Normen
§ 2 Nr. 2 KVStG 1955
§ 2 Nr. 3 KVStG 1955
§ 2 Nr. 2 KVStG 1959
§ 2 Nrn. 3, 4 KVStG 1959
Tatbestand:
I.
Zwischen der Klägerin, einer AG (Obergesellschaft), und der X-AG (Organgesellschaft) besteht ein Ergebnisabführungsvertrag (EAV), in dessen Erfüllung die Organgesellschaft in den Jahren 1956 bis 1959 Gewinne an die Klägerin abgeführt hat. Die Organgesellschaft war ihrerseits an der Klägerin mit rd. 5 v. H. beteiligt. Nach Bekanntwerden des Urteils des BFH II 201/60 U vom 6. Mai 1964 (BFH 79, 422, BStBl III 1964, 385) setzte das FA wegen der Gewinnabführung eine entsprechende Gesellschaftsteuer fest.
Mit der genehmigten Sprungberufung macht die Klägerin im wesentlichen geltend, daß die Ergebnisabführung ihrer Tochtergesellschaft ihren Grund nicht in deren Stellung als Gesellschafterin, sondern als (Tochter-)Gesellschaft auf Grund des beherrschenden Einflusses der Obergesellschaft habe.
Das FG wies die Sprungberufung als unbegründet zurück.
Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Klägerin weiterhin Freistellung von der nach ihrer Auffassung ungerechtfertigt angeforderten Gesellschaftsteuer.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde -- jetzt Revision -- ist begründet.
Der Senat hatte in dem o. a. Urteil II 201/60 U vom 6. Mai 1964 entschieden, daß die Abführung des Jahresergebnisses (die sogenannte Gewinnabführung) durch eine Organtochter an ihre Organmutter auf Grund eines EAV gemäß § 2 Nr. 2 KVStG Gesellschaftsteuerpflicht auslöse, wenn auch die Organtochter an ihrer Organmutter beteiligt ist.
Diese Auffassung hält der Senat nicht aufrecht.
1. Die Gesellschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Nr. 2 KVStG setzt voraus, daß die Leistung von einem Gesellschafter auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wird.
Schon der Wortlaut der Vorschrift ergibt, daß die Leistung von dem Gesellschafter als solchem erbracht sein muß (so bereits der Senat im Urteil II 118/59 vom 30. Januar 1962, HFR 1962, 305). Das Ergebnis der Wortauslegung steht im Einklang mit dem Sinnzusammenhang und dem Zweck der §§ 2, 3 KVStG (vgl. Urteil des Senats II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172, BStBl II 1968, 213; vgl. insoweit auch Urteil des Senats II R 37/66 vom 28. November 1968, BFH 91, 191, 201, BStBl II 1968, 223). Danach soll -- unbeschadet des § 4 KVStG -- grundsätzlich die Kapitalzuführung der Gesellschaftsteuer unterliegen, die ein Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft bewirkt (vgl. auch die gesetzliche Eingrenzung, wenn auch im Gewand einer Befreiungsvorschrift, gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959). Die hiervon abweichende, im Urteil II 201/60 U (a. a. O., BFH 79, 422, 425) vertretene Ansicht wird aufgegeben.
Demgemäß muß jedenfalls im Falle des § 2 Nr. 2 KVStG zur Abgrenzung des Steuertatbestandes auf dasjenige Gesellschaftsverhältnis abgestellt werden, das die Verpflichtung des Leistenden als Gesellschafter beinhaltet und somit die Leistung auslöst (vgl. hierzu auch Müller-Beer, GmbH-Rundschau 1961 S. 71; Ossenbrügge, BB 1964, 955; Escher, BB 1965, 946; Alsen, BB 1964, 997; Gerlach, BB 1967, 708).
Erwirbt die Organgesellschaft ihrerseits Anteile an der Muttergesellschaft, so entsteht ein zweites, neues Gesellschaftsverhältnis, das nach Entstehung und Bestand rechtlich von dem bisherigen Gesellschaftsverhältnis unabhängig ist. Der Organ- und Ergebnisabführungsvertrag ist zwischen beiden Gesellschaften geschlossen, der Anteilserwerb durch die Tochtergesellschaft kann -- zumindest rechtlich -- eine Maßnahme nur dieser Gesellschaft sein (vgl. hierzu und allgemein Winter, Die wechselseitige Beteiligung von Aktiengesellschaften, 1960 S. 6, 7). Beide Gesellschaftsverhältnisse mit wechselseitigen Gesellschafts- und Gesellschafter-Eigenschaften bestehen nebeneinander mit jeweils verschiedenen Rechten und Pflichten. Beide Gesellschaften bleiben rechtlich selbständig (vgl. zum neuen Aktienrecht § 15 AktG 1965). Auch bei wechselseitiger Beteiligung wird -- jedenfalls, soweit dies gesellschaftsteuerrechtlich bedeutsam ist -- die Struktur der beiden Gesellschaften an sich nicht verändert (vgl. zu § 19 AktG 1965, Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 19 Anm. 1).
Im Streitfall ist die Tochtergesellschaft an dem sie als Mehrheitsaktionär beherrschenden Organträger als (Minderheits-) Aktionär beteiligt. Die Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Obergesellschaft hat jedoch keinen Einfluß auf den Organ- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen den beiden Gesellschaften, durch den die beherrschte Gesellschaft verpflichtet wurde, ihre Geschäftsergebnisse an die sie beherrschende Gesellschaft abzuführen. Die Rechte und Pflichten zweier Gesellschaften aus einem Organ- und Ergebnisabführungsvertrag werden nicht dadurch berührt, daß die abhängige Gesellschaft Geschäftsanteile oder Aktien an der sie beherrschenden Gesellschaft erwirbt.
