Normen
§ 19 Abs. 1 BerlinFG
§ 19 Abs. 2 BerlinFG
§ 93 BGB
§ 94 Abs. 2 BGB
Tatbestand:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben in Berlin (West) in gemieteten Räumen eine Rechtsanwalts- und Notariatspraxis. Für zwei Räume der im obersten (sechsten) Stockwerk eines Hauses gelegenen Praxis schafften sie im Jahr 1972 je ein Klimagerät an, für das sie nach § 19 Abs. 1 und 2 BerlinFG Investitionszulagen begehren. Es handelt sich um zweiteilige Geräte, von denen ein Teil innerhalb des Raumes auf einem Wandregal steht, während das dazugehörige Aggregat auf dem darüberliegenden Flachdach mit Schrauben befestigt ist. Die Geräte sind mit Leitungen und Röhren für Wasser- und Kühlflüssigkeit miteinander verbunden, die durch eine Öffnung im Mauerwerk von ca. 5 cm Durchmesser geführt sind. Die Kläger haben geltend gemacht, daß die Räume (Bibliothek und Konferenzzimmer sowie ein Anwaltszimmer) im Sommer wegen der Sonneneinstrahlung ohne Klimageräte nicht benutzbar seien. Der Mietvertrag mit dem Eigentümer läuft bis 1979. Im Fall einer Kündigung beabsichtigen die Kläger, die Klimageräte mitzunehmen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat ausgehend von Anschaffungskosten von 4 362,34 DM und Installationskosten von 1 028,16 DM durch Bescheid vom 29. August 1973 insoweit zunächst Investitionszulagen von 539,09 DM gewährt. Nach Durchführung einer Nachschau im Betrieb der Kläger hat er durch Bescheid vom 23. Oktober 1974 den Betrag jedoch wieder zurückgefordert. Das FA stellte sich auf den Standpunkt, daß die Klimageräte keine beweglichen Wirtschaftsgüter seien, weil sie weder die Eigenschaft von Scheinbestandteilen noch von Betriebsvorrichtungen hätten.
Auch die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG sah in seiner in EFG 1975, 454, veröffentlichten Entscheidung die Klimageräte als wesentliche Gebäudebestandteile nach § 94 Abs. 2 BGB an, weil sie zur Herstellung in das Gebäude eingefügt seien. Die Annahme von Scheinbestandteilen oder Betriebsvorrichtungen lehnte es ab.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie machen unter Berufung auf Entscheidungen der Zivilgerichte geltend, daß die Klimageräte nicht zur Herstellung in das Gebäude eingefügt worden seien bzw. daß es sich um Scheinbestandteile oder Betriebsvorrichtungen handle.
Die Kläger beantragen, das Urteil der Vorinstanz vom 19. Februar 1975 und den Rückforderungsbescheid des FA vom 23. Oktober 1974 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Streitig ist allein die Frage, ob die Klimageräte trotz ihrer Verbindung mit dem Gebäude bewegliche Wirtschaftsgüter geblieben sind. Die übrigen Voraussetzungen, die nach § 19 Abs. 1 und 2 BerlinFG für die Gewährung von Investitionszulagen erfüllt sein müssen, liegen vor.
1. Bei der Auslegung des Begriffs "bewegliches Wirtschaftsgut" orientiert sich die Rechtsprechung am Einkommensteuerrecht (§§ 6 Abs. 2 und 7 EStG), das seinerseits auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die wesentlichen Gebäudebestandteile und Scheinbestandteile (§§ 93 ff. BGB) und auf über die Betriebsvorrichtungen (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965) zurückgreift (vgl. Urteile des BFH vom 24. November 1970 VI R 143/69, BFHE 100, 562, BStBl II 1971, 157, und vom 29. Oktober 1974 VIII R 159/70, BFHE 113, 489, BStBl II 1975, 68). In diesem Zusammenhang können auch die Grundsätze des Großen Senats in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) über den Begriff des Gebäudes und seine selbständigen und unselbständigen Gebäudebestandteile im Bilanzsteuerrecht von Bedeutung sein. Diese Entscheidung ist zwar in erster Linie zu der Frage der selbständigen Bilanzierung und (schnelleren) Abschreibung von Gebäudebestandteilen ergangen. Dabei wird aber für den Begriff des Gebäudes (und der zu ihm gehörenden unselbständigen Gebäudebestandteile) auf den einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang abgestellt. Ist dieser für einzelne Gebäudebestandteile zu bejahen, so dürfte damit in aller Regel feststehen, daß es sich dabei auch bürgerlich-rechtlich um Bestandteile handelt, die nach der Verkehrsauffassung "zur Herstellung des Gebäudes eingefügt" sind (§ 94 Abs. 2 BGB).
