Normen
§ 22 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Familienstiftung, die u. a. Wertpapiere besitzt. Bei einer das Streitjahr (1976) umfassenden Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Klägerin im Streitjahr Kaufoptionen über in ihrem Besitz befindliche Aktien veräußert und dabei einen Erlös von 13 516 DM erzielt hatte. Das für die Optionen zu zahlende Entgelt verblieb der Klägerin unabhängig davon, ob der jeweilige Optionsberechtigte sein Recht ausübte oder nicht. Bei Ausübung der Option sollte das Entgelt nicht auf den Kaufpreis angerechnet werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wertete die Erlöse aus den Optionsgeschäften als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte die Körperschaftsteuer 1976 mit Bescheid vom 14. November 1979 entsprechend fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision zugelassen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da die Frage, ob Optionsgebühren Einnahmen i. S. des § 22 Nr. 3 EStG seien, umstritten und vom Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht entschieden sei. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 245 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 1976 vom 14. November 1979 in der Weise zu ändern, daß die Körperschaftsteuer aus einem um 13 516 DM verminderten Einkommen festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klägerin ist als sonstige juristische Person des privaten Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F.). Die Körperschaftsteuer bemißt sich nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§ 5 Abs. 1 KStG a. F.). Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG und den §§ 7 bis 16 KStG a. F. (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG a. F.).
Da die Klägerin - wie das FG festgestellt hat - nicht nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches zur Führung von Büchern verpflichtet ist, sind nicht bereits deshalb alle ihre Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln (vgl. § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung - KStDV - a. F., § 8 Abs. 2 KStG 1977).
Die Tätigkeiten der Klägerin können je nach ihrer Eigenart die Voraussetzungen verschiedener Einkunftsarten nach § 2 Abs. 1 EStG erfüllen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 6. Juli 1937 I A 202/37, RStBl 1937, 1011; BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 139-140/74, BFHE 120, 236, BStBl II 1977, 96; BT-Drucks. 8/3165 S. 4).
Die Verfahrensbeteiligten und das FG gehen offenbar davon aus, daß die umstrittenen Einkünfte auch für sich gesehen nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu behandeln sind. Der vom FG festgestellte Sachverhalt gibt zur Annahme gewerblicher Einkünfte keinen Anlaß (vgl. zur Abgrenzung BFH-Urteile vom 4. März 1980 VIII R 150/76, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132). Das FG hat somit zu Recht geprüft, ob Einkünfte aus Leistungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG) erzielt wurden. Das FG hat dies auch zutreffend bejaht.
II. Sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgeltes willen erbracht wird ("do ut des"; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., 1984, § 22 Anm. 31), sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich handelt, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z. B. Urteil vom 21. September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201).
1. Die Rechtsprechung des RFH ging zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925 davon aus, daß die vertragsmäßige Bindung des Eigentümers eines Grundstücks an ein Kaufangebot die "Schaffung einer Rechtslage" und kein "Unterlassen" bedeute. Die Schaffung einer solchen Rechtslage sei keine Tätigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne (RFH-Urteil vom 2. März 1932 VI A 1330/31, RStBl 1932, 511; vgl. auch RFH-Urteil vom 17. Juli 1941 IV 94/41, RStBl 1941, 755). Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 30. August 1966 VI 284/64 (BFHE 87, 131, BStBl III 1967, 69) zum Ausdruck gebracht, daß er die Auffassung des RFH für zweifelhaft halte und daß es naheliege, die Einräumung eines Vorkaufsrechts als Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 EStG zu betrachten. Im BFH-Urteil vom 26. April 1977 VIII R 2/75 (BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631) wird ausgeführt, die "Schaffung einer Rechtslage" sei ein "Tun"; die Vergütung für die Bindung des Grundstückseigentümers an ein Kaufangebot sei eine Einnahme i. S. von § 22 Nr. 3 EStG.
