Normen
§ 10 GrEStG 1940
§ 11 GrEStG 1940
Tatbestand:
Das Stammkapital der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 29. Juli 1971 von bisher 500 000 DM um 200 000 DM auf 700 000 DM erhöht. Während die beiden Gesellschafter A X und Y Z neue Stammeinlagen von je 24 000 DM gegen Barleistungen in gleicher Höhe übernahmen, übernahm der minderjährige Gesellschafter B X eine neue Stammeinlage in Höhe von 152 000 DM, auf die er ein Grundstück im Einheitswert von 8 100 DM einzubringen hatte. B X wurde durch einen Pfleger vertreten. Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung wurde am 9. September 1971 erteilt und die übrigen Gesellschafter spätestens am 5. Oktober 1971 davon unterrichtet. Die neuen Stammeinlagen sollten bereits am Gewinn des laufenden Geschäftsjahres teilnehmen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte wegen der Grundstückseinbringung gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer im Gesamtbetrag von 25 900,80 DM nach dem Wert der Gegenleistung fest. Diesen errechnete das FA entsprechend dem gemeinen Wert der GmbH-Anteile von 284 DM für 100 DM Nennkapital, den es nach den Grundsätzen über die Anteilsbewertung für die Vermögensteuer auf den 31. Dezember 1970 ermittelte. Die nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobene Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf 486 DM entsprechend dem Einheitswert als Besteuerungsgrundlage begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Hilfsweise beantragt sie, die Grunderwerbsteuer auf 9 120 DM (6 v. H. von 152 000 DM) oder auf 11 987 DM (6 v. H. von 199 788,80 DM) herabzusetzen. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die im Kapitalerhöhungsbeschluß und der Übernahmeerklärung durch B X liegende Verpflichtung, das Grundstück in die Klägerin einzubringen, unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer ist, weil die Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 GrEStG nicht vorliegen, aus der Gegenleistung zu berechnen. Das Grunderwerbsteuergesetz 1940 ist zwar, worauf auch die Klägerin hinweist, von dem für das bürgerliche Recht maßgebenden Begriff der Gegenleistung ausgegangen (vgl. Gesetzesbegründung RStBl 1940, 387, 405). Es hat aber diesen zivilrechtlichen Begriff der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung nicht zugrunde gelegt, sondern einen eigenständigen Gegenleistungsbegriff entwickelt (vgl. z. B. § 11 Abs. 1 Nrn. 3, 4 und 7). Durch die Verwendung des Ausdrucks "Als Gegenleistung gilt" in § 11 GrEStG ist nicht etwa eine auf den jeweiligen Aussagebereich beschränkte Fiktion aufgestellt worden, sondern eine Legaldefinition der Erweiterung des grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht (vgl. die Urteile des Senats vom 17. September 1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126, und vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671), und der kein synallagmatisches Austauschverhältnis im engeren Sinne voraussetzt. § 11 Abs. 1 GrEStG 1940 beschränkt sich lediglich darauf, die Gegenleistung für die wichtigsten Erwerbsvorgänge genauer zu umschreiben (Gesetzesbegründung RStBl 1940, 387, 406). Die Aufzählung rechtfertigt nicht den Schluß, daß in nicht aufgeführten Fällen keine Gegenleistung vorhanden wäre; § 11 Abs. 1 GrEStG ist vielmehr auch auf Fälle anzuwenden, die in der Aufzählung nicht ausdrücklich enthalten sind (vgl. BFH-Entscheidung vom 25. Juli 1979 II R 55/76, BFHE 128, 476, 477, BStBl II 1979, 692). Unabhängig davon, ob bei der Übernahme einer auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlage unter gleichzeitiger Begründung der Sacheinlageverpflichtung (§§ 55, 56 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) zivilrechtlich von einer Gegenleistung gesprochen werden kann, ist grunderwerbsteuerrechtlich davon auszugehen, daß die Gewährung von Gesellschaftsrechten die Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG 1940) für die Einbringung eines Grundstückes in eine Kapitalgesellschaft darstellt. Die Definitionen und Zurechnungen des § 11 GrEStG sind, wie aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu schließen ist, auch auf "Austauschvorgänge" im gesellschaftsrechtlichen Bereich anzuwenden. § 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ordnet an, daß die Grunderwerbsteuer 2 v. H. beträgt, soweit Grundstücke in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht werden (vgl. früher § 19a Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. d. F. der Notverordnung vom 1. Dezember 1930, RGBl 1930, 518, 586). Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung in BFHE 128, 476, BStBl II 1979, 692 ausgeführt hat, deutet die Verknüpfung des Einbringens eines Grundstücks mit der Gewährung von Gesellschaftsrechten durch das Wort "gegen" auf ein vom Gesetzgeber angenommenes Austauschverhältnis hin, das zur Bejahung des Vorliegens einer grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung führt, mögen die Gesellschaftsrechte auch aufgrund des Kapitalerhöhungsbeschlusses verbunden mit der Übernahmeerklärung dem Einbringenden zugestanden haben. Dies ergibt sich auch aus der Regierungsbegründung (RStBl 1940, 387, 409), wenn es dort heißt, daß ein Einbringungsvorgang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auch dann vorliege, wenn als Entgelt zum Teil Gesellschaftsrechte, zum Teil Gegenleistungen anderer Art gewährt würden.
