Normen
§ 22 Nr. 3 EStG
Tatbestand:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 1970 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Die Kommanditgesellschaft (KG), an der der Schwager des Klägers und die Klägerin als Gesellschafter (die Klägerin als Kommanditistin) beteiligt waren, wollte im Jahr 1970 erhebliche Investitionen in A durchführen. Der Kläger, dem dies bekanntgeworden war, wies deshalb seinen Schwager auf die Investitionsgesellschaft (IG) hin und erkundigte sich in der Folgezeit nach dem Verlauf der Angelegenheit. Die KG führte über eine GmbH, an der die Klägerin ebenfalls beteiligt war, mit der Hilfe der IG Investitionen in Höhe von mehreren Millionen DM durch. Später überwies die IG dem Kläger einen Betrag von 100 000 DM. Der Kläger stellte hierüber eine auf den 16. März 1970 datierte Empfangsbestätigung aus, in der es u.a. heißt: "Hiermit bestätige ich den Empfang der vereinbarten Summe von DM 100 000,-- (Einhunderttausend Deutsche Mark) die Sie mir für Provision auszahlten." In einem Steuerstrafverfahren sagte der Kläger als Zeuge u. a. aus, er habe seinen Schwager "veranlaßt", die Investitionen über die IG durchzuführen. Die Formulierung "vereinbarte ... Provision" in der Empfangsbestätigung vom 16. März 1970 halte er nicht für zutreffend; da ihm der Umfang der Investitionen nicht bekanntgewesen sei, habe er mit der IG die Höhe einer angemessenen Provision nicht vereinbaren können.
Die Kläger gaben den Betrag von 100 000 DM in ihrer Einkommensteuererklärung für 1970, in der sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen erklärten, nicht an.
Als dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) die Zahlung der 100 000 DM an den Kläger bekanntgeworden war, änderte er die Einkommensteuerfestsetzung 1970 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und unterwarf diesen Betrag als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.
Der Einspruch der Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 13. September 1977 blieb ebenso erfolglos wie die Klage. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner Entscheidung aus:
Der Kläger habe das Geld für eine Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhalten. Allein die Unterrichtung des Schwagers über die IG durch den Kläger sei unter den gegebenen Umständen als Leistung i. S. dieser Vorschrift anzusehen. Das FG könne es deshalb dahingestellt sein lassen, ob der Kläger über die Information hinaus seinen Schwager geradezu "veranlaßt" habe, "seine diesbezüglichen Investitionen über die IG zu tätigen", wie es in der Zeugenaussage des Klägers in dem Steuerstrafverfahren heiße. Es könne ferner offenbleiben, ob der Kläger -- wie sein Prozeßbevollmächtigter vorgetragen habe -- der IG die Investitionsbereitschaft des Schwagers mitgeteilt oder ob der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung betont habe, ausschließlich mit seinem Schwager in Verbindung gestanden habe.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der Begriff der Leistung weit auszulegen und umfasse jedes Tun, Unterlassen und Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein könne und um des Entgelts willen erbracht werde. Danach falle auch die Weitergabe einer Information über eine Investitionsgesellschaft an einen zur Investition entschlossenen Unternehmer unter den Begriff der Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG. Das müsse im Streitfall um so mehr gelten, als nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Weitergabe der Information auf das Zustandekommen eines Leistungsaustauschs zwischen dem Empfänger der Information und der IG abgezielt habe, also der in § 22 Nr. 3 EStG als Beispiel genannten gelegentlichen Vermittlung zumindest sehr nahegekommen sei. Die Zahlung der 100 000 DM sei das von der IG entrichtete Entgelt für das Verhalten des Klägers gewesen, das zum Geschäft zwischen der KG bzw. der GmbH einerseits und der IG andererseits geführt habe. Dementsprechend habe sich die IG vom Kläger die Empfangsbestätigung vom 16. März 1970 ausstellen lassen, die zumindest insoweit trotz der gegen ihren Wortlaut erhobenen Einwendungen des Klägers ihren Beweiswert behalte. Der Kläger habe nach seinem eigenen Vorbringen die Zahlung als für seine Dienste geleistet in Empfang genommen und behalten und den Betrag auch nicht für unangemessen hoch gehalten. Die in der Empfangsbestätigung enthaltenen Worte "vereinbarte Summe" und "Provision" könne der Kläger nicht widerrufen, indem er geltend mache, eine derartige Vereinbarung niemals getroffen zu haben. Es könne dahingestellt bleiben, ob das in dieser Weise zutreffe. Denn die Rechtsprechung des BFH könne nach Ansicht des FG nicht dahin verstanden werden, daß nur dann von Einkünften i. S. von § 22 Nr. 3 EStG die Rede sein könne, wenn Art und Umfang der Vergütung vor Erbringen der Leistung vereinbart worden seien. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb es für die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG nicht ausreichen solle, daß -- was unstreitig sei -- der Kläger und die IG sich darüber einig gewesen seien, daß der nach beider Auffassung angemessene Betrag für die Leistung des Klägers bezahlt worden sei.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 3 EStG) und machen geltend:
