Normen
§ 6 StAnpG
DBA-Schweiz 1931
Tatbestand:
Streitig ist, ob Erträge einer GmbH mit Sitz in der Schweiz dem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter unmittelbar im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen und im Inland zu versteuern sind.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der seinen Wohnsitz im Inland hat, ist im Inland Eigentümer umfangreicher Grundstücke. Er betreibt eine Brauerei und in der Rechtsform einer GmbH ein ...werk. Außerdem ist er an einigen GmbH beteiligt und besitzt ein umfangreiches Wertpapiervermögen. Er hat auch in Österreich Grundbesitz. Dem Kläger gehören ferner in der Schweiz ein seit Jahrzehnten im Familienbesitz befindliches Hotel, ein Miethaus - bis 1968 - und eine Villa. 1962 gründeten der Kläger und seine Ehefrau die C-GmbH mit Sitz in der Schweiz. Nach den Statuten waren Zweck der Gesellschaft Beteiligungen und die Verwaltung von Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften, die Finanzierung von solchen Gesellschaften sowie der An- und Verkauf von Wertschriften jeder Art, schließlich Erwerb und Veräußerung von Immobilien. Geschäftsführer war ein Schweizer, der auch noch für über 50 andere Firmen als Geschäftsführer, Verwaltungsrat u. ä. beschäftigt war.
Der Kläger hielt 1 780 000 sfr, seine Ehefrau 20 000 sfr des Stammkapitals der C-GmbH. Das Stammkapital wurde zunächst mit dem Kredit einer Schweizer Bank aufgebracht. Danach kaufte die GmbH vom Kläger und dessen Ehefrau Wertpapiere in Höhe von 1 680 000 DM zum Nominalwert. Danach wurde der Kredit zurückgezahlt. Die Wertpapiere wurden bei einer Schweizer Bank deponiert.
Die Geschäftstätigkeit der C-GmbH beschränkte sich 1963 auf die Verwaltung der erworbenen Wertpapiere; dabei wurde ein Gewinn von 212 226 sfr erzielt. 1968 pachtete die GmbH das in der Schweiz gelegene Hotel des Klägers und kaufte das dort gelegene Miethaus des Klägers.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (FA) zu der Auffassung, die Gründung der C-GmbH und die Übertragung der Wertpapiere stellten einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i. S. von § 6 StAnpG dar. Die GmbH habe sich auf das Halten von Vermögen beschränkt. Sie sei allein gegründet worden, um Vermögen und Erträge daraus der deutschen Besteuerung zu entziehen. Die von der GmbH erzielten Einkünfte müßten deshalb dem Kläger unmittelbar als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet werden.
Das FA ermittelte unter Gegenüberstellung der Einnahmen und der ohne ein Bestehen der GmbH angefallenen Betriebsausgaben für 1963 Einkünfte von 285 750 DM, rechnete diese dem Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage in seiner in EFG 1973, 254, veröffentlichten Entscheidung statt.
Mit der Revision des FA werden Verfahrensfehler - unzureichende Sachaufklärung und fehlerhafte Beweiswürdigung - sowie unrichtige Anwendung der § 6, § 11 Nr. 3 StAnpG gerügt.
Entscheidungsgründe
1. Die Wertpapiererträge der schweizerischen GmbH sind dem Kläger entsprechend seinem Gesellschaftsanteil zuzurechnen und im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen der inländischen Besteuerung zu unterwerfen.
a) Eine Zurechnung ist allerdings - entgegen der Meinung des FA - nicht unter der Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und der C-GmbH möglich.
Wie in dem Urteil des BFH vom 29. Januar 1975 I R 135/70 (BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553) ausgesprochen wurde, kann eine Kapitalgesellschaft ihr Gesellschaftsvermögen, soweit es zur Erhaltung ihres Nennkapitals erforderlich ist, nicht als Treuhänder der Gesellschafter halten. Nur in Ausnahmefällen kann angenommen werden, daß der Gesellschaftsvertrag zum Schein geschlossen und ein Treuhandverhältnis dadurch verdeckt wird.
