BFH

BFHVI R 137/8321.11.1986

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für Sportgeräte und Sportkleidung können für Diplom-Pädagogen (Erzieher) nach § 9 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 1 Satz 1 EStG in vollem Umfang Werbungskosten sein, wenn die private Nutzung der Sportsachen von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Die Aufwendungen fallen jedoch bei einer privaten Nutzung von 15,5 v. H. unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Normen

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG 1979
§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1979
§ 12 Nr. 1 S. 2 EStG 1979

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren als Diplom-Pädagogen (Erzieher) an einem Internat auf einer Insel beschäftigt. Sie hatten die im Internat untergebrachten Jungen und Mädchen in der unterrichtsfreien Zeit an sechs Tagen der Woche zu beaufsichtigen und deren Freizeit zu gestalten. Zu diesem Zweck gründeten und leiteten sie Interessengruppen für "Surfen", "Badminton", "Fußball" und "Schach". Da die Kläger keine Surfkenntnisse hatten, absolvierten sie im Frühsommer 1980 einen Surflehrgang. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 machten die Kläger folgende Aufwendungen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend:

1. Werbungskosten der Klägerin:

a) Hallenturnschuhe 36,- DM

b) Badmintonschläger 87,- DM

c) Surflehrgang 130,- DM

d) Surfausrüstung 1 743 DM

./. 50 v. H. der

Anschaffungskosten

des Surfbretts 575 DM 1 168,- DM

1 421,- DM.

2. Werbungskosten des Klägers:

a) Jahresabonnement für

die Zeitschrift "Schach-Echo" 64,- DM

b) Fußballstollenschuhe 57,50 DM

c) Surflehrgang 130,- DM

d) Surfausrüstung 2 806 DM

./. 50 v. H. der

Anschaffungskosten

des Surfbretts 1 095 DM 1 711,- DM

1 962,50 DM

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.

Die Kläger begehrten im Klageverfahren den Abzug ihrer Aufwendungen für die Surfausrüstung nunmehr in Höhe von 84,5 v. H. bei Ansatz einer zweijährigen Nutzungsdauer. Sie führten aus, die Surfbretter hätten sie allein aus beruflichen Gründen erworben, da sie sonst die Leitung der Interessengruppe Surfen nicht hätten wahrnehmen können. Die Ausrüstungen hätten sie im geringfügigen Umfange auch privat genutzt. Während der Unterrichtsmonate sei ein privater Gebrauch jedoch ausgeschlossen gewesen, da der einzige freie Tag innerhalb der Woche für die Erledigung dringender Arbeit im Haushalt benötigt worden sei. Für eine private Nutzung seien daher nur die Sommer- und Herbstferien übrig gewesen. Während dieser Zeit hätten sie noch Freunde und Verwandte besuchen müssen. Aus ihren dienstlichen Aufzeichnungen über die Teilnahmehäufigkeit der Schüler an der Interessengruppe Surfen innerhalb der letzten drei Jahre sei zu entnehmen, daß sie die Surfbretter durchschnittlich pro Saison an ca. 60 Tagen beruflich genutzt hätten. Dazu komme eine private Nutzung an durchschnittlich 11 Tagen pro Saison. Daher sei der berufliche Nutzungsanteil mit 84,5 v. H. anzunehmen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in vollem Umfange statt. Es führte u. a. aus:

Die den Klägern durch Teilnahme am Surflehrgang entstandenen Aufwendungen seien als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen seien. Die erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang und der Erwerb des Grundschein-Diploms seien unabdingbare Voraussetzungen für die Übernahme der Leitung der Interessengruppe "Surfen" gewesen. Daß die durch den Lehrgang erworbenen Kenntnisse den Klägern auch bei der privaten Nutzung der Surfausrüstung zugute gekommen seien, stehe der Anerkennung der Lehrgangskosten als Werbungskosten nicht entgegen.

Die Aufwendungen für die Fußballschuhe, die Schachzeitschrift, die Hallenturnschuhe, den Badmintonschläger und die Surfausrüstungen seien ebenfalls Werbungskosten, und zwar Ausgaben für Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Fußballstiefel, die Schachzeitschrift, die Hallenturnschuhe und der Badmintonschläger seien ausschließlich für berufliche Zwecke erworben und genutzt worden; Art und Umfang der dienstlichen Beanspruchung ließen eine private Nutzung der genannten Arbeitsmittel als unwahrscheinlich erscheinen. Es sei nicht davon auszugehen, daß die Kläger die hiermit betriebenen Sportarten noch in ihrer Freizeit ausgeübt hätten. Die abstrakte Möglichkeit einer privaten Nutzung schließe die Anerkennung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten nicht aus. Die Anschaffung der Surfausrüstungen sei ebenfalls beruflich veranlaßt gewesen, weil die Kläger sie vor allem aufgrund beruflicher Erwägungen erworben hätten. Denn sonst hätten sie die Interessengruppe "Surfen" nicht übernehmen können. Wegen der von vornherein ins Auge gefaßten privaten Mitbenutzung seien die Werbungskosten nicht anteilig zu kürzen, weil die Surfausrüstungen lediglich in einem ganz geringen Umfang, nämlich nur zu 15,5 v. H., privat genutzt worden seien. Im Hinblick darauf, daß die Kläger nur 84,5 v. H. der Aufwendungen als Werbungskosten begehrten, käme ein voller Abzug der Aufwendungen für die Surfausrüstungen aber nicht in Betracht, da das Gericht über diesen Antrag nicht hinausgehen dürfe.

