Normen
§ 4 Abs. 4 EStG
§ 12 Nr. 1 EStG
Tatbestand:
Streitig ist, ob Kosten für das Halten eines Hundes als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Die unverheiratete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den Streitjahren 1968 bis 1970 in X, einem Dorf im Kreis Y, als Ärztin tätig. Ihre Praxisräume befanden sich im eigenen Einfamilienhaus, das zu 27 v. H. Praxiszwecken diente. Die Klägerin hatte im April 1960 einen acht Wochen alten Airedaleterrier erworben und selbst zum Schutzhund ausgebildet. Sie war Mitglied eines Schäferhundvereins, an dessen Schutzhundübungen sie teilnahm. Eine Betriebsprüfung ergab, daß die Klägerin in den Streitjahren folgende Kosten für das Halten ihres Hundes als "sonstige Betriebskosten" geltend gemacht hatte:
1968 1969 1970
1 157 DM 807 DM 785 DM
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die geltend gemachten Beträge bei den Einkommensteuerveranlgungen für 1968, 1969 und 1970 nicht als Betriebsausgaben an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, die Einkommensteuer herabzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Begehren der Klägerin teilweise und wies die Klage im übrigen ab. Zur Begründung seiner Entscheidung (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 301 - EFG 1975, 301 -) führte es im wesentlichen aus: Die durch die Hundehaltung verursachten Kosten seien Betriebsausgaben; denn sie seien durch den Betrieb der Klägerin, nämlich ihre ärztliche Praxis, veranlaßt worden (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Sie habe überzeugend dargelegt, daß sie den Hund zu ihrem Schutz auf ihren beruflichen Fahrten durch das abgelegene Gebiet ihrer Landpraxis angeschafft habe, und zwar insbesondere für die abendlichen und nächtlichen Krankenbesuche. Der Annahme von Betriebsausgaben stehe nicht entgegen, daß die "Person" der Klägerin durch den Hund geschützt werde.
Die Einwendungen des FA, die auf § 12 Nr. 1 EStG und die zur Auslegung dieser Vorschrift vom Bundesfinanzhof - BFH - (Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) entwickelten Grundsätze gestützt seien, griffen nicht durch. Die Auslegung des § 12 Nr. 1 EStG als Aufteilungsverbot (BFH-Beschluß GrS 2/70) sei verfehlt; die Vorschrift bezwecke vielmehr die Abgrenzung betrieblich veranlaßter Aufwendungen von solchen Aufwendungen, die der Lebensführung dienten; deren Umfang sei nach allgemeinen Beweisregeln, notfalls im Schätzungswege nach § 217 der Reichsabgabenordnung (AO), zu ermitteln. Nach diesen Grundsätzen seien die Kosten der Hundehaltung in vollem Umfang als Betriebsausgaben abzusetzen. Andererseits sei es jedoch unausweichlich, daß die Klägerin auch privaten Nutzen aus der Existenz des Hundes ziehe. Es liege insoweit eine Entnahme durch Nutzung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG für betriebsfremde Zwecke vor, die auch im Rahmen der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sei (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., 1974, Tz. 972, 979 zu §§ 4, 5 EStG). Der Wert des betriebsfremden "Anteils" an den Kosten der Hundehaltung werde auf 1/4 der Gesamtkosten geschätzt. In dieser Höhe seien die Entnahmen dem Gewinn hinzuzurechnen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4 Abs. 4 und 12 Nr. 1 EStG. Es trägt vor, das FG setze den Begriff der Veranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG) rechtsirrtümlich gleich mit der Verursachung im Sinne der im Strafrecht geltenden Äquivalenztheorie. Die Auffassung des FG stehe im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 16. Februar 1970 VI R 254/68 (BFHE 99, 300, BStBl II 1970, 662). Die Kosten für einen Wachhund seien Kosten der Lebenshaltung. Es solle nicht verkannt werden, daß die Klägerin als Ärztin ein höheres Schutzbedürfnis habe als ein männlicher Kollege. Dieses Schutzbedürfnis beziehe sich jedoch nicht nur auf die Berufsausübung, sondern auch auf den privaten Bereich. Es sei auch nicht ersichtlich, wie das FG den betriebsfremden Nutzungsanteil in Höhe von 1/4 der Aufwendungen ermittelt habe. Jedoch ergebe sich schon aus der Höhe des Ansatzes, daß der Anteil, der die Lebensführung betreffe, nicht von untergeordneter Bedeutung sei. Da die Aufwendungen für den Hund auch der Lebensführung dienten, greife das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 EStG durch. Das FG sei zu Unrecht von den im Beschluß GrS 2/70 aufgestellten Grundsätzen über die Nichtabzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Lebensführung abgewichen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hält die Revision des FA für nicht begründet.