Der vorliegende Fall gestattet es nicht, hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens der C-GmbH im Umfange ihres Stammkapitals ein Treuhandverhältnis anzunehmen. Der Streitfall bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesellschaftsvertrag zum Schein abgeschlossen wurde. Ein Scheingeschäft i. S. von § 5 Abs. 1 StAnpG kann bei der Errichtung von Kapitalgesellschaften als sog. Basisgesellschaften im Ausland in Fällen der hier in Rede stehenden Art schwerlich angenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695). Den Gründern geht es in der Regel um eine zivilrechtlich gültige Gestaltung, weil sie die Gesellschaft - sei es nur zu steuerlichen Zwecken - in ihre Geschäftsbeziehungen einschalten wollen. Bei den Gegebenheiten des Falles konnte das FG deshalb auch zutreffend eine Scheingründung verneinen.
b) Die Wertpapiererträge der C-GmbH müssen jedoch dem Kläger wegen einer Steuerumgehung zugerechnet werden.
aa) Eine Steuerumgehung und damit ein Rechtsmißbrauch i. S. von § 6 StAnpG liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, und wenn hierdurch ein steuerlicher Erfolg erreicht wird, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung beachtender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1966 II 113/61, BFHE 86, 396, BStBl III 1966, 509). Basisgesellschaften im niedrig besteuerten Ausland erfüllen den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird (vgl. BFH-Urteil I R 135/70). Die Frage, ob Basisgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH und mit Sitz in der Schweiz wegen Rechtsmißbrauchs nicht anzuerkennen sind, ist auch unter der Geltung des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern und der Erbschaftsteuer vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz a. F. - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006) nach deutschem Steuerrecht zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1976 I R 234/73, BFHE 118, 553, BStBl II 1976, 513). Die Bejahung eines Rechtsmißbrauchs verstößt dann - entgegen der Meinung des Klägers - weder gegen das Abkommen vom 15. Juli 1931 noch gegen Art. 3 GG.
Ob für die Errichtung von Basisgesellschaften wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen, ist nicht allein nach dem in den Statuten niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben der Gründer zu entscheiden, der Gesellschaftszweck muß tatsächlich vollzogen werden, die behaupteten Gründe müssen durch wirtschaftliches Handeln der Organe nach Errichtung der Gesellschaft in Erscheinung treten (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1976 III R 92/74, BFHE 118, 277, BStBl II 1976, 401).
Ein Fehlen wirtschaftlicher Gründe bei der Gründung einer Basisgesellschaft als GmbH mit Sitz in der Schweiz wurde zum Beispiel verneint bei der Errichtung einer solchen Kapitalgesellschaft als Spitze eines weltweit aufzubauenden Konzerns (vgl. BFH-Urteil I R 135/70). Zu den beachtlichen wirtschaftlichen Gründen gehört es nach Auffassung des Senats auch, wenn eine solche Basisgesellschaft im Basisland und/oder in Drittländern und im Inland Beteiligungen von einigem Gewicht erwerben soll. Fehlen wirtschaftliche Gründe dieser Art, dann sind als sonst beachtliche Gründe nur solche anzuerkennen, welche die Wahl des Sitzes und der Rechtsform gerade in diesem Fall rechtfertigen; läßt sich die Wahl nur mit der Absicht der Steuerersparnis erklären, dann mangelt es auch an sonst beachtlichen Gründen.
