Normen
§ 2 Abs. 1 KVStG
Tatbestand:
Die A. Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (KG) ist durch Gesellschaftsvertrag vom 5. Dezember 1970 gegründet worden. Die Klägerin, eine GmbH, wurde persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitaleinlage. Die vier Kommanditisten übernahmen Kommanditeinlagen in Höhe von insgesamt 500 000 DM 1). Sie zahlten 250 000 DM 1) bis Ende 1970 ein, die restlichen 250 000 DM 1) im Jahre 1971. Die KG wurde am 22. Dezember 1970 in das Handelsregister eingetragen.
Außerdem stellten die Kommanditisten der KG Darlehen in Höhe von 500 000 DM 1) zur Verfügung, die 1971 eingezahlt wurden. Der Umstand, daß die Gesellschafter der KG Darlehen gewährt hatten, ergab sich aus einer Anlage zu einem Schreiben der Klägerin an das beklagte Finanzamt (FA) vom 11. August 1971.
Das FA erließ am 22. September 1971 einen Steuerbescheid, durch den es den ersten Erwerb der Kommanditanteile erfaßte. Dieser Bescheid wurde unanfechtbar.
1975 wurden der Kapitalverkehrsteuerstelle über die Betriebsprüfungsstelle des FA die näheren Umstände der Darlehensgewährung bekannt. Danach mußten die Kommanditeinlage und das Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe jeweils gleichzeitig gezeichnet werden. Das Darlehen war nur zugleich mit der Kommanditbeteiligung kündbar. Die Darlehensgeber hatten auf die Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Darlehen verzichtet. Vorgesehen war zwar eine Verzinsung in Höhe von 7 v. H. Die Zinsen sollten jedoch nur gezahlt werden, wenn und soweit nach Abdeckung aller fälligen Verpflichtungen einschließlich der Zins- und Tilgungsraten für die langfristigen Darlehen und nach Verbleiben einer Barreserve von 100 000 DM noch flüssige Mittel vorhanden sein sollten. Eine nachträgliche Entrichtung der nicht gezahlten Zinsen sollte ausgeschlossen sein.
Das FA erließ nunmehr am 13. Oktober 1975 einen auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten Berichtigungsbescheid, durch den es neben den Kommanditeinlagen auch die Darlehensvaluta unter Bezugnahme auf § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) erfaßte und nunmehr von einem Steuermaßstab von insgesamt 1 000 000 DM 1) ausging.
Die Klägerin legte Einspruch ein und machte geltend, daß die Gesellschafterdarlehen nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Im übrigen seien die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben. Dem FA sei die Tatsache der Darlehensgewährung bekannt gewesen.
Das FA wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1977 zurück.
Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrte, ist vom Finanzgericht (FG) abgewiesen worden. Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klagantrag weiterverfolgt. Ihre Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Das FA hat in dem angefochtenen Steuerbescheid alle mit der Gründung der KG zusammenhängenden, der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge zusammengefaßt. Dies ist zulässig (vgl. das Senatsurteil vom 15. Oktober 1980 II R 127/77, BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84, unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 30. Januar 1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316).
Welche Anforderungen in dieser Hinsicht an den jeweiligen Steuerbescheid zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Senat hat allerdings in seinem Urteil in BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316 die Auffassung vertreten, daß mehrere Gesellschaftsteuerfälle nicht unaufgegliedert zusammengefaßt werden dürfen. Hieran hält er mit Einschränkung fest. Eine genaue Aufgliederung ist dann nicht erforderlich, wenn zwischen den Beteiligten keinerlei Streit darüber besteht, welche Steuerfälle zusammengefaßt worden sind. Sie wird z. B. dann entbehrlich sein, wenn der Steuerbescheid den gesamten unstreitigen Gründungsvorgang in vollem Umfang erfaßt. In diesen Fällen kann durch die Aufzählung der einzelnen Gesellschafter und ihrer Leistungen keine zusätzliche Klarheit über die zusammengefaßten Steuerfälle gewonnen werden.
Ein solcher Fall liegt hier vor.