Entscheidungsgründe
1. Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Beruf (Betrieb) besteht (BFH-Urteil vom 6. Mai 1976 IV R 79/73, BFHE 119, 156 [157], BStBl II 1976, 560, mit Nachweisen). Nicht abzugsfähig sind Kosten der Lebensführung, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Dienen Aufwendungen des Steuerpflichtigen sowohl der Lebensführung als auch dem Beruf (Betrieb), so besteht nach der Rechtsprechung des BFH (z. B. Beschluß GrS 2/70), der der Senat sich anschließt, ein Aufteilungs- und Abzugsverbot. Solche gemischten Aufwendungen gehören grundsätzlich zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Hineinspielen der Lebensführung nicht ins Gewicht fällt und von ganz untergeordneter Bedeutung ist oder wenn sich der beruflich (betrieblich) veranlaßte Teil der Aufwendungen leicht und einwandfrei anhand von Unterlagen nach objektiven, nachprüfbaren Merkmalen von den nicht abziehbaren Kosten der Lebenshaltung trennen läßt. Das FG glaubt, diesen Grundsätzen zur Beurteilung gemischter Aufwendungen nicht beitreten zu können, und geht bei seiner Entscheidung allein von der Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG, die den Begriff der Betriebsausgaben bestimmt, aus. Dabei übersieht es, daß bei der Beurteilung gemischter Aufwendungen nicht nur die Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG, sondern auch diejenige des § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG zu beachten ist. In seinem Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77 (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) hat der Große Senat des BFH ausdrücklich an den dargestellten Auslegungsgrundsätzen festgehalten. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
2. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Er läßt offen, ob nicht schon der Zweck, den die Klägerin mit dem Halten des Hundes verfolgt, nämlich ihren persönlichen Schutz sicherzustellen, die Aufwendungen als in vollem Umfang privat veranlaßt erscheinen lassen müßte. Denn das FG hat Tatsachen festgestellt, aus denen zu schließen ist, daß das Halten des Hundes und die dadurch ausgelösten Kosten jedenfalls teilweise (zu 1/4) mit der Lebensführung der Klägerin zusammenhängen. Für gemischte Aufwendungen dieser Art wird das Abzugs- und Aufteilungsverbot nicht eingeschränkt.
a) Die vom FG im Schätzungsweg ermittelte private "Verwendung" des Hundes von 1/4 ist nicht von einer ganz untergeordneten Bedeutung. Es kann also nicht davon gesprochen werden, daß das Hineinspielen der privaten Lebensführung nicht ins Gewicht falle. Die Umstände des vorliegenden Falles liegen schon aus diesem Grunde anders als im Fall des BFH-Urteils vom 29. Januar 1960 VI 9/59 U (BFHE 70, 435, BStBl III, 1960, 163), in dem der BFH Hunde eines Revierförsters als Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG) beurteilt und die Aufwendungen für das Halten der Hunde demzufolge als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hatte.
b) Der beruflich (betrieblich) veranlaßte Teil der Aufwendungen läßt sich nicht leicht und einwandfrei anhand von Unterlagen nach objektiven, nachprüfbaren Merkmalen - gegebenenfalls im Weg der Schätzung - von den nicht abziehbaren Kosten der Lebenshaltung trennen. Der Schätzung des FG liegen keine objektiven, leicht nachprüfbaren Maßstäbe zugrunde. Es handelt sich vielmehr um eine griffweise Schätzung, die auf Angaben der Klägerin beruht. Unter diesen Voraussetzungen erscheint aber, wie der Große Senat im Beschluß GrS 2/70 ausdrücklich betont, eine Ausnahme vom Aufteilungs- und Abzugsverbot gemischter Aufwendungen nicht gerechtfertigt, weil das zu einer weitgehenden Nichtanwendung dieses gesetzlichen Verbots führen würde.
Die Klage war demzufolge abzuweisen.