Für die Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit genügt es nicht, wenn die Basisgesellschaft lediglich das Stammkapital hält; Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz a. F. steht dem nicht entgegen, weil eine nur der Rechtsform nach existierende Gesellschaft ohne eigene wirtschaftliche Tätigkeit kein Unternehmen betreibt (vgl. BFH-Urteil III R 92/74). Es reicht nach Auffassung des Senats auch nicht aus, daß die Basisgesellschaft sich neben dem Halten ihres Nennkapitals darauf beschränkt, mit diesem Kapital oder mit zusätzlichen Darlehensmitteln eines Gesellschafters angeschaffte Wertpapiere zu halten, selbst wenn dies mit einer gewissen Verwaltungstätigkeit verbunden ist, jedenfalls solange nicht, als diese sich in der üblichen Form der Verwaltung eines Wertpapiervermögens mit dem Erteilen von Bankaufträgen, der Veränderung des Wertpapierbestandes je nach der Kursentwicklung und mit dem gelegentlichen Tätigen von Spekulationsgeschäften erschöpft. Wirtschaftliche Betätigung in dem hier verstandenen und für die Ausschließung des Rechtsmißbrauchs notwendigen Sinne erfordert vielmehr eine über den Rahmen der Vermögenshaltung hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wie sie sonst auch zur Annahme einer gewerblichen Betätigung notwendig ist. Eine andere Beurteilung ist indessen geboten, wenn derart beschränkte Tätigkeiten nur von vorübergehender Dauer sind und gleichzeitig vorbereitende und später auch zum Erfolg führende Maßnahmen zum Erwerb von Beteiligungen mit einigem Gewicht im Basisland und/oder in Drittländern und im Inland durchgeführt werden. Läßt sich bei Berücksichtigung aller Umstände des Falles feststellen, daß diese Maßnahmen in einem angemessenen zeitlichen und wirtschaftlich vernünftigen Zusammenhang mit der Errichtung der Gesellschaft stehen, dann ist auch das Merkmal einer eigenen wirtschaftlichen Betätigung gegeben. Dabei wird es im Einzelfall auch von der Größenordnung der in Aussicht genommenen und ernsthaft verfolgten Beteiligung abhängen, ob ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang aller Maßnahmen zu bejahen ist.
bb) Mit diesen Grundsätzen steht die Vorentscheidung nicht im Einklang, wenn sie einen Rechtsmißbrauch mit der Begründung verneint hat, der Kläger habe für die Wahl der Rechtsform der GmbH beachtliche außersteuerliche Gründe dargelegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesellschaftszweck, wie er in den Statuten der GmbH niedergelegt wurde, einen wirtschaftlich beachtlichen Grund für die Errichtung der Gesellschaft abgeben könnte. Offenbleiben kann auch, ob als sonst beachtlicher Grund für die Wahl einer GmbH mit Sitz in der Schweiz ausreichen kann, daß der Kläger seinen Grundbesitz in der Schweiz sichern und sein Vermögen im Hinblick auf eine künftige Erbregelung sowie wegen der Lage eines Teils seines Vermögens in Grenznähe sichern wollte, obwohl es zur Vermögensverlagerung in die Schweiz nicht der Errichtung einer GmbH und zur festeren Vermögensbindung für die Erben keiner Vermögensverlagerung in das Ausland bedurfte. Der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs ist bereits deshalb erfüllt, weil die C-GmbH keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet hat. Diese Frage ist zwar vom FG nicht geprüft worden. Die Feststellungen des FG, wenn auch zum Teil in einem anderen Zusammenhang getroffen, lassen aber nur die Annahme zu, daß die C-GmbH sich nicht durch Handeln ihrer Organe am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat. Es wurde nichts dafür festgestellt, daß die Absicht, Beteiligungen an schweizerischen Firmen zu erwerben, auch einer Verwirklichung nähergebracht wurde. Aus diesen Feststellungen ergibt sich vielmehr, daß die Gesellschaft sich in den ersten Jahren nach ihrer Gründung darauf beschränkte, einen Teil des Wertpapiervermögens des Klägers zu übernehmen und dieses zu halten. Damit erschöpfte sich die Tätigkeit der Gesellschaft im bloßen Halten und der damit verbundenen Verwaltungstätigkeit von Vermögenswerten in Form des Stammkapitals, wobei die Verwaltungstätigkeit noch weitestgehend von der Bank erbracht wurde, bei der die Wertpapiere deponiert waren. Was an sonstigen Tätigkeiten vorgesehen war, tatsächlich aber nicht durchgeführt wurde, ist unerheblich. Ohne Einfluß auf die Beurteilung, daß die Gesellschaft sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligte, ist der spätere Erwerb des Mietshauses und die Pachtung eines Hotelbetriebs. Diese Vorgänge haben sich erst mehr als fünf Jahre nach der Errichtung der Gesellschaft und fünf Jahre nach dem Streitjahr ereignet. Da sie nach der eigenen Erklärung des Klägers auch nicht von Anfang an vorgesehen waren, können sie nicht als in einem engen Zusammenhang mit der im Streitjahr ausgeübten Vermögenshaltung stehend angesehen werden. Ob für spätere Jahre eine andere Entscheidung möglich ist, ist hier nicht zu entscheiden.
