BFH

BFHIX R 119/8326.1.1988

Amtlicher Leitsatz:

Die nach dem WEG an den Verwalter gezahlten Beiträge zur Instandhaltungsrücklage sind nicht bereits mit der Abführung an diesen, sondern erst bei Verausgabung der Beträge für Erhaltungsmaßnahmen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

Normen

§ 9 EStG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Eigentümer einer von ihm vermieteten Eigentumswohnung. Er war verpflichtet, im Rahmen seiner Wohngeldzahlung an den Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums einen nach seinem Anteil bemessenen Beitrag für die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage zu entrichten (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -, § 8 Abs. 2 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft). Der Kläger zahlte hierfür im Streitjahr 1 347 DM. Diesen Betrag machte er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vergeblich als Werbungskosten geltend. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 64 veröffentlichten Entscheidung stattgegeben.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit der bloßen Zahlung der Rücklage seien beim Kläger im wirtschaftlichen Sinn weder Mittel abgeflossen, noch habe er sich der wirtschaftlichen Verfügungsmacht begeben. Allein der Übergang der Instandhaltungsrücklage in die gemeinschaftliche Verwaltung gehe noch nicht mit dem Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht einher.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er trägt im wesentlichen vor, die Instandhaltungsrücklage gehöre zu den Werbungskosten gemäß § 9 EStG. Er sei zu ihrer Leistung verpflichtet. Sie sei bei ihm auch abgeflossen; denn im Falle des Verkaufs könne die eingezahlte Instandhaltungsrücklage nicht zurückfließen. Sollte bei Verkauf einer Wohnung eine Abrechnung der Instandhaltungsrücklage zwischen Verkäufer und Käufer stattfinden, so sei die vergütete Instandhaltungsrücklage entweder als negative Werbungskosten oder Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen. Im Normalfall weigere sich jedoch der Erwerber unter Hinweis auf anstehende Reparaturmaßnahmen, die Instandhaltungsrücklage zu vergüten. Folge man dem FA, so führe das dazu, daß der Erwerber die aus der Instandhaltungsrücklage erbrachten Reparaturaufwendungen als Werbungskosten abziehen könne, obwohl er keine eigenen Aufwendungen dafür erbracht habe.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF), der dem Verfahren beigetreten ist, ist der Meinung, daß die Zuführungen der Beiträge zur Instandhaltungsrücklage noch keine Aufwendungen darstellten. Die Zahlungen bewirkten lediglich eine Vermögensumschichtung. Wirtschaftlich trete mit der Zahlung keine Entreicherung des einzelnen Wohnungseigentümers ein. Vielmehr sei sein Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen entsprechend wertvoller geworden. Dies entspreche der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung (Hinweis auf Röll in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 WEG Rdnr. 12). Der Beitrag zur Instandhaltungsrücklage sei auch nicht i. S. von § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen; denn der Kläger habe seine wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber nicht verloren. Die Wohnungseigentümergemeinschaft stelle dem Verwalter als ihrem Bevollmächtigten zweckgebundene Mittel zur Verfügung, über die dieser im Rahmen seiner Vollmacht verfügen könne. Die Wohnungseigentümer unterlägen somit lediglich einer Beschränkung in der Verfügungsmacht über dieses Vermögen.

Die Beteiligten sind übereinstimmend der Ansicht, daß für die Werbungskosten der Wohnungseigentümergemeinschaft keine gesonderte und einheitliche Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (StBereinG 1986) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) i. V. m. § 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 1986, 2663, BStBl I 1987, 2) erforderlich ist.

Entscheidungsgründe

1. Die Vorentscheidung ist nicht wegen Vorgreiflichkeit eines Feststellungsverfahrens aufzuheben. Nach § 180 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. des StBereinG 1986 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 können die Besteuerungsgrundlagen, insbesondere einkommensteuerpflichtige Einkünfte, ganz oder teilweise gesondert festgestellt werden, wenn der Einkunftserzielung dienende Wirtschaftsgüter mehreren Personen getrennt zuzurechnen sind, die bei der Planung, Herstellung, Erhaltung oder dem Erwerb dieser Wirtschaftsgüter gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten hergestellt oder unterhalten haben (Gesamtobjekt). Diese Regelung, die auch für vor dem Inkrafttreten des StBereinG 1986 liegende Feststellungszeiträume gilt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86, BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319), ist auch für die durch die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümer entstehenden Werbungskosten anwendbar. Denn Wohnungseigentum ist nach § 1 Abs. 2 WEG das Sondereigentum an einer Wohnung, verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum. Gemeinschaftliches Eigentum sind das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen (§ 1 Abs. 5 WEG). Wird eine Eigentumswohnung vermietet, ist Gegenstand der Erzielung von Einkünften i. S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 EStG das Sondereigentum in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Eigentumswohnung sind demgemäß auch die durch den Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum verursachten Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Ob und in welchem Umfang ein Feststellungsverfahren durchgeführt wird, entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977). Im Streitfall kommt jedoch wegen der besonderen Umstände - insbesondere des lange zurückliegenden Streitjahrs - und im Hinblick auf die Ausführungen des BMF die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nicht mehr in Betracht.

2. Die Vorentscheidung verletzt § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die vom Kläger geleisteten Beiträge zur Instandhaltungsrücklage sind mangels tatsächlicher Verausgabung für Erhaltungsmaßnahmen im Streitjahr noch keine Werbungskosten.

