Normen
§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 KVStG 1959
Tatbestand:
Die ursprüngliche Klägerin (weiterhin als solche bezeichnet) ist im Zuge mehrerer Umwandlungen auf die nunmehrige Revisionsbeklagte übergegangen. Wegen dieser Vorgänge wird auf deren Schriftsätze vom 2. März 1971 und vom 16. Oktober 1972 Bezug genommen.
Die Klägerin war eine bergrechtliche Gewerkschaft. Ihr Hauptgewerke war eine Aktiengesellschaft. An diese hatte die Klägerin kraft Ergebnisausschließungsvertrags ihre Geschäftsergebnisse abzuführen.
Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils hat die Muttergesellschaft "Dienstleistungen für die Klägerin erbracht, wofür keine Entgelte berechnet worden sind". Tatsächliche Feststellungen über diese "personellen Dienstleistungen" hat das Finanzgericht nicht getroffen.
Angefochten war ein (gemäß § 94 AO geänderter) Gesellschaftsteuerbescheid des beklagten FA über ... DM. Gestützt war dieser darauf, die Muttergesellschaft habe im Jahr 1959 der Klägerin "Arbeitsleistungen erbracht, für die sie kein Entgelt in Rechnung gestellt" habe. Der vorangegangene Prüfungsbericht vermerkt, die Muttergesellschaft lasse "durch ihren Angestelltenapparat Arbeitsleistungen in erheblichem Umfang vollbringen"; so werde "z. B. die gesamte Verkaufsabteilung" von der Muttergesellschaft "unterhalten". Den Wert dieser Leistungen hat das FA mit ... DM angesetzt.
Das FG hat den Steuerbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Es verneint eine "im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung" zu den erbrachten Leistungen und deren "Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen".
Entscheidungsgründe
Zwar kommt mangels einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung die Anwendung des § 2 Nr. 2 KVStG 1955/1959 nicht in Frage. Möglich ist aber, daß freiwillige Leistungen im Sinn des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955 und des (engeren) § 2 Nr. 4 KVStG 1959 vorgelegen haben und geeignet waren, den Wert der Gesellschaftsrechte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG) zu erhöhen. Eine weitergehende Aussage wird durch das Fehlen tatsächlicher Feststellungen gehindert.
Für die Anwendung des § 2 Nr. 2 KVStG 1955/1959 beruft sich die Revision zu Unrecht auf das Urteil vom 8. November 1967 II 176/61 (BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213). Denn dieses Urteil hat zwar eine nach bürgerlichem Recht gegebene Rechtspflicht, die sich in Umkehrung der Rechte der Organmutter aus dem Ergebnisabführungsvertrag ergab, als eine im Sinn des § 2 Nr. 2 KVStG "im Gesellschaftsverhältnis begründete" qualifiziert. Es hat aber nicht den Begriff der "Verpflichtung" auf solche "Pflichten" ausgeweitet, die keine Rechtspflichten sind.
Mit Grund beanstandet dagegen die Revision, daß das FG wegen des Ergebnisabführungsvertrags den erbrachten Leistungen als "freiwilligen" im Sinn des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955 oder des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 die Eignung abgesprochen hat, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Denn das FG hat nicht in Frage gestellt, daß die angeblichen "Arbeitsleistungen" Geldwert hatten. Geht man davon aus, kam ihnen aber die "Eignung". den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, unabhängig davon zu, ob der Erfolg einer Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte wegen des Ergebnisabführungsvertrags nicht eingetreten oder -- bei Verlusten -- trotz des Ergebnisabführungsvertrags eingetreten ist (Urteile vom 12. April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123 [124 ff.], BStBl II 1972, 714; vom 12. April 1972 II 28/63, BFHE 106, 127 [128], BStBl II 1972, 716; vom 12. April 1972 II 34/63, BFHE 106, 130 [132], BStBl II 1972, 717; vom 27. November 1974 II R 109/72, BFHE 114, 445, BStBl II 1975, 265; vom 5. Februar 1975 II R 202/72, BFHE 115, 144 [145 f.], BStBl II 1975, 415). § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1955/1959 zeigt, daß es für die Entstehung der Steuerpflicht dem Grunde nach allein auf die Eignung der Leistung und nicht auf den Erfolg ankommt; denn er begünstigt solche Leistungen im Tarif, soweit sie zur Deckung einer Überschuldung erforderlich sind, setzt also die Steuerpflicht dem Grunde nach voraus (obwohl in dieser Begrenzung der Wert der Gesellschaftsrechte Null ist und bleibt, der Wert der Gesellschaftsrechte durch die Deckung der Überschuldung also nicht erhöht wird).
Aus Gründen, die sich aus dem angefochtenen Urteil nicht ergeben, haben sowohl der Beklagte als auch das FG das Kapitalverkehrsteuergesetz ausschließlich in der am 27. Mai 1959 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 (BGBl I 1959, 261) angewandt. Dazu ist die Revisionsbeklagte der Ansicht, "Arbeitsleistungen" seien von der Enumeration der Buchstaben a bis d des § 2 (Abs. 1) Nr. 4 Satz 1 KVStG 1959 nicht erfaßt. Sie übersieht dabei, daß eine juristische Person nicht in der Lage ist, selbst Arbeitsleistungen zu erbringen. Ob ihr Arbeitsleistungen ihrer gesetzlichen Vertreter als oder wie eigene zugerechnet werden können, mag dahinstehen; die von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsleistungen anderer sind jedenfalls nicht ihre eigene Arbeitsleistung.
Ob es sich um ein Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitskräften oder um Entlohnung ihrer Arbeit für die Klägerin, oder in anderer Betrachtung um Werkleistungen (§ 631 Abs. 2 BGB) oder um anders zu qualifizierende Leistungen der Muttergesellschaft handelt, kann mangels tatsächlicher Feststellungen über den Geschehensablauf und die ihm zugrunde liegenden Vereinbarungen nicht beurteilt werden. Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit Steuerpflicht aus § 2 Nr. 4 KVStG 1959 oder aus § 2 Nr. 3 KVStG 1955 entstanden ist, kann der BFH nur an Hand eines konkret festgestellten Sachverhalts entscheiden (§ 118 Abs. 2 FGO).