An der für das Streitjahr maßgebenden Beurteilung ändern auch die für den Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Ausführungen nichts. Unzutreffend sind diese Ausführungen, soweit in ihnen eine Bindung des BFH an Feststellungen des FG angenommen wird. Abgesehen davon, daß- wie bereits erörtert - die Frage nach den Gründen für die Errichtung der Gesellschaft wegen des Fehlens einer wirtschaftlichen Betätigung offenbleiben kann, verkennt der Kläger den Unterschied zwischen Tatsachenfeststellung - nur hierbei kann eine Bindung eintreten - und rechtlicher Beurteilung. In den Bereich der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung gehört die Frage, welche Gründe für die Errichtung der Basisgesellschaft vorlagen. Ob diese Gründe beachtlich sind oder nicht, erfordert eine rechtliche Beurteilung, hier im Rahmen der Auslegung des § 6 Abs. 1 StAnpG. Unbeachtlich sind auch die Ausführungen des Klägers über einen zweiten Wohnsitz in der Schweiz und darüber, daß die Basisgesellschaft die Tätigkeiten von Investmentgesellschaften ausgeübt habe. Selbst wenn der Kläger neben seinem inländischen noch einen Wohnsitz in der Schweiz hatte - das FG ist nach Beweisaufnahme zu der gegenteiligen Annahme gelangt -, würde das nichts daran ändern, daß die Gesellschaft nicht wirtschaftlich tätig war. Ob Investmentgesellschaften eine wirtschaftliche Betätigung in dem hier erforderlichen Sinne entfalten, bedarf keiner Entscheidung. Zum einen entsprach die C-GmbH nicht den gesetzlichen Vorschriften über Kapitalanlagegesellschaften. Zum andern war sie auch nicht in der Art einer Investmentgesellschaft tätig; denn nach den Feststellungen des FG lag der Zweck der Gesellschaft zunächst darin, mit fungiblen Wertpapieren ausgestattet gute Beteiligungen an schweizerischen Firmen ausfindig zu machen und einzugehen. Ebenfalls unbeachtlich sind die Ausführungen über eine steuerliche Belastung nach Inkrafttreten des Außensteuergesetzes ab Anfang 1972. Im Streitfall ist über die Verhältnisse des Jahres 1963 zu entscheiden. Es ist offenkundig und der Kläger räumt selbst ein, daß vor Inkrafttreten des Außensteuergesetzes und unter der Geltung des Abkommens vom 15. Juli 1931 durch die Errichtung einer GmbH in der Schweiz eine Steuerersparnis zu erreichen war.
2. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsüberlegungen ausging und darauf beruht, war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat, was von seinem Standpunkt aus nicht erforderlich war, keine Feststellungen zur Höhe der dem Kläger zuzurechnenden und von diesem zu versteuernden Einkünfte aus dessen Beteiligung an der C-GmbH getroffen. Dies ist erforderlich, weil die vom FA ermittelten Einkünfte dem Umfange nach vom Kläger bestritten werden. Die Streitsache geht deshalb an das FG zurück, das diese Feststellungen nachholen und erneut entscheiden muß.