Normen
§ 53 Abs. 1 UStDB 1951
§ 581 Abs. 1 BGB
Tatbestand:
Der Kläger (Steuerpflichtige) betreibt eine Werbeagentur. Er war in den Jahren 1954 bis 1958 -- unter Ausschluß anderer Werbeagenturen -- damit beauftragt, Anzeigen für mehrere Zeitungen bzw. Zeitschriften im eigenen Namen und für eigene Rechnung gegen Provision hereinzuholen.
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige hinsichtlich der oben erwähnten Umsätze als Werbungsmittler (§ 53 Abs. 1 UStDB 1951) oder als Werber tätig geworden ist. Während der Steuerpflichtige sich als Werbungsmittler betrachtete und infolgedessen nur die vereinnahmten Provisionen der Umsatzsteuer unterwarf, sah das FA ihn im Anschluß an eine Betriebsprüfung als Werber an und zog ihn im Wege einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO mit den gesamten vereinnahmten Anzeigepreisen zur Umsatzsteuer heran. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb erfolglos. Seine Klage wurde nach mündlicher Erörterung des Streitfalles und Anhörung des früheren Buchhaltungsleiters des X-Verlages als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung von Bundesrecht, nämlich des § 53 Abs. 1 UStDB 1951. Er hat zur Stützung seiner Rechtsauffassung ein Rechtsgutachten beigebracht.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 sind die Werbungsmittler befugt, der Berechnung der Umsatzsteuer lediglich die Vermittlungsgebühr zugrunde zu legen. Werbungsmittler ist, wer Personen und Gesellschaften, die Werbung für andere durchführen, Werbeaufträge für andere im eigenen Namen und für eigene Rechnung erteilt (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1951). Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH und BFH liegt eine Erteilung von Werbeaufträgen für andere, mithin eine Werbungsmittlung, nicht vor, wenn ein Unternehmer, dem die Auswertung von Werbeträgern (z. B. Zeitungen, Zeitschriften, Lichtspieltheater) ganz oder teilweise übertragen ist, von den ihm vertraglich eingeräumten Werbemöglichkeiten Gebrauch macht. Der Werbeunternehmer führt in diesen Fällen die Werbung selbst durch; sein Vertragspartner (z. B. der Verleger) ist verpflichtet, ihm den Gebrauch des Vertragsgegenstandes -- hier: die für Inserate vorgesehenen Seiten der Zeitung oder Zeitschrift -- und den Genuß der Früchte -- die Entgelte für die Aufnahme der Inserate -- während der Vertragszeit zu gewähren (§ 581 Abs. 1 BGB). Der Werbeunternehmer hat daher insoweit die Stellung des Pächters eines Rechts. Er vermittelt die Werbung nicht, sondern ist selbst Werber und kann infolgedessen die Vergünstigung des § 53 Abs. 1 UStDB 1951 nicht in Anspruch nehmen (vgl. Urteil des RFH V 139/37 vom 4. Februar 1938, RStBl 1938, 382, und Urteile des BFH V 165/58 U vom 1. September 1960, BFH 71, 552, BStBl III 1960, 454; V 287/60 U vom 5. März 1964, BFH 79, 153, BStBl III 1964, 287; V 123/63 vom 8. Juli 1965, HFR 1965, 530; V 52/65 vom 20. Juli 1967, BFH 89, 222, BStBl III 1967, 586). In ähnlicher Weise hat auch das Reichsgericht die sogenannten Anzeigenmittler (später Werbungsmittler) vom Anzeigenpächter abgegrenzt. Es hat in Fällen, die dem Streitfalle entsprechen, einen Pachtvertrag angenommen. Denn auch "unkörperliche Dinge" könnten verpachtet werden, "sofern sie einen Ertrag gewährten"; jedenfalls sei das Anzeigengeschäft als selbständiger Zweig des Verlagsunternehmens verpachtbar. Die in dem Unternehmen steckende Werbekraft, die ihren Ausdruck in seinen Erträgnissen findet, sei dem Pächter dienstbar gemacht worden. Dieser allein sei berechtigt, sie auszunutzen. Durch die selbständige Ausnutzung der in den Zeitschriften liegenden Werbemöglichkeiten gegen Zahlung eines bestimmten Entgelts auf Zeit werde der Anzeigenpächter in den Stand gesetzt, für sich selbst Erwerbsgeschäfte (Anzeigengeschäfte) zu betreiben (Urteile des Reichsgerichts VII 600/07 vom 30. Oktober 1908, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 70 S. 20; VII 117/33 vom 26. September 1933, Juristische Wochenschrift 1933 S. 2762). Auch das vom Steuerpflichtigen vorgelegte Rechtsgutachten unterscheidet zwischen Werbungsmittlung und Anzeigenpacht. Der Gutachter greift die oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze nicht an, meint aber, daß der Steuerpflichtige wegen der Besonderheiten des Streitfalles als Werbungsmittler, nicht als Werbungspächter (Anzeigenpächter) tätig geworden sei.