2. Diese Betrachtungsweise des BFH wird auch den im Streitfall vorliegenden Optionsgeschäften gerecht. Die Optionsentgelte sind als zu den sonstigen Einkünften gehörende Einkünfte aus Leistungen i. S. von § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
a) Die einseitige Bindung des Anbietenden an sein Vertragsangebot bedeutet für diesen einen Nachteil, da sie ihm die Möglichkeit nimmt, einem anderen zu günstigeren Bedingungen anzubieten und dem Antragsempfänger die Möglichkeit gibt, Änderungen der Umstände auszunützen und so auf Kosten des Anbietenden zu spekulieren (vgl. Kramer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1984, § 147 Anm. 1). Im Optionsvertrag sichert sich der Optionsberechtigte den entsprechenden Vorteil für eine bestimmte Zeit, indem er dem Optionsgeber ein Bindungsentgelt zahlt (vgl. Georgiades in Festschrift für Karl Larenz, München 1973, S. 409, 413). Zweck dieses Entgelts ist die Vergütung oder Entschädigung des Optionsgebers für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begründung des Optionsrechts eingeht (Georgiades, a. a. O., S. 432; RFH-Urteil vom 6. Oktober 1937 VI A 576/37, RFHE 42, 214, 223, RStBl 1938, 103, 106).
b) Der Käufer einer Kaufoption über bestimmte Aktien erwirbt gegen Bezahlung einer in jedem Fall verlorenen Prämie das Recht, von seinem Vertragspartner (Stillhalter mit Aktien) jederzeit während der Laufzeit der Option die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Aktien zum vereinbarten Basispreis zu kaufen (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. Februar 1981 II ZR 179/80, BGHZ 80, 80, 83 ; vom 22. Oktober 1984 II ZR 262/83, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1984, 1598; § 3 Abs. 1 der Bedingungen für Optionsgeschäfte und Abschn. 1 Abs. 1 der Sonderbedingungen für Optionsgeschäfte im Börsenterminhandel, abgedruckt bei Schwark, Börsengesetz, Kommentar, München 1976, Einl. §§ 50 bis 70 Anm. 20, 21). Der Verkäufer einer Kaufoption muß während der Optionszeit auf Verlangen des Käufers die Aktien zu dem vereinbarten Basispreis liefern. Da er deshalb die Aktien grundsätzlich vorzuhalten hat, erhält er den Optionspreis (BGH-Urteil, WM 1984, 1598).
c) Die Klägerin war als Verkäuferin von Kaufoptionen "Stillhalterin" der betreffenden Aktien. Sie hat dadurch Leistungen i. S. des § 22 Nr. 3 EStG erbracht. Bei den umstrittenen Optionsgeschäften handelt es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder um veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.
aa) Hinsichtlich der entgeltlichen Übernahme einer Baulast wird im BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 167/71 (BFHE 116, 550, BStBl II 1976, 62) ausgeführt, sie sei nicht der Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks gleichzusetzen. Der Kläger sei nach wie vor bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Teilfläche geblieben. Er habe sich lediglich - freiwillig - für eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit entschieden. Soweit eine Wertminderung des Grundstücks eingetreten sein sollte, wäre dies unerheblich. In diesem Sinne wurde auch der entgeltliche Verzicht auf die Einhaltung eines Grenzabstands bei der Bebauung eines angrenzenden Grundstücks behandelt (BFH-Urteil vom 5. August 1976 VIII R 97/73, BFHE 120, 180 BStBl II 1977, 26). In der Entscheidung in BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631 wird ausgeführt, die Vereinbarung über Vergütungen für die Bindung eines Grundstückseigentümers an ein Kaufangebot sei nicht als Veräußerungsvorgang oder veräußerungsähnlicher Vorgang zu werten. Ein Vermögenswert sei weder veräußert noch in seiner Substanz gemindert worden. Denn das Eigentumsrecht bleibe bis zur Annahme des Angebots bestehen, das Angebot erfolge in Ausübung des Eigentumsrechts.