2. Der Wert der Gegenleistung wird hiernach im Grundsatz durch den Wert des B X gewährten neuen Geschäftsanteils bestimmt (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), wobei für seine Bewertung § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 maßgebend ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Anwendung der Reichsabgabenordnung und anderer Abgabengesetze - AOAnwG Hessen -).
Dies gilt allerdings insoweit nicht, als der Wert des neuen Geschäftsanteils nicht auf die Einlageverpflichtung des B X zurückzuführen ist, sondern darauf, daß die alten Geschäftsanteile im Zuge der Kapitalerhöhung ihrerseits an Wert eingebüßt haben. Der Wert des neuen Geschäftsanteils B X's wäre insoweit nicht durch das Einbringen des Grundstückes, sondern durch Vermögensverschiebungen zwischen den alten Geschäftsanteilen und dem neuen Geschäftsanteil entstanden. In diesem Fall müßte der Wert des neuen Geschäftsanteils für die Bestimmung der Gegenleistung in angemessenem Umfang nach unten korrigiert werden.
Dieser Fall könnte z. B. dann vorliegen, wenn die alten Geschäftsanteile unmittelbar vor der Kapitalerhöhung einen erheblich über dem Nennwert liegenden Wert gehabt hätten, gleichwohl aber eine Kapitalerhöhung ohne Aufgeld unter Anrechnung des einzubringenden Grundstükkes mit seinem vollen Wert vorgenommen worden wäre. In einem solchen Falle könnte der Wert des neuen Geschäftsanteils erheblich über dem Wert des Grundstücks liegen. Andererseits würde der Wert der alten Geschäftsanteile durch eine derartige Kapitalerhöhung "verwässert" werden.
Würden alle Gesellschafter unter diesen Umständen zur Kapitalerhöhung im gleichen Ausmaß zugelassen werden, so würde sich die Wertverschiebung für jeden einzelnen Gesellschafter zwischen seinem alten Geschäftsanteil und dem neuen Geschäftsanteil ausgleichen. Es ist aber auch denkbar, daß auf diese Weise dem Übernehmer eines neuen Geschäftsanteils von den anderen Gesellschaftern - aus welchen Gründen auch immer - eine Zuwendung gemacht werden soll. Auch in diesem Fall würde der Wertgewinn des Übernehmers des neuen Geschäftsanteils nicht mit der Einbringung des Grundstücks im Zuge der Kapitalerhöhung zusammenhängen. Aus allem folgt, daß für die Ermittlung des Wertes der Gegenleistung der interne Wertgewinn des neuen Geschäftsanteils auszuscheiden ist.
Im Einzelfall wird durch Bewertung der alten Geschäftsanteile unmittelbar vor der Kapitalerhöhung und unmittelbar nach der Kapitalerhöhung festzustellen sein, inwieweit eine derartige Wertverschiebung zugunsten des neuen bzw. der neuen Geschäftsanteile stattgefunden hat. Soweit eine derartige Wertverschiebung auf den neuen Geschäftsanteil B X's entfällt, ist der Wert dieses Geschäftsanteils im Zeitpunkt seiner Entstehung für die Bestimmung der Gegenleistung entsprechend zu ermäßigen.