BFH

BFHII R 93/7326.11.1980

Amtlicher Leitsatz:

Werden zwei Aktiengesellschaften unter Ausgabe neuer Aktien der übernehmenden Gesellschaft miteinander verschmolzen und gehören zum Vermögen der übertragenden Gesellschaft Wertpapiere, so unterliegt die Verschmelzung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 der Börsenumsatzsteuer. Der Senat hält an seinem Urteil vom 13. Februar 1980 II R 21/78 (BFHE 130, 191, BStBl II 1980, 376) fest.

Normen

§ 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959
§§ 339 ff. AktG 1965

FG Köln

 

Tatbestand:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloß am 16. Oktober 1969 mit einer anderen AG einen notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag gemäß § 339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 340 und 341 des Aktiengesetzes (AktG) 1965, wonach sie das Vermögen der AG übernahm. Nachdem beide Hauptversammlungen der Verschmelzung zugestimmt hatten, wurde diese am 28. Januar 1970 im Handelsregister eingetragen. Zur Durchführung der Verschmelzung wurde das Grundkapital der Klägerin erhöht. Die Klägerin gab neue Aktien im Nennwert von... DM aus.

Zum Vermögen der AG gehörten Wertpapiere. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erhob Börsenumsatzsteuer mit der Begründung, durch die Verschmelzung seien diese Wertpapiere auf die Klägerin übertragen worden.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf .

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Steueranspruch folgt dem Grunde nach aus 18 Abs. 2 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959.

Der Verschmelzungsvertrag zwischen der AG und der Klägerin ist ein Geschäft, das i. S. der genannten Vorschrift das Einbringen von Wertpapieren in die Klägerin als Kapitalgesellschaft zum Gegenstand hatte. Die Aktionäre der übertragenden und untergehenden AG brachten im Wege der Verschmelzung die Wertpapiere, die zum Vermögen der übertragenden AG gehörten, gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an der Klägerin in diese ein. Unter dem "Einbringen" von Gegenständen sind vor allem Vermögensübertragungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gegen Gewährung neuer Gesellschaftsrechte zu verstehen. Dabei macht es für die Anwendung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 keinen Unterschied, ob die Gegenstände einzeln auf die Gesellschaft übertragen werden oder im Wege der Verschmelzung und damit der Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergehen. Schon nach den dem § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1955/59 sowie 1934 vorangegangenen Vorschriften wurde der Übergang von Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als "Einbringen" verstanden. Es ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1934 und 1955/59 hiervon abweichende Vorstellungen gehabt hat. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1980 II R 21/78 (BFHE 130, 191, BStBl II 1980, 376) ausgeführt. Er hält nach erneuter Überprüfung an diesem Urteil fest.

a) Entsprechend seinem Sinn und Zweck, den Kapitalverkehr in Form der Übertragung bestimmter, in einem gewissen Grade fungibler vermögenswerter Rechte zu besteuern, erfaßt § 18 KVStG 1959 sämtliche Arten einer solchen Übertragung, also auch diejenige durch Verschmelzung nach den §§ 339 ff. AktG 1965. Sinn und Zweck des Gesetzes gebieten demnach insoweit keine einschränkende Auslegung des § 18 KVStG 1959. Demzufolge ging auch § 10 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) 1957 (BGBl 1957, 1713, BStBl I 1957, 468) davon aus, daß der Übergang von Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Börsenumsatzsteuer auslöst. Erkennbar ist lediglich, daß mit dem erwähnten Kapitalverkehr nur freiwillige Übertragungen gemeint sein können und die Versteuerung zwangsweise geschehener Vorgänge daher ausscheidet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juni 1959 II 192/58 S, BFHE 69, 422, BStBl III 1959, 420).

b) Der Wortlaut des Gesetzes deckt seinen vorgenannten Sinn und Zweck, soweit es um die Übertragung von Wertpapieren durch Verschmelzung geht.

Der Begriff des Einbringens, welchen § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 verwendet, läßt sich nicht für alle Rechtsgebiete einheitlich abgrenzen. Zwar wird er vielfach als Umschreibung der Sacheinlage verwendet. Zwingend ist diese Definition jedoch nicht. In dem Urteil in BFHE 130 191 BStBl II 1980, 376 hat der Senat ausgeführt, daß im Bereich des Verkehrsteuerrechts auch die Übertragung durch Verschmelzung als "Ein bringen" zu verstehen ist. Das rechtfertigt sich daraus, daß die Verschmelzung nur technisch eigenständig, funktionell dagegen nichts anderes ist als die Einbringung. Ihrer Funktion nach ist sie lediglich eine vereinfachte Form der Übertragung der Vermögenswerte einer Gesellschaft. Als Institution verdankt sie ihre Existenz dem Umstand, daß die Übertragung eines größeren Gesellschaftsvermögens in Form der Übereignung sämtlicher einzelner beweglicher Gegenstände und Grundstücke, Abtretung von Forderungen und Übernahme von Verbindlichkeiten bei notwendiger Genehmigung der jeweiligen Gläubiger (§ 415 Abs. 1 BGB) in der Praxis nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten durchzuführen ist. Als Lösung dieser Schwierigkeiten bot sich der Vermögensübergang im ganzen kraft Gesetzes an.

Die Klägerin meint zu Unrecht, wenn die frühere Rechtsprechung die Verschmelzung nach § 306 HGB als Einbringen angesehen habe, so könne das nicht auf die Verschmelzung gemäß den §§ 339 ff. AktG 1965 übertragen werden. Erstere sei als Unterfall der Auflösung und Liquidation (§§ 292 ff. HGB) geregelt gewesen; letztere sei dagegen erstmals im Aktiengesetz 1937 als eigenständiges Rechtsinstitut neu geregelt worden. Auf diesen Unterschied in der technischen Ausgestaltung kommt es indes nicht an. Entscheidend ist, daß beide Verschmelzungen die Funktion hatten bzw. haben, die Einzelübertragung des gesamten Vermögens einer Gesellschaft zu ersetzen. Die umfassende Neuregelung in den §§ 233 ff. AktG 1937 gegenüber den §§ 303 ff. HGB hatte ihren Grund lediglich darin, daß die bisherige Regelung sich als unzulänglich erwiesen hatte und demgemäß erweitert wurde.

2. Die nicht spruchreife Sache geht zurück an das FG, damit dieses den Besteuerungsmaßstab ermittelt. Dabei ist zu beachten, daß die Steuer erst mit dem Vermögensübergang entstanden ist (§ 346 Abs. 3 AktG 1965), weil erst in diesem Zeitpunkt feststand, welche Wertpapiere eingebracht worden sind.

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