Soweit überhaupt von in diesem Zusammenhang interessierenden Auswirkungen zwischen den beiden Gesellschaftsverhältnissen die Rede sein kann, so nicht entscheidend von einer "erneuten Modifizierung" des bisherigen Gesellschaftsverhältnisses, sondern etwa davon, daß das durch den Organ- und Ergebnisabführungsvertrag begründete Abhängigkeitsverhältnis sich auf das neue Gesellschaftsverhältnis auswirken kann, z. B. -- bei einer AG als Muttergesellschaft -- durch Ausschluß des Stimmrechts (§ 114 Abs. 6 AktG a. F.; vgl. § 136 Abs. 2 AktG 1965) und des Bezugsrechts (§ 51 Abs. 2 AktG a. F.; vgl. § 56 Abs. 2 AktG 1965. Vgl. allgemein Winter, a. a. O., besonders S. 10, 58 ff.; wegen einer möglichen Vereinbarung über die Einschränkung des Dividendenrechts schon nach altem Aktienrecht vgl. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 115. Wegen der nach dem AktG 1965 möglichen gesetzlichen Einschränkung des Dividendenrechts -- im Sinne nur eines Ruhens: so Möhring/Tank in Handbuch der Aktiengesellschaft Bd. 1, Teil I Tz. 792, oder eines Erlöschens: so Godin/Wilhelmi, a. a. O., § 328 Anm. 3 Abs. 3 S. 1716 --, jedoch nur bei wechselseitig beteiligten, aber nicht herrschenden oder abhängigen Unternehmen im Sinne des § 19 AktG 1965 vgl. dessen Abs. 4 und § 328 AktG 1965). Das bedeutet aber allenfalls eine u. U. nicht unerhebliche Schwächung der Stellung der Tochtergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Muttergesellschaft, kann aber auf die hier zu entscheidende gesellschaftsteuerrechtliche Frage nur den Einfluß haben, daß der Anteilserwerb durch die abhängige Tochtergesellschaft die Zurechnung ihrer Erfolgsabführung als Gesellschafterleistung um so weniger rechtfertigt. Jedenfalls führt die Begründung des neuen Gesellschaftsverhältnisses nicht, wie auch Gerlach, a. a. O., S. 711 re. Spalte und S. 712 zutreffend bemerkt, zu einer Art "Gesamtgesellschaftsverhältnis".
2. Bei dieser auch handelsrechtlichen Lage ist es für die Gesellschaftsteuer als einer Steuer auf jeden einzeln zu wertenden Akt des Rechtsverkehrs um so mehr geboten, in Fällen wechselseitiger Beteiligung von Kapitalgesellschaften (nicht nur im jetzt rechtstechnischen Sinne des § 19 AktG 1965) darauf abzustellen, welchem Rechtskreis die einzelne Leistung der jeweiligen Kapitalgesellschaft entspringt.
Dem Anspruch des Organträgers auf Abführung des -- für seine Rechnung -- erwirtschafteten Geschäftsergebnisses (vgl. Urteil des Senats II 176/61, a. a. O., hier besonders BFH 91, 179) der in sein Unternehmen wirtschaftlich eingegliederten Tochtergesellschaft entspricht deren Verpflichtung, den Gewinn an den sie beherrschenden Organträger abzuführen. Die Gewinnabführung beruht darauf, daß der Organträger als Gesellschafter des Organs dieses kraft seiner Herrschaftsmacht durch den EAV verpflichtet hat, sein Geschäftsergebnis an den herrschenden Gesellschafter abzuführen. Das Gesellschaftsverhältnis, das die Leistungspflicht begründet, ist das Verhältnis zwischen Organträger als Gesellschafter und Organ als Gesellschaft. Ursächlich für die Gewinnabführung ist die durch Anteilsbesitz ermöglichte Herrschaftsmacht des Organträgers, nicht aber die Gesellschaftereigenschaft des Organs im Verhältnis zu seiner Obergesellschaft. Damit ist die Gewinnabführung der Tochtergesellschaft eine Leistung der Gesellschaft an die Muttergesellschaft als Gesellschafterin. Der Gesellschaftsteuer unterliegen nur solche Leistungen, die der Gesellschafter als solcher (vgl. oben 1.) an seine Kapitalgesellschaft bewirkt; der Leistungserfolg muß durch die Gesellschaftereigenschaft des Leistenden veranlaßt sein (vgl. Urteil des Senats II 176/61, a. a. O., hier BFH 91, 177).
Hiermit stimmt es überein, daß anderenfalls die Muttergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Tochtergesellschaft als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen würde, obwohl nach § 10 Abs. 1 KVStG Steuerschuldnerin die Kapitalgesellschaft in dieser ihrer Eigenschaft als Gesellschaft ist.
3. Da die auf dem EAV beruhende Gewinnabführung nicht durch die Gesellschaftereigenschaft des Organs veranlaßt ist, vielmehr ohne Rücksicht darauf, ob die eingegliederte Gesellschaft ihrerseits an dem sie beherrschenden Gesellschafter beteiligt ist, vom Organ als Gesellschaft an den Organträger als Gesellschafter zu bewirken ist, kommt die Besteuerung auch unter dem Gesichtspunkt der freiwilligen Leistung im Sinne des § 2 Nr. 3 KVStG 1955, § 2 Nrn. 3 und 4 KVStG 1959 nicht in Betracht.
Nach allem war die Klägerin von der angeforderten Gesellschaftsteuer freizustellen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).