2. Dem Gutachten kann insoweit nicht gefolgt werden.
a) Aus dem Fehlen der Ausdrücke "Pachtvertrag", "Verpächter" und "Pächter" kann nicht auf die Rechtsnatur der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen geschlossen werden (vgl. Abschnitt II 1 des Urteils des Senats V 287/60 U vom 5. März 1964, a. a. O.). Der Steuerpflichtige führt selbst aus, daß bei funktionswidriger Verwendung einer Rechtsfigur die Bezeichnung des Vertragstyps nicht entscheidend sei. Noch weniger können aus der Nichtverwendung einer Vertragsbezeichnung irgendwelche Schlüsse gezogen werden. Da -- wie der Steuerpflichtige selbst angibt -- zwischen ihm und den Verlagen vereinbart war, daß andere Werbeagenturen in den Zeitschriften Anzeigen nicht veröffentlichen durften, spielt es auch keine Rolle, daß in den (später abgeschlossenen) schriftlichen Verträgen Formulierungen wie "Alleinauswertung der gesamten Reklame" und dergleichen nicht enthalten sind. Gegen eine Anzeigenpacht spricht auch nicht, daß die Verlage in seltenen Ausnahmefällen selbst Werbeaufträge entgegengenommen haben, daß sie Anzeigen, die dem Charakter ihrer Zeitschriften nicht entsprachen, zurückweisen konnten und daß ihnen die Placierung der Anzeigen oblag (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in den o. a. Urteilen des Senats).
b) Nicht schlüssig ist ferner die Annahme des Gutachters, in der Übertragung der "Anzeigenvermittlung" für mehrere Jahre sei die Aufforderung der Verlage an den Steuerpflichtigen zu erblicken, ihnen Offerten in Form von Anzeigenaufträgen zu machen, und zwar deshalb, weil die Verlage keine eigenen Anzeigenabteilungen besessen hätten. Verlage ohne Anzeigenabteilungen sind nicht an Offerten, sondern an bereits abgeschlossenen Anzeigenverträgen interessiert. In welchem Maße der Steuerpflichtige zu selbständigem Handeln befugt war, zeigt, daß er die Anzeigen unmittelbar dem Drucker zusandte und die Verlagsleitungen in der Regel erst nach Herstellung der Korrekturfahnen von den Anzeigen Kenntnis erhielten. Tatsächlich sind keine Einzelverträge über jede Anzeige zustande gekommen; vielmehr ist der Steuerpflichtige an die Stelle der Verlage getreten und hat das Werbungsgeschäft selbst wahrgenommen. Bereits im Urteil V 287/60 U vom 5. März 1964 (a. a. O.) hat der Senat klargestellt, daß Alleinauswertungsverträge nicht als bloße Rahmenverträge zu beurteilen sind, neben denen eine Vielzahl von Einzelverträgen abgeschlossen wird. Dies gilt für die Anzeigenwerbung ebenso wie für die Lichtspielwerbung.
c) Auch die Bemessung der Provisionen nach einem Vomhundertsetz der Nettoanzeigenpreise bzw. der Bruttoeinnahmen aus dem Anzeigengeschäft ist kein Beweiszeichen gegen das Bestehen einer Anzeigenpacht. Pachtund Mietzinsen richten sich nicht selten nach dem Umsatz des Pächters oder Mieters (sogenannte partiarische Pachtbzw. Mietverträge; vgl. Urteil des BFH V 165/58 U vom 1. September 1960, a. a. O.). Bei der Anzeigenpacht ist diese Art der Berechnung des Pachtzinses sogar die Regel. Aus ihr ergibt sich als logische Folge, daß die Verlage, die die Höhe der Anzeigenpreise nach ihren Kalkulationen festlegen, auch der Gewährung von Rabatten zustimmen müssen. Auf die Verteilung des unternehmerischen Risikos kommt es -- wie der Senat in seinem Urteil V 287/60 U vom 5. März 1964 (a. a. O., Abschnitt I 2) ausführlich dargelegt hat -- nicht entscheidend an.
