtlich der Umwandlungsfälle wurde auf ein beim BFH anhängiges Verfahren verwiesen (vgl. Betriebs-Berater 1971, 210). Darüber hinaus war im Zeitpunkt der Umwandlung bekannt, daß dem erkennenden Senat ein weiterer Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft zur Entscheidung vorlag (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1973, 462). Die Klägerin konnte unter diesen Umständen nicht sicher sein, daß die Grundsätze des vorgenannten Urteils in BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816 auf die Umwandlungen von Kapitalgesellschaften übertragen werden würden oder überhaupt weiteren Bestand hätten.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht bisher keine Ermittlungen über die Höhe des Wertes der Gegenleistung angestellt. Die Sache geht deshalb an das FG zurück.