Die Aufwendungen für die Surfbretter seien allerdings auf die voraussichtliche Nutzungsdauer zu verteilen. Im Hinblick auf deren besondere Beanspruchung durch Einsatz in der Nordsee und den Gebrauch für Unterrichtszwecke sei die Nutzungsdauer - wie von den Klägern begehrt - mit zwei Jahren anzusetzen.

Gegen diese Entscheidung legte das FA Revision ein.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger haben davon abgesehen, einen Vertreter nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) zu bestellen.

Entscheidungsgründe

a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Hierunter fallen alle Wirtschaftsgüter, die unmittelbar der Erledigung beruflicher Aufgaben dienen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Januar 1986 VI R 78/82, BFHE 146, 76, BStBl II 1986, 355). Andererseits dürfen Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen getätigt werden. Ein Wirtschaftsgut kann daher nur dann nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Arbeitsmittel angesehen werden, wenn feststeht, daß der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet, eine private Mitbenutzung also von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Dies hängt nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) grundsätzlich von der tatsächlichen Zweckbestimmung, d. h. von der Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall ab. Bei der Beweiswürdigung zur Feststellung des Verwendungszwecks spielt der objektive Charakter des Wirtschaftsguts eine große Rolle. Ist nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar, ob der Gegenstand weitaus überwiegend dem Beruf dient, so sind Aufwendungen für die Anschaffung schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen (vgl. insbesondere auch BFH-Urteil vom 16. Oktober 1981 VI R 180/79, BFHE 134, 299, BStBl II 1982, 67, betreffend Kosten der Anschaffung von Büchern bei Lehrern).

Von diesen Grundsätzen ist auch auszugehen, wenn sich Lehrer oder - wie hier - Diplom-Pädagogen Sportgegenstände, wie etwa eine Skiausrüstung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 IV R 101/72, BFHE 114, 63, BStBl II 1975, 407, sowie koordinierte Ländererlasse, wie z. B. Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 6. Mai 1985 S 2353 - 99 - 35 1 und Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 1985 S 2353 - 45 - VB 3, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 9, Nr. 361) oder Sportkleidung (vgl. die vorgenannten koordinierten Ländererlasse in StEK, Einkommensteuergesetz, § 9, Nr. 361; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., 1986, § 9 Anm. 10c, Stichwort: Sportkleidung; v. Bornhaupt in Kirchhoff/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 700, Stichwort: Sportkleidung; a. A., nämlich die Abziehbarkeit solcher Aufwendungen stets verneinend: Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 11. September 1984 2 K 101/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 173 - Leitsatz -; Urteil des FG Köln vom 18. April 1986 VK 378/85, EFG 1986, 443) anschaffen, um sie im Rahmen ihrer Berufsausübung einzusetzen.

b) Das FG konnte entsprechend den vorstehenden Ausführungen ohne Rechtsverstoß die Aufwendungen der Kläger für Fußballstiefel, Hallenturnschuhe und Badmintonschläger als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG würdigen. Es konnte zu Recht davon ausgehen, daß es sich hier um Arbeitsmittel handelt, weil die Kläger diese Gegenstände so gut wie ausschließlich nur für ihren Einsatz im Rahmen der von ihnen geleiteten Interessengruppen angeschafft und benutzt haben. Die Einrichtung und Leitung von Interessengruppen zwecks Betreuung und Beaufsichtigung der Jungen und Mädchen ist auch dann ausschließlich beruflich veranlaßt, wenn die Kläger sich bezüglich der Bestimmung der hierbei ausgeübten Sportarten von eigenen Fähigkeiten und Interessen mit haben leiten lassen.

