Normen
§ 95 BewG 1965
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Buchverleger. Er schloß mit Buchgemeinschaften Lizenzverträge ab. Diese berechtigten die Buchgemeinschaften, innerhalb einer bestimmten Zeit (meistens drei Jahre) Lizenzausgaben von Werken zu veranstalten, an denen dem Kläger das Verlagsrecht zusteht. Die Buchgemeinschaften zahlten als Vergütung einen bestimmten Betrag je Exemplar. Sie garantierten außerdem eine Mindestauflage. Die Leistungen für die garantierte Mindestauflage wurden meistens in der Weise bewirkt, daß eine Teilzahlung bei Vertragsabschluß, eine weitere Teilzahlung bei Erscheinen der Lizenzausgabe und die letzte Teilzahlung sechs Monate nach Erscheinen der Lizenzausgabe gezahlt wurde. Im übrigen wurden die verkauften Exemplare jeweils entsprechend dem Verkauf innerhalb eines bestimmten Zeitraums abgerechnet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erfaßte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Klägers zum 1. Januar 1967, 1. Januar 1968 und 1. Januar 1969 die abgezinsten Forderungen auf die Lizenzgebühren für die jeweils garantierten Mindestauflagen. Die Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide, mit denen der Kläger dem Ansatz der Mindestlizenzforderungen entgegentrat, waren erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Revision des Klägers rügt, das FG habe zu Unrecht angenommen, mit dem Abschluß der Lizenzverträge sei eine bewertungsrechtlich zu erfassende Forderung entstanden. Für die steuerrechtliche Beurteilung, ob eine Forderung aus dem Lizenzvertrag anzusetzen sei, komme es auf die Art des Vertrages an. Die von ihm abgeschlossenen Lizenzverträge wiesen wesensähnliche Merkmale zur Pacht auf. Unstreitig würde bei einem Pachtvertrag die Pachtforderung nicht als Vermögensgegenstand erfaßt, vielmehr erhöhten erst die laufenden Pachteinnahmen das Betriebsvermögen. Auch die vom Kläger geschlossenen Verträge begründeten, ähnlich wie ein Pachtverhältnis, ein Nutzungsrecht, durch das im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses dem Lizenzgeber das Recht zur zeitlich befristeten Auswertung des Verlagsrechts überlassen werde. Das FG gehe fehl, wenn es diesen Verträgen einen kaufähnlichen Charakter beimesse. Mit der Behauptung der Vorinstanz, daß durch diese Verträge ein dingliches Recht übertragen werde, könne nicht begründet werden, daß ein Kaufvertrag abgeschlossen sei. Denn der wirtschaftliche Inhalt dieser Verträge, auf den es für die Besteuerung ankomme, sei nicht auf Veräußerung eines Rechts gerichtet, sondern auf zeitweise Nutzung eines Rechts in bestimmter Hinsicht. Für die Annahme eines Rechtskaufs fehle es am endgültigen Verbleiben eines abgespaltenen Rechts beim Lizenznehmer.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert des Betriebsvermögens jeweils um die angesetzten Lizenzgebühren herabzusetzen.
Entscheidungsgründe
1. Nach §§ 2, 95 BewG 1965 gehören zum Betriebsvermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem gewerblichen Betrieb als Hauptzweck dienen. Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch Rechte, wie z. B. Forderungen. Eine Forderung ist als Wirtschaftsgut anzusehen, wenn sie entstanden und noch nicht getilgt ist. Auch eine Forderung aus einem schwebenden Geschäft ist ein Wirtschaftsgut. Forderungen aus schwebenden Geschäften werden trotzdem steuerrechtlich grundsätzlich nicht erfaßt. Dies beruht auf der Überlegung, daß sich während des Schwebezustands eines Geschäfts Rechte und Pflichten der Vertragsparteien gleichwertig gegenüberstehen (vgl. Entscheidung des BFH vom 6. März 1970 III R 20/66, BFHE 99, 50, BStBl II 1970, 489; Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 95 BewG Anm. 100; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., §§ 4, 5 Rdnr. 465). Deshalb wird der Erfolg des Geschäfts grundsätzlich erst nach der Erfüllung erfaßt.