bb) Im Streitfall ist der Wert der von den Optionsverträgen betroffenen Aktien durch die Optionsgeschäfte nicht vermindert worden. Das Bindungsentgelt ist nicht dafür erbracht worden, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz gemindert wurde. Der Wert der Aktien wird durch die Einräumung des Optionsrechts nicht berührt; die im Risiko des Optionsgebers liegende Vermögenseinbuße tritt erst ein, wenn sich der Aktienkurs zugunsten des Optionsberechtigten entwickelt und dieser das Optionsrecht ausübt. Im Zeitpunkt der Einräumung der Option ist ein solcher Verlust konkret weder vorhanden noch absehbar; er kann mithin nicht Gegenstand eines veräußerungsähnlichen Vorgangs sein. Das Bindungsentgelt ist allein für die Vereinbarung der Bindungsdauer verdient worden (vgl. Bunjes, Anmerkung zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 22 Ziff. 3, Rechtsspruch 20).
cc) Die Grenze vom Nutzungs- zum Vermögensbereich wurde auch nicht dadurch überschritten, daß die Klägerin durch die Optionsgeschäfte das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien verloren hätte (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796). Der Klägerin standen auch nach Einräumung der Optionen alle Rechte als Aktionärin zu.
dd) Das Optionsrecht ist nicht schon beim Eigentümer (Optionsgeber) ein selbständiges, im Vermögensbereich übertragbares Wirtschaftsgut. Die Bestellung der Option liegt beim Eigentümer im Nutzungsbereich (vgl. Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 23 Anm. 6, § 22 Anm. 32 b; a. A. offenbar Rönitz, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1980/81, 38, 57 f.: "selbstgeschaffenes Wirtschaftsgut"). Mithin ist im Streitfall nicht davon auszugehen, daß die Optionsrechte als Wirtschaftsgüter bei der Klägerin Gegenstand einer Veräußerung oder eines veräußerungsähnlichen Vorgangs sein konnten (vgl. BFH-Urteile vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298; vom 25. September 1979 VIII R 34/78, BFHE 129, 128, BStBl II 1980, 114).
III. Es kann dahingestellt bleiben, ob die umstrittenen Optionsgeschäfte beim jeweiligen Optionskäufer auf den Erwerb von Wertpapieren oder auf die Erzielung eines Preisunterschieds (Differenz; § 764 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) gerichtet waren (vgl. Urteile des Reichsgerichts vom 15. Juni 1927 I 336/26, RGZ 117, 267; vom 26. Februar 1935 II 214/34, RGZ 147, 112, 114; BGH-Urteil vom 20. Dezember 1971 II ZR 156/69, BGHZ 58, 1, 2) und ob in diesem Fall bei der Klägerin die Tatbestandsverwirklichung des § 22 Nr. 3 EStG mit der Begründung verneint werden könnte, daß ein auf Spiel angelegtes Geschäft vorliege, in dem es lediglich Gewinner und Verlierer gebe, ohne daß ein Leistungsaustausch stattfinde (vgl. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618; in BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132). Denn die umstrittenen Optionsgeschäfte wären auch dann nicht als Differenzgeschäfte anzusehen, wenn hinsichtlich der beabsichtigten oder zustande gekommenen Wertpapiergeschäfte eine Differenzabsicht (§ 764 BGB) zu bejahen wäre. Das Optionsgeschäft wird von beiden Vertragsteilen durch die Einräumung des Optionsrechts einerseits und durch die Zahlung des Optionsentgelts andererseits voll erfüllt. Erst bei dem nach Ausübung der Option zustande kommenden Wertpapiergeschäft kann sich die Frage stellen, ob ein Differenzgeschäft vorliegt (vgl. auch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Juni 1983 2 U 72/82, WM 1983, 1072).