Als im vorliegenden Fall der angefochtene Steuerbescheid erging, stand unstreitig die Gesamtsumme der Kommanditeinlagen und der vom FA als Pflichteinlagen beurteilten Gesellschafterdarlehen fest (insgesamt 1 000 000 DM 1)). Von diesem Betrag ist das FA in dem angefochtenen Steuerbescheid ausgegangen. Zwischen den Beteiligten bestand volle Klarheit darüber, daß alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung der KG erfaßt werden sollten, und zwar Kommanditeinlagen in Höhe von 500 000 DM 1) und Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe. Unter diesen Umständen war eine Einzelaufstellung entbehrlich. Sie hätte für den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid keine zusätzliche Klarheit schaffen können.
Zusätzliche Angaben (z. B. in dem Steuerbescheid oder in einer Anlage) werden regelmäßig nur dann erforderlich sein, wenn nicht alle Vorgänge bei Gründung oder Kapitalerhöhung in einem Bescheid zusammengefaßt werden sollen.
An der erforderlichen ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des angefochtenen Steuerbescheides fehlt es auch nicht deshalb, weil sich aus dem Bescheid nicht ergibt, wann jeweils die einzelnen Zahlungen von den einzelnen Kommanditisten geleistet worden sind. Zwar ist von dem Zeitpunkt der Zahlung nach der Rechtsprechung des Senats abhängig, ob der Tatbestand der Nr. 1 oder der Tatbestand der Nr. 2 des § 2 (Abs. 1) des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1959) verwirklicht worden ist (vgl. das Urteil vom 24. Juli 1972 II R 69/71, BFHE 107, 58, BStBl II 1972, 907). Da aber Besteuerungsmaßstab in beiden Fällen die Einlagen der Kommanditisten sind (vgl. Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 2 des § 8 KVStG 1959), bleibt der Steuerbescheid auch dann ausreichend bestimmt, wenn sich aus ihm nicht ergibt, ob die Einlagen im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH & Co. KG oder erst später geleistet worden sind. Aus diesem Grunde hat der Senat die alternative Begründung eines Urteils hinsichtlich der Verwirklichung des Tatbestandes der Nr. 1 oder der Nr. 2 des § 2 Abs. 1 KVStG 1959 zugelassen (vgl. das Urteil vom 23. April 1975 II R 71/71, BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719). Das von der Klägerin erwähnte Urteil des Senats vom 1. August 1979 II R 133/73 (BFHE 128, 341, BStBl II 1979, 744) betraf einen hier nicht vorliegenden Sonderfall. Dort kamen für die verschiedenen Steuermaßstäbe auch unterschiedliche Bewertungsgrundsätze in Betracht.
Auch sonst ist nicht ersichtlich, daß die genaue Angabe der Zahlungstage im Bescheid erforderlich ist. Soweit hiervon der Beginn der Verjährungsfrist und damit der Eintritt der Verjährung abhängt, wird es bei Streit ggf. erforderlich sein, hierüber konkrete Ermittlungen zu treffen. Diese Ermittlungen können jedoch (falls erforderlich) auch noch im Rechtsbehelfsverfahren getroffen werden.
2. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit der angefochtene (zusammenfassende) Steuerbescheid ein Berichtigungsbescheid i. S. des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO ist und inwieweit er als Erstbescheid verbunden mit einem Wiederholungsbescheid zu beurteilen ist. Auch insoweit, als letzteres anzunehmen ist (das FG meint, dies sei insoweit der Fall, als einzelne Kommanditisten ihre Kommanditeinlagen bereits bei Gründung Ende 1970 geleistet und 1971 dadurch eine weitere Steuer ausgelöst hätten, daß sie die Darlehensvaluta einzahlten), steht es der Wirksamkeit des Steuerbescheids nicht entgegen, daß er in vollem Umfang auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt worden ist. Denn durch diese Vorschrift wird der Erlaß eines Berichtigungsbescheides von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht; die Voraussetzungen für den Erlaß eines Erstbescheides müssen gleichwohl vorliegen. Liegen sowohl die Voraussetzungen für den Erlaß eines Erstbescheides als auch die Voraussetzungen für den Erlaß eines Berichtigungsbescheides vor, so ist es nicht fehlerhaft, wenn ein (zusammenfassender) Steuerbescheid, der nur zum Teil ein Berichtigungsbescheid ist, in vollem Umfang als Berichtigungsbescheid bezeichnet wird.
