Normen
§ 2 Abs. 1 Nr. 4c KVStG 1972
§ 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972
§ 8 Nr. 2 KVStG 1972
Tatbestand:
Seit Dezember 1971 ist an der Klägerin, einer seit längerer Zeit bestehenden KG, die "X GmbH & Co. KG" als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt. Kommanditist der Klägerin war u. a. seit Jahren der Kaufmann A. T. Neben den der Haftsumme entsprechenden festen Konten wurden für die Gesellschafter bewegliche Konten gführt. Dazu heißt es in § 6 des Gesellschaftsvertrages vom 15. Oktober 1970:
"Beträge, die den Gesellschaftern über ihre Kapitaleinlagen hinaus zustehen, oder die sie der Gesellschaft schulden, werden auf besonderen persönlichen Konten erfaßt."
Im Jahre 1972 sind die Guthaben der Kommanditisten auf den beweglichen Gesellschafterkonten nicht verzinst worden. Vereinbarungen über Verzinsung bzw. Nichtverzinsung liegen für diesen Zeitraum nicht vor. Die Nichtverzinsung der Gesellschafter-(Verrechnungs-)konten betrachtete das Finanzamt im Anschluß an eine Betriebsprüfung als gesellschaftsteuerpflichtige Leistung. Den Wert der Leistung des Gesellschafters A. T. errechnete es unter Zugrundelegung des konzernüblichen Zinssatzes von 6,5 v. H. auf 56 696 DM und setzte mit Bescheid vom 23. April 1975 gegen die Klägerin Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 133,90 DM fest.
Die unmittelbar beim Finanzgericht erhobene Klage (§ 45 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), mit der die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheides begehrt, hat das Finanzgericht abgewiesen. Es ist der Ansicht, die unverzinsliche Belassung des Verrechnungsguthabens durch A. T. unterliege der Gesellschaftsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 c des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972; es sei davon auszugehen, die Gesellschafter hätten entweder ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, daß etwaige Guthaben unverzinslich stehenblieben oder daß die Gesellschafter das Problem der Verzinslichkeit überhaupt nicht bedacht hätten. In jedem Fall sei der Klägerin ein beträchtliches Guthaben zinslos zur Verfügung gestellt worden. Forderungsverzicht liege nicht vor, weil keine Rechtsgrundlage für das Entstehen eines gesetzlichen Zinsanspruches erkennbar sei.
Mit der vom Finanzgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Das Finanzamt beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 unterliegen unter anderem folgende freiwilligen Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer unter der Voraussetzung, daß die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen: der Verzicht auf Forderungen (Buchst. b der Vorschrift) und die Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung (Buchst. c der Vorschrift). Als Kapitalgesellschaften gelten auch Kommanditgesellschaften, zu deren perönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 KVStG 1972 - z. B. eine GmbH - gehören sowie Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern - wie im vorliegenden Falle - eine als Kapitalgesellschaft geltende Kommanditgesellschaft (sog. doppelstöckige GmbH & Co. KG) gehört (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972). Eine Leistung ist im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG dann freiwillig, wenn sie nicht auf einer im Gesellschaftsverhältnis oder im Gesetz verankerten Verpflichtung beruht (Urteil des Senats vom 2. April 1952 II 12/52 U, BFHE 56, 384, BStBl III 1952, 150; so auch schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7. Dezember 1926 II A 475/26, RStBl 1927, 71).
1. a) Steht einem Gesellschafter gegenüber der Kapitalgesellschaft im kapitalverkehrsteuerrechtlichen Sinne eine Forderung zu, so kann in der Belassung des Kapitals zur Nutzung, sofern der Gesellschafter nicht kraft Gesellschaftsvertrags dazu verpflichtet ist, dann eine freiwillige Leistung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zu sehen sein, wenn entweder der Gesellschafter auf den kraft Gesetzes oder Vertrags entstandenen Zinsanspruch verzichtet oder aber durch vorherige Vereinbarung der Zinslosigkeit die Entstehung eines Zinsanspruchs verhindert wird. Im ersteren Fall handelt es sich um einen Forderungsverzicht, im letzteren Fall stellt der Gesellschafter Vermögenswerte - die Nutzung des Kapitals - der Gesellschaft zur Verfügung, ohne Entgelt zu fordern. Der Gesellschafter leistet dadurch, daß er die Verzinsung einer ihm zustehenden Forderung nicht verlangt und überläßt damit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 c KVStG 1972 der Gesellschaft Gegenstände zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung. Es handelt sich um eine zinslose Kreditierung der Gesellschaft, bei der der Auszahlungsanspruch kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals ist.