Die Instandhaltungsrückstellung, im Sprachgebrauch Instandhaltungsrücklage genannt (vgl. Röll, a. a. O., 2. Aufl., § 21 WEG Rdnr. 12), zu deren Ansammlung die Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 4, § 28 Abs. 1 Nr. 3 WEG verpflichtet sind, dient der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage sind Teil der Vorschüsse auf das Wohngeld bzw. Hausgeld, die der einzelne Wohnungseigentümer entsprechend dem beschlossenen Wirtschaftsplan an den Verwalter zu leisten hat (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 WEG). Die Beiträge wie auch die Instandhaltungsrücklage selbst - üblicherweise werden die Beiträge nicht im Jahr der Zahlung, sondern erst mit dem Beschluß der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung der Instandhaltungsrücklage zugeführt - gehören zu den gemeinschaftlichen Geldern, die der Verwalter zu verwalten hat (§ 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Sie sind Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. dazu Merle, Das Wohnungseigentum im System des bürgerlichen Rechts, S. 82, und Bärmann, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, S. 262). Der einzelne Wohnungseigentümer ist in Höhe seiner Zahlungen als Eigentümer am Verwaltungsvermögen beteiligt.

Die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage gehen mit ihrer Zahlung von der Rechtszuständigkeit des einzelnen Wohnungseigentümers in die Rechtszuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft über. Aufgrund ihrer Bindung im Verwaltungsvermögen, über das der einzelne Wohnungseigentümer nicht allein verfügen kann (vgl. § 21 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 WEG), ist zwar der Abfluß der Beträge aus dem frei verfügbaren Vermögen des einzelnen Wohnungseigentümers zu bejahen. Das rechtfertigt jedoch nicht die Anerkennung dieser Beträge als Werbungskosten. Die geleisteten Beiträge zur Instandhaltungsrücklage können beim einzelnen Wohnungseigentümer erst dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Verwalter sie für die Wohnungseigentümergemeinschaft tatsächlich für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für andere Maßnahmen, die die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bezwecken oder durch sie veranlaßt sind, verausgabt hat (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Oktober 1980 VIII R 22/78, BFHE 131, 510, BStBl II 1981, 128). Sollte die Instandhaltungsrücklage für Maßnahmen verwendet werden, die zu Herstellungskosten führen, so sind nur die entsprechenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG).

Diese Beurteilung ist davon unabhängig, ob es sich bei dem Verwaltungsvermögen um gemeinschaftliches Eigentum i. S. von § 1 Abs. 5 WEG handelt, mit der Folge, daß der Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers daran unlöslich mit dem Wohnungseigentum verbunden ist (§§ 6, 1 Abs. 2 WEG; so Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., § 1 Rdnr. 39, § 27 Rdnr. 71; Röll, a. a. O., § 1 WEG Rdnr. 12; Staudinger/Ring, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10.-11. Aufl., § 27 WEG Rdnr. 6), oder ob die Wohnungseigentümer hinsichtlich der Gegenstände des Verwaltungsvermögens gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WEG bloße Bruchteilsgemeinschaften i. S. der §§ 741 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bilden (so Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., § 1 Rdnr. 4k; Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs - BGB-RGRK -, Augustin, 12. Aufl., § 1 WEG Rdnr. 24; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Aufl., § 1 WEG Anm. 5, und Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 25. Juli 1984 BReg. 2 Z 108/83, Deutsche Notar-Zeitschrift - DNotZ - 1985, 416).

Diese Rechtsauffassung entspricht dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751), wonach die Personengesellschaft bzw. die Bruchteilsgemeinschaft (vgl. Urteil des Senats vom 7. Oktober 1986 IX R 167/83, BFHE 148, 501, BStBl II 1987, 322) für die Einkommensteuer insoweit Steuerrechtssubjekt ist, als ihre Gesellschafter bzw. Gemeinschafter gemeinsam Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklichen, die den Gesellschaftern bzw. Gemeinschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind. Die Wohnungseigentümer verwirklichen den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung gemeinsam als Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit mit dem gemeinschaftlichen Eigentum zusammenhängende Einnahmen oder Werbungskosten anfallen. Für diesen Bereich sind die Einnahmen bzw. Werbungskosten zunächst auf der Ebene der Gemeinschaft zu ermitteln und dann auf die Wohnungseigentümer zu verteilen.

Mit seiner vorliegenden Entscheidung schließt sich der Senat im Ergebnis der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Meinung an (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 27. November 1969 III 113/67, EFG 1970, 164, und Urteil des FG Bremen vom 18. Januar 1974 I 67/73, EFG 1974, 149; Bärmann/Pick/Merle, a. a. O., §§ 61, 62 Rdnr. 80; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. 75; Christoffel, Der Betrieb - DB - 1984, 2007; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Rdnr. 138; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 EStG, Ergänzung Rdnrn. 23f.; Horlemann, Steuerwarte 1983, 73; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 11 Anm. 28, Instandhaltungskosten, und Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. C 59; a. A. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 4. Aufl., S. 790; Blümich/Falk, a. a. O., § 11 Rdnr. 61; Borggreve, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1984, 484; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 9 Rdnr. B 850, unter Instandhaltungsrückstellungen; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 11 EStG Rdnr. 75, unter Instandhaltungskosten; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 21 Anm. 15, unter Instandhaltungsrücklage, und Spiegelberger, Wohnungseigentum 1986, 128).

Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das FA die vom Kläger gezahlten Beiträge zur Instandhaltungsrücklage zu Recht im Streitjahr nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt hat, ist die Klage abzuweisen.

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