BFH

BFHI R 393/8316.12.1987

Amtlicher Leitsatz:

1. Leitet eine Gemeinde Zuschüsse, die ihr von dem zuständigen Land zweckgebunden bewilligt wurden, einer Gemeinde-GmbH zu, damit diese die Zuschüsse dem gebundenen Zweck zuführt, so ist keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistung anzunehmen.

2. Leistet eine Gemeinde im Zusammenhang mit den zu 1. genannten Zuschüssen an ihre Gemeinde-GmbH einen Geldbetrag als Eigenanteil, damit die Gemeinde-GmbH ihn zusammen mit den Zuschüssen zweckgebunden verwendet, so ist dies eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972.

Normen

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972

 

Tatbestand:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1970 gegründete GmbH, deren Gegenstand die Einrichtung und der Betrieb sämtlicher kommunaler Anlagen, Einrichtungen und Gebäulichkeiten im Bereich der Gemeinde X war. Die Klägerin war ein Wirtschaftsbetrieb der Gemeinde X, die auch die alleinige Gesellschafterin der Klägerin war. Die von ihr geschaffenen Anlagen und Einrichtungen waren, soweit sie öffentlich betrieben wurden, jedermann zugänglich.

Im Winter 1978/79 verursachten Unwetter und das damit verbundene Hochwasser erhebliche Schäden u. a. an den Anlagen und Einrichtungen der Klägerin. Die notwendigen Reparaturkosten wurden auf rd. 1,2 Mio. DM geschätzt. Zur Finanzierung der Reparaturkosten gewährte das Land Y und der Kreis Z der Gemeinde X Zuschüsse, die davon abhängig gemacht wurden, daß die Gemeinde X selbst 10 v. H. der förderungsfähigen Kosten trage. Im einzelnen gewährte das Land Y Zuschüsse in Höhe von rd. 800 000 DM, der Kreis Z solche in Höhe von rd. 100 000 DM und die Gemeinde X übernahm Eigenleistungen in Höhe von rd. 100 000 DM. Die bewilligten Zuschüsse (= insgesamt 900 000 DM) wurden an die Gemeinde X ausbezahlt und von dieser zuzüglich des Wertes der übernommenen Eigenleistungen (100 000 DM) an die Klägerin weitergeleitet. Diese erhielt insgesamt rd. 1 000 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Weiterleitung der 1 Mio. DM an die Klägerin einen gesellschaftsteuerpflichtigen Zuschuß i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Es setzte die Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 6. Juli 1981 auf 10 000 DM fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 2. August 1983 III 102/82 und den Gesellschaftsteuerbescheid vom 6. Juli 1981 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet. Soweit sie begründet ist, führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu einer Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 unterliegt der freiwillige Zuschuß eines Gesellschafters an seine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn der Zuschuß geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Unter die freiwilligen Zuschüsse im Sinne der Vorschrift fallen alle in Geld oder vergleichbaren Leistungen bestehende, einseitige Zuwendungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft, die zwar ihre Rechtsgrundlage nicht im Gesellschaftsverhältnis, sondern in einer daneben getroffenen und freiwillig begründeten Vereinbarung haben, die jedoch durch das Gesellschaftsverhältnis ausgelöst sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1967 II R 176/61, BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213). Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin von ihrer Alleingesellschafterin, der Gemeinde X, eine Zahlung von rd. 1 Mio. DM erhielt. Die Zahlung diente der Beseitigung von Schäden an Einrichtungen, die im Eigentum der Klägerin standen. Die Klägerin übernahm gegenüber der Gemeinde X eine entsprechende Schadensbeseitigungsverpflichtung. Von dem Betrag in Höhe von rd. 1 Mio. DM stammten rd. 900 000 DM aus Zuschüssen vom Land Y und dem Kreis Z. Die Zuschüsse waren an die Gemeinde X nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Zuwendungsrichtlinien zweckgebunden zur Beseitigung der o. g. Schäden geleistet worden. Da diese tatsächlichen Feststellungen des FG nicht mit Revisionsrügen angefochten wurden, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Aus ihnen ergibt sich, daß die Gemeinde X gegenüber dem Land Y und dem Kreis Z die "Verpflichtung" übernommen hatte, für die Beseitigung der genannten Schäden Sorge zu tragen und dafür die erhaltenen Zuschüsse zu verwenden. Die Gemeinde X konnte ihrer gegenüber den beiden Körperschaften vertraglich übernommenen "Verpflichtung" auf verschiedene Weise nachkommen. Sie hätte - was das FG nicht festgestellt hat - die notwendigen Reparaturarbeiten durch eigene Arbeitskräfte und Maschinen durchführen lassen und die dabei anfallenden Unkosten aus den Zuschüssen bezahlen können. Sie hätte auch - was das FG ebenfalls nicht festgestellt hat - die Schadensbeseitigung auf einen Dritten übertragen und die Zuschüsse als vertragliches Entgelt an den Dritten zahlen können. Schließlich konnte sie - wie vom FG festgestellt - die Klägerin beauftragen, die "Verpflichtung" gegenüber den beiden Körperschaften zur Schadensbeseitigung als eigene zu übernehmen und die gewährten Zuschüsse zur Erfüllung der Verpflichtung zu verwenden. In diesem Fall trat die Gemeinde X gegenüber der Klägerin nicht wie der Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft, sondern wie jemand auf, der eigene Obliegenheiten auf einen anderen übertragen will. Dabei kann dahinstehen, ob deshalb die Zuschüsse bei der Gemeinde X wie durchlaufende Posten zu behandeln sind. Entscheidend ist allein, daß die Gemeinde X aus den Haushalten des Landes Y und des Kreises Z öffentliche Mittel (Zuschüsse) erhielt, die sie zweckgebunden verwenden mußte. Damit stand der Gemeinde X nicht die freie Entscheidung zu, die Zuschüsse zu dem einen oder dem anderen Zweck zu verwenden. Sie hätte sie der Klägerin insbesondere nicht als allgemeine Kapitalverstärkung zuführen können. Sie hätte sie sogar von der Klägerin zurückfordern können und müssen, wenn sie nicht der Zweckbindung entsprechend verwendet worden wären. Dann aber handelte die Gemeinde X bei der Weiterleitung der Zuschüsse an die Klägerin nicht als deren Gesellschafterin, sondern als öffentlich-rechtliche Körperschaft, die für die zweckgebundene Verwendung der Zuschüsse Sorge trägt. Entsprechend kann es sich bei den Zuschüssen nicht um freiwillige Leistungen eines Gesellschafters i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 handeln.