Eine private Mitbenutzung dieser Sportsachen hat das FG ohne Rechtsirrtum insbesondere wegen der Art dieser Gegenstände ausgeschlossen oder zumindest für unwesentlich angesehen. Dem ist zuzustimmen. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Kläger auch aus privaten Gründen in ihrer Freizeit während der Woche oder im Urlaub Fußball gespielt, in der Turnhalle geturnt oder zu zweit oder zu viert Badminton (Federball) gespielt haben. Wie das FG zutreffend hervorhebt, schließt die bloße abstrakte Möglichkeit einer privaten Nutzung dieser Wirtschaftsgüter die Anerkennung der Aufwendungen als Arbeitsmittel nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht aus. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Notwendigkeit der Anschaffung solcher Güter bescheinigt und warum er solche Kosten nicht übernommen hat. Denn jeder Arbeitnehmer kann bei Aufwendungen für Arbeitsmittel frei darüber entscheiden, ob er sie für notwendig erachtet, selbst wenn er hierfür ungewöhnlich hohe Ausgaben leistet (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 15. Mai 1981 VI R 66/78, BFHE 133, 516, BStBl II 1981, 735).

c) Begründet ist die Revision des FA jedoch bezüglich der vom FG anerkannten Kosten für Surflehrgang und Surfbretter.

Das FG ist im Streitfall dem Vorbringen der Kläger gefolgt, wonach sie die Surfausrüstung im Streitjahr zu 15,5 v. H. privat genutzt haben. Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob diese Würdigung von dem vom FG festgestellten Sachverhalt getragen wird, weil das Gericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, wie die Kläger ihre Freizeit während des täglichen Schulunterrichts der Kinder verbracht haben. Er läßt auch die Frage unentschieden, ob der Ansicht von Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 9 EStG Anm. 33a Abs. 2) zu folgen ist, nach der eine die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG ausschließende private Mitbenutzung des Gegenstandes nicht anzunehmen ist, wenn die private Nutzung 10 v. H. der Gesamtnutzung nicht überschreitet.

Der Senat hält den vom FG festgestellten privaten Nutzungsanteil von 15,5 v. H. nicht von so untergeordneter Bedeutung, daß es im Hinblick auf die zu a) erwähnte Rechtsprechung des BFH gerechtfertigt wäre, die Aufwendungen für die Anschaffung der Surfbretter unter Berücksichtigung einer zweijährigen Nutzungszeit nach § 9 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 EStG deshalb im vollen Umfang als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Ist dies aber nicht möglich, so scheidet auch der Abzug des von den Klägern begehrten beruflichen Anteils von 84,5 v. H. bei Ansatz einer Absetzung für Abnutzung (AfA) von 50 v. H. aus, da dies der Entscheidung des Großen Senats im Beschluß in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 zum Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegenstehen würde.

Von diesen Grundsätzen ist in gleicher Weise bei der Beurteilung der Aufwendungen der Kläger für den Surflehrgang auszugehen, da die hierdurch erworbenen Kenntnisse auch der privaten Freizeitbeschäftigung des Surfens zugute kommen. Dieser private Anteil ist, wie vorstehend dargelegt, nicht von ganz untergeordneter Bedeutung, da er im zweiten Halbjahr 1980 nach Abschluß des Lehrgangs gemäß den Feststellungen des FG 15,5 v. H. der Gesamtnutzung betrug.

d) Der Senat folgt auch nicht der Würdigung des FG, soweit es Ausgaben des Klägers für das Jahresabonnement der Zeitschrift "Schach-Echo" als Werbungskosten anerkannt hat.

Schach wird von vielen Steuerpflichtigen in ihrer Freizeit gespielt und manche erfahrene Schachspieler halten sich die Zeitschrift "Schach-Echo", um von dort weitere Anregungen für dieses Spiel zu gewinnen. Auch wenn der Kläger die Kenntnisse aus dieser Zeitschrift zur Leitung der Interessengemeinschaft "Schach" mit einsetzt, so handelt es sich bei den Abonnementskosten doch in gleicher Weise wie etwa bei Aufwendungen von Angehörigen anderer Berufe für den Bezug einer Tageszeitung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 30. Juni 1983 IV R 2/81, BFHE 139, 151, BStBl II 1983, 715) um Kosten der allgemeinen Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, es sei denn, daß eine nahezu ausschließlich berufliche Verwendung der Zeitung nach den besonderen Umständen des Falls gesichert erscheint. Letzteres könnte beim Kläger allenfalls dann der Fall sein, wenn er die Zeitschrift nur zu dem Zweck bezogen hätte, um besonders fortgeschrittene Schachspieler in seiner Interessengemeinschaft zu fördern. Dies hat er weder vorgetragen noch ist es vom FG festgestellt worden.

Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die Aufwendungen für die Hallenturnschuhe von 36 DM, für den Badmintonschläger von 87 DM und die Fußballstollenschuhe von 57,50 DM zu Unrecht nicht als Werbungskosten anerkannt hat, ist der Einkommensteuerbescheid des FA vom 12. November 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 1982 dahin abzuändern, daß die Einkommensteuer 1980 auf 10 258 DM festgesetzt wird.

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