Soweit in dem von der Klägerin erwähnten Senatsurteil vom 29. Mai 1974 II 53/64 (BFHE 113, 69, BStBl II 1974, 697) zur Grunderwerbsteuer die Auffassung vertreten wird, daß weitere Grunderwerbsteuerfälle nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 nicht durch einen "Berichtigungsbescheid" zu einem zwei Grunderwerbsteuerfälle erfassenden Steuerbescheid, sondern nur durch einen weiteren Erstbescheid erfaßt werden können, hält der Senat an dieser Aussage in dieser Allgemeinheit nicht mehr fest. Die seinerzeit getroffene Aussage ist auf den damals entschiedenen Fall zu begrenzen, in dem das Klageverfahren zur Überprüfung des ursprünglichen Steuerbescheides bereits in die Revisionsinstanz gelangt war, ehe das FA eine "Berichtigung" vornahm.
3. Die Auffassung des FG, daß die Steuer in der vom FA festgesetzten Höhe entstanden sei, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Wegen der Besteuerung der Darlehensvaluta als Teil der Pflichtleistungen wird auf die Urteile des Senats vom 21. Juli 1976 II R 192/72 (BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4) und II R 66/74 (BFHE 120, 73, BStBl II 1977, 6) und auf die inzwischen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Bedeutung dieser Frage bei Publikumskommanditgesellschaften hingewiesen (vgl. die Urteile vom 28. November 1977 II ZR 235/75, BGHZ 70, 61 , und vom 17. Mai 1982 II ZR 16/81, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 2253, mit Anmerkung von Karsten Schmidt).
Gesellschaftsrechtlich sind die getroffenen Abmachungen dahin zu würdigen, daß nicht nur die eigentliche Kommanditeinlage, sondern auch die Gesellschafterdarlehen Eigenkapitalcharakter haben (vgl. die angeführten Urteile des BGH).
Die "Darlehen" wurden für die Dauer der Kommanditbeteiligung gewährt. Die Kommanditisten verzichteten auf die Inanspruchnahme der Klägerin als persönlich haftender Gesellschafterin. Sie begaben sich damit auch hinsichtlich ihrer Darlehensforderungen in die Rechtsstellung eines Gesellschafters, der wegen seines Auseinandersetzungsanspruches bzw. wegen eines Abschichtungsanspruches ebenfalls keinen Anspruch gegen den persönlich haftenden Gesellschafter hat. Hinzu kommt, daß die Verzinsung der "Darlehen" letztlich vom Geschäftsergebnis abhängig war. Nur bei Vorhandensein ausreichender flüssiger Mittel konnte eine Verzinsung verlangt werden. Dies alles gebietet es, die Zahlungen der "Darlehensvaluta" durch die Kommanditisten als Teil der Gegenleistung für den ersten Erwerb der Kommanditanteile bzw. als Pflichtleistung i. S. des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 i. V. m. § 8 Nr. 2 KVStG 1959 zu beurteilen.
Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Senats vom 21. Oktober 1969 II 210/65 (BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736), durch das der Senat ausgesprochen hat, daß die Gewährung von Darlehen durch einen Kommanditisten an eine KG, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kommanditgesellschaft gehört, nicht gemäß § 3 Abs. 1 KVStG 1959 der Gesellschaftsteuer unterlag. Der Senat hat damals die Anwendung dieser Vorschrift, deren Zweck in der Bekämpfung von Steuerumgehungen lag, auf Darlehen an eine GmbH & Co. KG (trotz Vorliegens des Gesetzeszweckes) deshalb verneint, weil Wortlaut und Wortsinn des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 eine Anwendung auf derartige Darlehen nicht zuließen. Dies konnte jedoch nicht bedeuten, daß damit der Anwendungsbereich des § 2 KVStG 1959 eingeschränkt und die Anwendung des § 6 StAnpG zu verneinen war. Beiden Vorschriften kam vielmehr nach Wegfall des Ersatztatbestandes des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 eine gesteigerte Bedeutung zu. Da § 3 Abs. 1 KVStG 1959 nur dann anwendbar war, wenn die Voraussetzungen des § 2 KVStG 1959 nicht vorlagen, mußte nach dem Ergehen des Senatsurteils in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 notwendig geprüft werden, ob nicht bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen an eine GmbH & Co. KG die Voraussetzungen des § 2 KVStG 1959 oder des § 6 StAnpG vorlagen.
Eine andere Auffassung wäre nur dann denkbar, wenn die Nichtanwendung des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 auf eine GmbH & Co. KG auf systematische Gründe zurückzuführen gewesen wäre. Das aber war nicht der Fall.