2. Der Senat hat in seinem Urteil vom 28. November 1975 III R 156/73 (BFHE 117, 521, BStBl II 1976, 200) das von einem Zahnarzt in die Außenmauer seines Behandlungszimmers eingebaute Klimagerät nicht als wesentlichen Gebäudebestandteil, sondern als Zubehör zu dem Behandlungsraum angesehen, mit dem es räumlich und funktionell im Zusammenhang stand. Das Klimagerät wurde deshalb als bewegliches Wirtschaftsgut angesehen, für das eine Investitionszulage gewährt wurde. An dieser Entscheidung hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest.
3. Das FA scheint der Auffassung zu sein, daß die Klimageräte schon deshalb keine beweglichen Wirtschaftsgüter sind, weil sie weder Scheinbestandteile (§ 95 BGB) noch Betriebsvorrichtungen sind. Diese Auffassung wäre unrichtig. Die Geräte sind bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie durch die Verbindung mit dem Gebäude nicht dessen wesentliche Bestandteile nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB geworden sind. § 94 Abs. 1 BGB spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da die Klimageräte nicht mit dem Grund und Boden, sondern mit dem Gebäude verbunden sind, ein Sachverhalt, der von § 94 Abs. 2 BGB geregelt wird. Erst wenn feststeht, daß eine Sache (Wirtschaftsgut) nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden ist, kann sie steuerlich (z. T. auch bürgerlich-rechtlich) trotzdem ein bewegliches Wirtschaftsgut sein, wenn es sich im Einzelfall um einen Scheinbestandteil oder eine Betriebsvorrichtung handelt.
4. Die einzelnen Teile der Klimageräte sieht der Senat als eine Sacheinheit an. Die Geräte sind nicht nach § 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden, weil sie voneinander getrennt werden können, ohne daß die Geräte oder das Gebäude zerstört oder in ihrem Wesen verändert würden.
5. a) Die Geräte sind entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht zur Herstellung des Gebäudes eingefügt worden (§ 94 Abs. 2 BGB). Dem steht an sich nicht entgegen, daß sie nicht in den Baukörper selbst an eine für sie bestimmte Stelle eingepaßt worden sind, sondern nur technisch mit dem Gebäude verbunden sind (vgl. Urteil des BGH vom 25. Oktober 1961 V ZR 30/60, BGHZ 36, 46). "Zur Herstellung" des Gebäudes eingefügt bedeutet, daß durch den Gegenstand das Gebäude zu dem wird, was es darstellen soll. Danach gehört zu den wesentlichen Bestandteilen im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB nicht nur, was zur Herstellung eines jeden Gebäudes notwendig ist, sondern auch, was dem betreffenden Gebäude ein bestimmtes Gepräge, seine besondere Eigenart gibt. Ob das der Fall ist, muß nach den Anschauungen des Verkehrs über Wesen, Zweck und Beschaffenheit desjenigen Gebäudes beurteilt werden, dem die Sache eingefügt ist (vgl. BGH-Urteil vom 13. März 1970 V ZR 71/67, BGHZ 53, 324 ).
b) Nach diesen Grundsätzen beurteilt die Zivilrechtsprechung Zentralheizungen infolge der Entwicklung der heutigen Heiztechnik und wegen der Anforderung an neuzeitliche Wohnverhältnisse als wesentliche Grundstücksbestandteile nach § 94 Abs. 2 BGB (BGH-Urteil V ZR 71/67). Damit stimmt die Steuerrechtsprechung überein, die Heizungsanlagen wegen ihres einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs zum Gebäude und nicht etwa zu einer in dem Gebäude betriebenen gewerblichen Tätigkeit rechnet (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. März 1975 IV R 16/72, BFHE 116, 112, BStBl II 1975, 689).
c) Für Klimageräte der hier vorliegenden Art gilt etwas Ähnliches nicht. Weder das Gebäude noch die Praxisräume der Kläger sind durch die Geräte zu dem geworden, was sie darstellen sollen. Das waren sie vielmehr vorher schon. Daß durch die Geräte eine bessere Nutzung in den Sommermonaten möglich ist, reicht allein nicht aus. Das FG scheint zu seiner Auffassung auch nur gekommen zu sein, weil die Kläger vorgetragen haben, bei heißem Wetter seien die beiden Räume ohne Klimageräte nicht nutzbar gewesen. Diese Ausführungen können jedoch nur so verstanden werden, daß die Klimageräte den Aufenthalt während der Sommermonate unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Kläger und der von ihnen zu erbringenden geistigen Tätigkeit angenehmer gestaltet haben. Den Darlegungen der Kläger kann aber nicht entnommen werden, daß eine Benutzung der Räume in der heißen Jahreszeit überhaupt nicht möglich gewesen sei. Für die übrige Zeit des Jahres würde eine solche Annahme ohnehin nicht zutreffen.
Sind somit die Klimageräte durch ihre Verbindung mit dem Gebäude nicht dessen wesentliche Bestandteile geworden, kommt es nicht mehr darauf an, ob sie möglicherweise unter dem Gesichtspunkt des Scheinbestandteils oder der Betriebsvorrichtung bewegliche Wirtschaftsgüter geblieben sind. Das FA konnte somit die Investitionszulagen von den Klägern nicht zurückzufordern.