2. Für die von der Gemeinde X aus eigenen Mitteln gezahlten Zuschüsse in Höhe von rd. 100 000 DM gilt nur deshalb etwas anderes, weil der Betrag von der Gemeinde X freiwillig übernommen und als solcher Zuschuß zu den Kosten der Reparaturarbeiten ist. Der Betrag stellt sich deshalb nicht mehr als Gegenleistung für die von der Gemeinde X gegenüber den beiden Körperschaften übernommene "Verpflichtung" dar, für die Beseitigung der eingetretenen Schäden Sorge zu tragen und dabei die von den beiden Körperschaften gewährten Zuschüsse zu verwenden. Ist aber der Zuschuß der Gemeinde X in Höhe von rd. 100 000 DM von ihr freiwillig versprochen worden, so kann die Gemeinde X bezüglich dieses Betrages auch nicht als bloße Durchleitstation für den von einer anderen Körperschaft bewilligten Zuschuß angesehen werden. Vielmehr bediente sich die Gemeinde X der Klägerin, um eigene, ihr gesetzlich zugewiesene Aufgaben in den Handlungsformen des Zivilrechts zu erfüllen. Gerade wegen der dabei gewählten Handlungsform des Zivilrechts trat die Gemeinde X gegenüber der Klägerin notwendigerweise als deren Gesellschafterin auf. Sie leistete den Betrag von rd. 100 000 DM als verlorenen Gesellschafterzuschuß in der Erwartung, daß die Klägerin ihn für den zuvor bestimmten Zweck verwenden werde. Hierin ist ein freiwilliger Zuschuß i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 zu sehen. Da die Leistung in Geld bestand, war sie auch objektiv geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte der Gemeinde X an der Klägerin zu erhöhen. Es ist nicht erforderlich, daß sie den Wert der Gesellschaftsrechte auch tatsächlich erhöhte (vgl. BFH-Urteile vom 12. April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714; vom 12. April 1972 II 28/63, BFHE 106, 127, BStBl II 1972, 716; vom 12. April 1972 II 34/63, BFHE 106, 130, BStBl II 1972, 717; vom 24. November 1974 II R 109/72, BFHE 114, 445, BStBl II 1975, 265; vom 5. Februar 1975 II R 202/72, BFHE 115, 144, BStBl II 1975, 415; vom 8. Oktober 1975 II R 94/70, BFHE 117, 109, BStBl II 1976, 24; vom 21. September 1977 II R 21/73, BFHE 124, 79, BStBl II 1978, 136; vom 25. November 1987 I R 385/83, BFHE 152, 154, BStBl II 1988, 450).

3. Zutreffend hat das FG die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 im Streitfall verneint, weil die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG kein Versorgungsbetrieb war.

4. Steuermaßstab ist gemäß § 8 Nr. 2 KVStG 1972 der Wert der Leistung des Gesellschafters. Dies entspricht dem Wert der von der Gemeinde X geleisteten Zuschüsse in Höhe von rd. 100 000 DM. Der Steuersatz beträgt gemäß § 9 Abs. 1 KVStG 1 v. H. Mithin beträgt die Gesellschaftsteuer 1 000 DM.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Der Gesellschaftsteuerbescheid vom 6. Juli 1981 war zu ändern. Die Gesellschaftsteuer war auf 1 000 DM festzusetzen. Die weitergehende Revision war als unbegründet zurückzuweisen.

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