Rechtliche Bedenken, den § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 auch auf Leistungen der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG anzuwenden, bestehen nicht (vgl. u. a. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Oktober 1969 II 141/65, BFHE 97, 320, BStBl II 1970, 99; in BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719, und in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4). Eine sinnvolle Anwendung des KVStG im Bereich des § 6 Abs. 1 Nr. 4 ist nur dann denkbar, wenn sie zumindest die Nrn. 1 und 2 des § 2 Abs. 1 KVStG 1959 umfaßt.
Eine Verletzung des § 8 Nr. 2 KVStG 1959 ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu die Ausführungen in BFHE 120, 70, 72 ff., BStBl II 1977, 4).
4. Soweit der angefochtene Bescheid ein Berichtigungsbescheid ist, ist er vom FA zu Recht auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt worden. Bei Erlaß des ersten Bescheides vom 22. September 1971 wußte das FA zwar aufgrund einer Mitteilung der Klägerin, daß die Kommanditisten auch Gesellschafterdarlehen gewährt hatten. Die näheren Umstände der Darlehensgewährung konnten aus dieser Mitteilung aber nicht entnommen werden. Eine Beurteilung der Darlehen als Pflichtleistungen i. S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und damit als Teil der Gegenleistung für den Erwerb der Kommanditanteile war deshalb (noch) nicht möglich. Erst die durch die Mitteilung der Betriebsprüfungsstelle im Jahre 1975 bekanntgewordenen näheren Darlehensbedingungen ließen eine entsprechende Beurteilung zu. Diese neuen Tatsachen rechtfertigen deshalb eine Berichtigung der Steuerfestsetzung.
Ohne Bedeutung ist es, ob sich die näheren Einzelheiten der Darlehensgewährung etwa aus den von der Veranlagungsstelle geführten Steuerakten ergaben. Denn jeder Stelle ist nur das bekannt, was sich aus den von ihr geführten Akten ergibt (vgl. das BFH-Urteil vom 6. April 1971 VI R 161/67, BFHE 102, 343, BStBl II 1971, 610). Etwas anderes ist auch nicht dem Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82 (BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548) zu entnehmen. Dort ist nur darüber entschieden worden, daß das Wissen der Veranlagungsstelle ggf. der Rechtsmittelstelle zuzurechnen ist. Für das Verhältnis der Veranlagungsstelle zur Kapitalverkehrsteuerstelle kann daraus nichts hergeleitet werden.
Die besonderen Voraussetzungen, unter denen trotz des Bekanntwerdens neuer Tatsachen eine Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO im Einzelfall deshalb unzulässig ist, weil das FA von seinen Ermittlungsbefugnissen keinen zureichenden Gebrauch gemacht hat, liegen nicht vor. Auch wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, daß die eingereichte Gesellschafterliste, aus der sich die Kommanditeinlagen und die Gesellschafterdarlehen ergaben, das FA hätten veranlassen können und müssen, die näheren Bedingungen der Darlehensgewährung durch die Gesellschafter zu ermitteln, so ergibt die erforderliche Abwägung des Verhaltens der Klägerin und des FA, daß das FA durch Treu und Glauben nicht. gehindert war, die erste Steuerfestsetzung wegen des Bekanntwerdens neuer Tatsachen zu berichtigen. Auf die Unterlassung von Ermittlungen seitens des FA kann sich nur berufen, wer seiner Pflicht nachgekommen ist, dem FA im Rahmen des Zumutbaren die wesentlichen Tatsachen darzulegen (vgl. das Urteil vom 20. Januar 1959 I 155/57 U, BFHE 68, 581, BStBl III 1959, 221). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht erfüllt.
Die Klägerin war nach §§ 4, 5 der Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung (KVStDV) verpflichtet, die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge anzumelden. Diese Verpflichtung hat die Klägerin zwar insofern erfüllt, als sie (nach Aufforderung durch das FA) den Gesellschaftsvertrag sowie eine Gesellschafterliste vorlegte, aus der sich auch die Tatsache der Darlehensgewährung ergab. Nach Sachlage hätte die Klägerin aber auch die nähere Ausgestaltung der Darlehen mitteilen müssen. Denn erst durch diese Angaben wäre das FA instand gesetzt worden, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es sich lediglich um Darlehen auf einer allgemein schuldrechtlichen Grundlage handelte oder um "Darlehen", die im Gesellschaftsverhältnis begründet und damit als Pflichteinlagen zu beurteilen waren.