2. Unter schwebenden Geschäften werden gegenseitige Verträge verstanden, die noch von keiner Seite erfüllt sind. Auch Dauerschuldverhältnisse können steuerrechtlich als schwebende Geschäfte zu behandeln sein. Dauerschuldverhältnisse sind Rechtsverhältnisse, deren Verpflichtung nicht in einer einmaligen Leistung besteht, sondern sich über einen Zeitraum erstreckt. Das eigentliche Dauerschuldverhältnis, das neben dem Sukzessivlieferungsvertrag und dem Wiederkehrschuldverhältnis steht, kann auf ein fortgesetztes Tun oder auf ein fortgesetztes Unterlassen gerichtet sein. Der Lizenzvertrag ist ebenso wie die Miete oder die Pacht ein eigentliches Dauerschuldverhältnis (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., Einleitung zu § 241 Anm. O 1--4).
Der Senat braucht sich nicht mit der bürgerlich-rechtlichen Streitfrage auseinanderzusetzen, ob ein Dauerschuldverhältnis erst nach Ablauf des Zeitraums, für den es besteht, erfüllt ist und deshalb nicht in eine Vielzahl von Einzelleistungen aufgespalten werden kann (so wohl Staudinger, a. a. O., Anm. O 5) oder ob das Dauerschuldverhältnis mit den sich daraus ergebenden einzelnen Forderungsrechten nicht identisch ist, so daß für diese Einzelrechte die Erfüllung selbständig zu beurteilen ist (vgl. Wiese, Festschrift für Nipperdey I 1965, S. 837). Denn die aufgrund § 1 Abs. 2 StAnpG im Steuerrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise verlangt für die Beurteilung der Gleichwertigkeit von Rechten und Pflichten eines Dauerschuldverhältnisses, auf die Erfüllung der einzelnen wiederkehrenden Leistungen oder Dauerleistungen abzustellen. Danach bleibt ein Dauerschuldverhältnis selbst nach teilweiser Erfüllung ein schwebendes Geschäft, wenn die beiderseits noch zu erbringenden Leistungen sich gleichwertig gegenüberstehen (so BFH-Urteil III R 20/66). Es ist zumindest steuerrechtlich mit Wiese (a. a. O. S. 848) davon auszugehen, daß bei gehöriger beiderseitiger Erfüllung der Dauerleistungen für den jeweils vergangenen Zeitraum eine teilweise Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses anzunehmen ist, so daß sich am Ende dieses Zeitraums erneut noch nicht erfüllte Rechte und Pflichten gleichwertig gegenüberstehen. Bei Verpflichtungen zu Dauerunterlassungen wird die qualitativ stets gleichbleibende Dauerverpflichtung nicht nach ihrem Gegenstand, sondern nur im Hinblick auf ihre zeitliche Dimension geteilt (so Wiese, a. a. O. S. 849/850).
3. Durch die Lizenzverträge der vom Kläger abgeschlossenen Art verpflichtet sich der Verleger, beim Lizenznehmer ein gegenständliches (dingliches) Nutzungsrecht zu begründen, die Werknutzung zu dulden und dafür Gewähr zu leisten, daß der Lizenznehmer in seinem Bereich das Werk ausschließlich nutzen kann. Letzteres bedeutet, daß sich der Verleger während der Dauer des Lizenzvertrags mit einer Buchgemeinschaft im Bereich der Nutzungsberechtigung des Lizenznehmers eigener Nutzung durch Herausgabe einer billigen Volksausgabe oder einer Taschenbuchausgabe enthalten muß, keinem anderen gleichartige Nutzungsrechte einräumen darf und Beeinträchtigungen der Lizenz durch Dritte abwehren muß (vgl. Beck, Der Lizenzvertrag im Verlagswesen, S. 31 ff.). Der Lizenznehmer verpflichtet sich, die Lizenzausgabe herauszubringen, sie zu dem vereinbarten Preis nur unter seinen Mitgliedern zu vertreiben und die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Ein derartiger Vertrag ist für die Beantwortung der Frage, ob der Verleger Forderungen auf Lizenzgebühren ansetzen muß, als ein einem Pachtvertrag ähnliches schwebendes Geschäft zu werten. Dem Recht zur Herstellung und zum Vertrieb jedes einzelnen Bandes der Lizenzausgabe steht unmittelbar die Verpflichtung zur Duldung der Herstellung und des Vertriebs der Lizenzausgabe gegenüber. Diese Verpflichtung wird, wie oben unter 2. dargelegt, nicht schon zu Beginn oder erst mit Beendigung des Dauerschuldverhältnisses erfüllt, sondern gleichmäßig entsprechend dem Zeitablauf während der ganzen Vertragsdauer.