b) Sowohl der Verzicht auf entstandene Zinsen als auch die Vereinbarung der Unverzinslichkeit haben als Geldleistung bzw. geldwerte Leistung grundsätzlich die Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. In diesem Zusammenhang besteht kein Unterschied zwischen den echten (geborenen) Kapitalgesellschaften und den Gesellschaften, die nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 als Kapitalgesellschaften gelten. Die nichtrechtsfähige Personenvereinigung ist allerdings - anders als die rechtsfähige - im Verhältnis zu ihren Mitgliedern keine andere Person, sondern mit ihren Mitgliedern identisch. Jedoch wird auch bei den personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen verselbständigt, und zwar als Sondervermögen. Gesamthand und juristische Person sind Zurechnungsformen, die die Bindung des Vermögens an einen bestimmten Zweck garantieren sollen, wenn auch dieses Ergebnis durch unterschiedliche organisatorische Mittel erreicht wird. Das zweckgebundene Sondervermögen repräsentiert sich im Wert aller Gesellschaftsrechte. Verzichtet ein Gesellschafter auf Ansprüche gegen dieses Sondervermögen oder überläßt er der Gesellschaft zum Sondervermögen einen Gegenstand zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung und sei es auch nur zur Nutzung, so sind derartige Leistungen für sich gesehen und aus sich heraus geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Wertmindernde Umstände können dem nur entgegengesetzt werden, soweit sie in dem gleichen Vertrag ihren Grund haben, der auch die Leistungsverpflichtung des Gesellschafters enthält. Ob andere, davon unabhängige Faktoren die tatsächliche oder mögliche Wertsteigerung der Gesellschaftsrechte wieder aufzehren, ist, da das Gesetz mit den Leistungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 seinem System entsprechend Einzeltatbestände und nicht bestimmte Ergebnisse besteuert, unerheblich (vgl. Urteile vom 12. April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714, und vom 5. Februar 1975 II R 202/72, BFHE 115, 144, BStBl II 1975, 415). Der Gewinnanspruch ist kein Äquivalent für die durch die Leistung möglicherweise eintretende Wertsteigerung. Insoweit gilt für den Kommanditisten nichts anderes als für den Alleingesellschafter einer AG oder GmbH: der Umstand, daß das Ergebnis der Kapitalgesellschaft ihm alleine zugute kommt, steht der Eignung einer Leistung an die Kapitalgesellschaft, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, nicht entgegen.
2. a) Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß das persönliche Konto des Gesellschafters ein Verrechnungskonto über gegenseitige Forderungen darstellt, also ein (unechtes) Kontokorrentverhältnis zwischen der Klägerin und A. T. bestand. Soweit Guthaben auf diesem Konto standen, also der Gesellschafter der Klägerin die Nutzung des Kapitals überließ, kommt diesem Guthaben Darlehenscharakter zu.
Das Finanzgericht konnte sich auch damit begnügen, die Bewirkung der Leistung, die tatsächliche Kapitalnutzung ohne Gegenleistung, als ausschlaggebend anzusprechen. Steuergegenstand ist bei § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 nicht die Verpflichtung zur Leistung, sondern die Bewirkung der Leistung selbst (Urteile vom 17. Februar 1954 II 135/53 U, BFHE 58, 531, BStBl II 1954, 114, und vom 21. Dezember 1962 II 52/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2, Rechtsspruch 40). Da das Finanzgericht (ungerügt) festgestellt hat, daß A. T. nicht kraft Gesetzes ein Zinsanspruch zustand, hat es auch zu Recht das Vorliegen des Tatbestands des forderungsverzichts (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 b KVStG) - sei es als Verzicht auf entstandene oder als Verzicht auf künftig entstehende Zinsansprüche - verneint. Wird bei einem derartigen Verrechnungsverhältnis mit schwankenden Beträgen die Verzinslichkeit dadurch stillschweigend ausgeschlossen, daß keine Vereinbarungen über die Verzinslichkeit getroffen werden, kann die Leistung erst bewirkt sein, wenn sich im regelmäßigen Abschlußzeitpunkt für das Verrechnungskonto erweist, daß die gegenseitigen Leistungen nicht ausgeglichen waren, also der Gesellschafter die Gesellschaft in bestimmtem Umfang kreditiert hat. Mangels besonderer Vereinbarungen ist in Anlehnung an § 355 Abs. 2 HGB, § 608 BGB maßgebend der Zeitraum von einem Jahr. Die Leistung, die bewirkt worden ist, besteht darin, daß der Gesellschafter die Verzinsung des zu seinen Gunsten bestehenden Jahresdruchschnittssaldos nicht verlangt. Auch eine vorherige (ausdrückliche) Vereinbarung der Unverzinslichkeit, die notwendig erst bei Bestehen eines Guthabens Leistungscharakter erlangen könnte, erweist sich erst dann als endgültig bewirkte Leistung.
b) Nach § 8 Nr. 2 KVStG 1972 ist die Steuer vom Wert der Leistung zu berechnen. Da kein Zinsanspruch kraft Gesetzes bestand und auch vertraglich nicht begründet, sondern ausgeschlossen wurde, ist der Wert der Leistung zu schätzen (§ 217 der Reichsabgabenordnung, § 162 der Abgabenordnung). Ausgangspunkt für die Schätzung muß sein, welchen Wert die Leistung für den Leistenden hat, weil es dem Gesellschaftsteuerrecht immanent ist, die Zuführung von Kapital und damit die Stärkung der Kapitalkraft von außen durch den Gesellschafter zu besteuern. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 stellt dementsprechend auch nicht auf eine tatsächlich eingetretene Werterhöhung der Gesellschaftsrechte ab und beschränkt damit auch nicht den Tatbestand auf deren Ausmaß, sondern erhebt nur die abstrakte Eignung der Leistung zur Werterhöhung zum Tatbestandsmerkmal. Die Leistung des Gesellschafters kann keinen höheren Wert haben als den Wert der Zinsen, die der leistende Gesellschafter bei anderweitiger Anlage zu sonst gleichen Konditionen hätte erhalten können. Unter diesem Gesichtspunkt scheint die vom Finanzgericht vorgenommene Schätzung in Anlehnung an den konzernüblichen Zinssatz als rechtlich möglich.