Wenn es in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Frage eines Verschuldens der Klägerin ankommt, so durfte die Klägerin bei dieser Sachlage gleichwohl nicht davon ausgehen, daß die Darlehensgewährung seitens der Kommanditisten an die KG gesellschaftsteuerrechtlich unbeachtlich war. Denn das schon erwähnte Urteil des Senats in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 enthielt zwar die Aussage, daß § 3 Abs. 1 KVStG 1959 auf Darlehen an eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar war. Es lag aber angesichts des besonderen Charakters des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 als einer die Steuerumgehung bekämpfenden Vorschrift die Schlußfolgerung nahe, daß die Funktion dieser Vorschrift dann durch die allgemeine Vorschrift des § 6 StAnpG ersetzt werden mußte. Das galt vor allem für den vorliegenden Fall, in dem die Darlehensgewährung auf das engste mit der Kommanditbeteiligung verbunden war. Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, daß das FA die relevanten Tatsachen schon früher hätte feststellen können, wenn es sofort Ermittlungen angestellt hätte. Es muß ihr entgegengehalten werden, daß sie diese Tatsachen dem FA auch schon früher hätte vortragen können und müssen.
Die Klägerin meint, daß eine Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO deshalb nicht vorgenommen werden könne, weil das FA auch bei voller Kenntnis des Sachverhalts die Gesellschafterdarlehen nicht zur Gesellschaftsteuer herangezogen hätte. Diesem Einwand ist nicht zuzustimmen. Trotz des Senatsurteils in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 lag die Überlegung nahe, daß angesichts der besonderen Umstände der Darlehensgewährung ein Fall des § 6 StAnpG hätte angenommen werden müssen, wie dies auch nach der Betriebsprüfung geschehen ist. Es kommt hierbei nicht auf den Nachweis an, was der zuständige Bearbeiter des FA getan hätte, sondern darauf, was die Finanzverwaltung bei verständiger Würdigung der Rechtslage und bei voller Kenntnis der Dinge getan hätte. Der erkennende Senat hat keinen Zweifel, daß die Verwaltung bei voller Kenntnis aller Umstände zumindest einen Fall des § 6 StAnpG für gegeben gehalten hätte. Er wird in dieser Auffassung bestärkt durch den Geschehensablauf in der Sache in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4. Dort hat das FA offensichtlich von Anfang an in einem ähnlichen Falle eine Steuerumgehung i. S. des § 6 StAnpG angenommen. Deshalb kann nicht als feststehend angenommen werden, daß das FA die Darlehen bei Kenntnis aller Umstände nicht berücksichtigt hätte (vgl. hierzu auch das BFH-Urteil vom 13. April 1972 IV R 27/70, BFHE 105, 445, BStBl II 1972, 648).
Für das FG bestand unter diesen Umständen keine Veranlassung, Ermittlungen darüber anzustellen, welche Rechtsauffassung zu diesen Fragen vom FA bei Erlaß des Erstbescheides vertreten wurde.
5. Auf § 222 Abs. 2 AO kann sich die Klägerin nicht stützen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Durch das Urteil in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 wurde keine Rechtsfrage im Gegensatz zum Urteil in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 entschieden. Das Urteil in BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736 legte nur fest, daß § 3 Abs. 1 KVStG 1959 auf Darlehen an eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar sei. Es enthielt keine Aussage über die Abgrenzung des Haupttatbestands des § 2 KVStG 1959 zu dem nicht (mehr) anwendbaren Ergänzungstatbestand des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 und auch keine Aussage über eine etwaige Nichtanwendung des § 6 StAnpG. Diese offenen Fragen wurden erst durch das Urteil in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 geklärt. Es mußte aber auch vorher schon damit gerechnet werden, daß der Senat in diesem Sinne entscheiden könnte. Im übrigen konnte sich das FA bei Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids vom 13. Oktober 1975 überhaupt noch nicht auf das Urteil in BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4 stützen, wie dies für die Anwendung des § 222 Abs. 2 AO erforderlich gewesen wäre, weil dieses Urteil erst am 21. Juli 1976 erlassen und erst Monate später veröffentlicht wurde.
1) Die Zahlen sind verändert worden.