4. Das FG hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die vom Kläger geschlossenen Lizenzverträge kaufähnlichen Charakter hätten und von seiten des Klägers mit der Einräumung des dinglichen Rechts zur Veranstaltung einer Lizenzausgabe erfüllt seien. Bei den weiteren Verpflichtungen des Klägers handle es sich um Nebenverpflichtungen, die das Wesen des Vertrages nicht bestimmten. Das FG kam damit zu dem Ergebnis, die vom Kläger geschlossenen Verträge seien ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Kaufverträgen vergleichbar. Wäre dies richtig, dann müßten nicht nur die Forderungen des Klägers auf die garantierten Mindestlizenzgebühren erfaßt werden, sondern die Forderungen auf sämtliche während der Vertragsdauer zu erwartenden Vergütungen; denn der "Kaufpreis" bestände in Höhe der gesamten zu erwartenden Lizenzgebühren. Der Umstand, daß die Schätzung dieser Gebühren mit tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, könnte an der Entscheidung der Rechtsfrage in diesem Sinn nichts ändern. Der Senat kann jedoch der Auffassung des FG deshalb nicht folgen, weil auch im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses eine Verpflichtung zu einer einmaligen Leistung bestehen kann, die nicht eine Vorleistung eines Vertragspartners ist, sondern die Grundlage für den Beginn des in Rechten und Pflichten ausgeglichenen Dauerschuldverhältnisses gibt. Eine solche einmalige Leistung ist z. B. die Überlassung des Pachtgegenstandes an den Pächter (so auch Staudinger, a. a. O., Anm. O 7). Trotzdem wird bei einem Pachtvertrag der Vertragscharakter nicht durch die Einräumung des Nutzungsrechts, sondern durch die Berechtigung zur Ausübung dieses Rechts während der Vertragsdauer bestimmt (vgl. § 581 in Verbindung mit § 100 BGB). Für die Entscheidung, ob ein schwebendes Dauerschuldverhältnis vorliegt, ist es aber gleichgültig, ob das Nutzungsrecht obligatorischer oder dinglicher Natur ist. Von Bedeutung ist jedoch, daß die Begründung des Nutzungsrechts nicht der Veräußerung des Wirtschaftsguts gleichsteht, an dem das Nutzungsrecht eingeräumt wird. Das ist nach dem vom FG festgestellten Inhalt der Verträge des Klägers aber nicht der Fall.
a) Die Auffassung über die Rechtsnatur von Lizenzverträgen sind nicht einheitlich. Nach herrschender Meinung handelt es sich dabei um Verträge eigener Art, die mehr oder weniger Elemente verschiedener Vertragstypen des BGB enthalten (siehe BFH-Entscheidung vom 17. Februar 1965 I 174/60 S, BFHE 81, 641, BStBl III 1965, 230 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Beck, a. a. O. S. 31). Hieraus hat die Rechtsprechung die vom FG u. a. zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Rechtsfolge abgeleitet, daß zur Ermittlung des Gewerbeertrags Lizenzgebühren nicht gemäß § 8 Nr. 8 GewStG 1951 (= § 8 Nr. 7 GewStG 1965) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden dürfen, weil sie nicht als Miet- oder Pachtzinsen im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könnten. Diese Folgerung sagt aber nichts darüber aus, ob es sich bei einem noch von keiner Seite erfüllten Lizenzvertrag um ein schwebendes Geschäft handelt. Sie ist außerdem nicht vorgreiflich für die Entscheidung, ob für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Anspruch auf die Lizenzgebühren unberücksichtigt bleiben muß, weil der Lizenzvertrag im Einzelfall doch weitgehend einen pachtähnlichen Charakter hat, ohne einem Pachtvertrag in jeder Hinsicht gleichgestellt werden zu können.