Die Zahlung von 100 000 DM an den Kläger für die Weitergabe eines zufällig erlangten Wissens an den Schwager falle unter keine der Einkunftsarten des EStG. Das FG habe den Begriff der Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 EStG zu weit ausgelegt, wenn es die bloße Unterrichtung des Schwagers über die IG durch den Kläger als eine derartige Leistung ansehe. Das FG Düsseldorf habe in einem rechtskräftigen Urteil vom 21. August 1968 VIII 401/67 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1969, 120) entschieden, daß Leistungen i. S. des § 22 Nr. 3 EStG nur dann vorlägen, wenn die Leistungen wirtschaftlich einer der übrigen in § 2 Abs. 3 EStG aufgeführten Tatbestände entsprächen, ohne daß formell alle Voraussetzungen erfüllt seien. An einer derartigen wirtschaftlichen Entsprechung fehle es aber bei einem Hinweis, in dem lediglich das zufällig erlangte Wissen von Umständen mitgeteilt werde, zumal wenn keinerlei Tätigkeit des Hinweisgebers erforderlich und dieser sich nicht einmal der Möglichkeit eines finanziellen Vorteils bewußt gewesen sei. Der Betrag falle auch deshalb nicht unter den § 22 Nr. 3 EStG, weil dieser von Einkünften aus Leistungen spreche, während der Kläger nur einmal und ohne Wiederholungsabsicht tätig geworden sei. Jedenfalls habe der Kläger den Hinweis an seinen Schwager nicht um des Entgelts willen weitergeleitet. Die Formulierungen "vereinbarte Summe" und "für Provision" in der Empfangsbestätigung stammten nicht vom Kläger und seien von diesem unbedacht unterschrieben worden. Im Streitfall habe überhaupt keine Vereinbarung über eine Vergütung für die "Leistung" des Klägers vorgelegen. Der Kläger habe auch nicht damit gerechnet, und erst recht habe er seinen Hinweis nicht im Hinblick auf eine Vergütung gegeben. Der Umstand, daß ihm nachträglich die Zuwendung, die er als Anerkennung und Versuch, ihn gewogen zu halten, gedeutet habe, unter Berücksichtigung des Umfangs der Investitionen als angemessen erschienen sei, lasse keine Rückschlüsse darauf zu, daß ihm von vornherein eine bestimmte Summe vorgeschwebt habe bzw. sogar eine Vereinbarung darüber getroffen worden sei. Der Kläger habe entgegen der Würdigung des FG auch kein Interesse an dem Zustandekommen der Geschäftsverbindung zwischen seinem Schwager, der KG und der IG gehabt.
Entscheidungsgründe
Einkünfte aus Leistungen unterliegen als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 3 EStG), soweit sie weder zu den anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i. S. des § 22 Nr. 1 oder 2 EStG gehören. Das FG ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die umstrittene Einnahme weder zu den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb noch zu einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Nr. 1, 3 bis 6 EStG oder zu den Einkünften i. S. des § 22 Nr. 1 und 2 EStG gehört.
Sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich handelt, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 25. September 1979 VIII R 34/78, BFHE 129, 128, BStBl II 1980, 114, und vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298, mit Rechtsprechungshinweisen).
1. Zu Recht hat das FG angenommen, daß auch eine einmalige Leistung den Tatbestand dieser Bestimmung erfüllen kann (BFH-Urteil vom 26. April 1977 VIII R 2/75, BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 18 EStG Anm. 145; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 22 Anm. IX 1; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 31 d und 32 c). Entgegen der Auffassung der Kläger läßt sich dem Wort "Leistungen" in § 22 Nr. 3 EStG nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Formulierung lediglich eine Vielzahl von möglichen und -- abgesehen von den aufgeführten Beispielsfällen -- im Gesetz im einzelnen nicht näher bestimmten Leistungen der Einkommensteuer unterwerfen, nicht jedoch das Entgelt für eine einmalige Leistung, die im übrigen die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, von der Besteuerung freistellen (vgl. amtliche Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925, RT-Drucks. III/795, S. 24 f., 59).
2. Durch die Weitergabe der Information über die IG an einen Interessenten hat der Kläger auch eine Tätigkeit entfaltet, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann. Es ist denkbar, daß Firmen für die bloße Weitergabe von Informationen an interessierte Dritte, aufgrund derer es zu Geschäftsabschlüssen mit dem Dritten kommt, ein Entgelt zahlen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die IG dem Kläger tatsächlich für die Weitergabe der Information 100 000 DM gezahlt hat.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist es unerheblich, ob der Kläger die Information über die IG zufällig erlangt hat. Für die Annahme einer Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 EStG kommt es nicht darauf an, ob diese mit oder ohne Mühe erbracht wird und ob eine daraus resultierende Einnahme wirtschaftlich gerechtfertigt ist (Keuk, Der Betrieb 1972, 1130, 1131, Ii. Sp.). Ebenso ist es unbeachtlich, ob die Voraussetzungen für die Erbringung einer Leistung mit oder ohne Mühe erlangt werden. Die Leistung selbst braucht auch nicht wirtschaftlicher Art zu sein (BFH-Urteile vom 17. April 1970 VI R 164/68, BFHE 99, 200, BStBl II 1970, 620, und vom 28. November 1969 VI R 128/68, BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185).
3. Der Kläger hat die Information über die IG auch um des Entgelts willen weitergegeben.
Für die Annahme, jemand habe um des Entgelts willen gehandelt, genügt es, wenn demjenigen, der die Tätigkeit entfaltet hat, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann, für diese Tätigkeit nachträglich ein Entgelt gewährt wird (anderer Ansicht Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, § 41 Anm. 6), wenn also die Zahlung des Entgelts durch die Leistung ausgelöst wird. Dies gilt zumindest dann, wenn -- wie im Streitfall -- der Leistende und der Zahlende, dem die Leistung zugute gekommen ist, übereinstimmend davon ausgehen, daß die Leistung angemessen vergütet worden ist. In einem derartigen Fall ist, wie bei den anderen Einkunftsarten, der Tatbestand eines auf Einkommens- und Vermögensmehrung durch Leistungsaustausch gerichteten wirtschaftlichen Verhaltens erfüllt.