b) Das FG hat aus seinen Feststellungen die Rechtsfolge abgeleitet, daß die vom Kläger abgeschlossenen Lizenzverträge dem Lizenznehmer ein ausschließliches (dingliches) Nutzungsrecht einräumen. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden. Für Lizenzen an Buchgemeinschaften besteht schon aufgrund der Interessenlage der Vertragsparteien eine Vermutung für eine ausschließliche Lizenz (Beck, a. a. O. S. 59). Die ausschließliche Lizenz begründet beim Lizenznehmer ein gegenständliches Nutzungsrecht (vgl. BFH-Entscheidung I 174/60 S). Ob dieses Recht durch Aufspaltung des Verlagsrechts oder ob es erst durch den Lizenzvertrag nach Art eines das Verlagsrecht belastenden dinglichen Rechts entsteht (vgl. Beck, a. a. O. S. 48 ff.), kann für die Entscheidung dieses Rechtsstreits offenbleiben. Maßgebend ist vielmehr, daß der Verleger seine Rechte nur ausnahmsweise für dauernd auf den Lizenznehmer und damit praktisch das Verlagsrecht überträgt. Dies wäre der Fall, wenn der Vertrag bürgerlich-rechtlich auf immerwährende Übertragung oder Begründung eines dinglichen Rechts gerichtet wäre oder wenn sich das Verlagsrecht während der Nutzungsdauer durch den Lizenznehmer in seinem wirtschaftlichen Wert erschöpfen würde. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall gegeben. Damit kann aber entgegen der Meinung des FG nicht angenommen werden, die vom Kläger abgeschlossenen Verträge seien nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt kaufähnliche Verträge, so daß -- wie das FA meint -- ein Rechtskauf vorliege. Der Umstand, daß der Kläger dadurch einen Substanzverlust erleidet, daß er sein Verlagsrecht nur mittelbar durch einen anderen nutzt und diesem Dritten einen gewissen Gewinnanteil überläßt, kann dies jedenfalls nicht begründen.
5. Schwebende Geschäfte bleiben, wie oben unter 1. dargelegt wurde, bewertungsrechtlich unberücksichtigt, solange Rechte und Pflichten als sich gleichwertig gegenüberstehend erachtet werden. Die Begründung eines Nutzungsrechts zugunsten des Lizenznehmers ist ebensowenig eine einseitige Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses durch den Lizenzgeber, wie die Begründung eines Nutzungsrechts durch den Verpächter zugunsten des Pächters. Sie ist vielmehr die Grundlage für den Beginn des in Rechten und Pflichten zunächst ausgeglichenen gegenseitigen Vertrags.
Auch der Lizenznehmer hat eine Vorleistung nicht erbracht; denn die Zusage einer garantierten Mindestauflage und damit garantierter Mindestlizenzgebühren kann nicht als einseitige Erfüllung durch den Lizenznehmer angesehen werden. Die Erfüllung würde weiter voraussetzen, daß die Leistung der Mindestlizenzgebühren schon bewirkt wurde. Die lediglich schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung führt nicht dazu, daß eine Leistung bewirkt wird. Hinzu kommt noch, daß die Vereinbarung einer Absatztantieme mit Garantiesumme in Höhe der Vergütung für eine Mindestauflage regelmäßig als Vereinbarung einer Vorauszahlung auf die Absatztantieme anzusehen ist (vgl. Beck, a. a. O. S. 30, Leiss, Verlagsgesetz, § 28 Anm. 93). Die Forderung auf Vorauszahlung innerhalb eines schwebenden Geschäfts begründet für sich allein jedenfalls keine Vermögensmehrung, ebenso wie auch die Forderung auf eine Miet- oder Pachtvorauszahlung zu keiner Vermögensvermehrung führt, solange diese Vorauszahlung nicht bewirkt ist. Die Behandlung der im Feststellungszeitpunkt schon geleisteten Vorauszahlungen ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, so daß der Senat hierüber nicht entscheiden kann (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der Senat ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Der Einheitswert des Betriebsvermögens des Klägers ist um die zu Unrecht angesetzten Forderungen auf die garantierten Mindestlizenzgebühren zu ermäßigen.