d) Es trifft zu, daß sich der Pachtvertrag auf einen bestimmten Gegenstand beziehen muß. Dementsprechend hat der Senat im Leitsatz seines Urteils V 123/63 vom 8. Juli 1965 (a. a. O.) zum Ausdruck gebracht, daß regelmäßig von einer Rechtspacht nur gesprochen werden könne, wenn der Werbeträger dem Unternehmen in einem namhaften und fest abgegrenzten Umfange ausschließlich zur Verfügung steht (vgl. auch das Urteil des BFH V 52/65 vom 20. Juli 1967, a. a. O.). Dieser Voraussetzung ist Genüge getan, wenn der Werbeunternehmer (von seltenen Ausnahmen abgesehen) aufgrund der Vereinbarung mit dem Verlag erwarten kann, den zur Verfügung stehenden Anzeigenraum im wesentlichen allein zu füllen. Wenn im Urteil V 123/63 vom 8. Juli 1965 (a. a. O.) als Anzeigenpacht die Überlassung einer Bestimmten Zahl von Seiten einer Zeitschrift oder Zeitung erwähnt wird, so handelt es sich nur um ein Beispiel. Die tatsächlichen Gegebenheiten des betreffenden Gewerbezweiges dürfen nicht unbeachtet bleiben. Je nach dem ob die redaktionellen Beiträge (Nachrichten, Abhandlungen, Aufsätze usw.) einer Zeitschrift kürzer oder länger ausfallen und mehr oder weniger Anzeigenaufträge vorliegen, ist der Anzeigenraum einer Zeitschrift von Fall zu Fall größer oder kleiner. Diese technisch bedingten Schwankungen gleichen sich auf längere Sicht aus. Die Tatsache, daß ihm grundsätzlich der gesamte, jeweils zur Verfügung stehende Anzeigenraum zur Auswertung übertragen war, läßt den Steuerpflichtigen trotz gewisser Freiheiten der Verlage bei der technischen Ausgestaltung des Anzeigenteils der Zeitschriften und Zeitungen als den "Herrn des Werbungsgeschäfts" erscheinen. Der Streitfall kann mit dem Falle des (amtlich nicht veröffentlichten) Urteils des Senats V 137/56 vom 15. November 1956 schon deshalb nicht verglichen werden, weil dort der Anzeigenraum dem Werbeunternehmer nicht zur alleinigen Auswertung überlassen war, dieser ihn vielmehr mit anderen Annoncen-Expeditionen teilen mußte.
3. Ausschlaggebend für die Frage, ob der Inhaber eines Werbeunternehmens als Werbungsmittler oder als Werber auftritt, ist nach der o. a. Rechtsprechung des Senats das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Dieses spricht in den streitigen Fällen eindeutig für die Werbereigenschaft des Steuerpflichtigen: Im Impressum der Zeitschriften war (unter Angabe seiner Anschrift, zum Teil auch seines Postfachs und seiner Telefonnummer) vermerkt, daß der Steuerpflichtige für den Anzeigenteil zuständig sei. In den in Streit befangenen Jahren sind dritte Personen in den Zeitschriften und Zeitungen nicht als Werber aufgetreten. Die Verträge zwischen dem Steuerpflichtigen und den Verlagen sind langfristig, nämlich auf die Dauer von zunächst drei Jahren, bei Nichtkündigung für jeweils drei weitere Jahre abgeschlossen worden. Die Verlage hatten den Steuerpflichtigen mit der "Übernahme des Anzeigenteils" betraut, weil sie ihre bis dahin von Angestellten geführten Anzeigenabteilungen nach deren Entlassung mangels einer geeigneten Ersatzkraft aufgegeben hatten und auf diese Weise eine eigene Anzeigenabteilung einsparen konnten; der Steuerpflichtige war also hinsichtlich der Anzeigenabteilung "an die Stelle des Verlags" getreten. Die Verlage leiteten an sie gerichtete Anzeigenaufträge regelmäßig an den Steuerpflichtigen weiter. Der Steuerpflichtige stellte den Anzeigenteil der Zeitschriften und Zeitungen (Anzeigenspiegel) zusammen. Er arbeitete unmittelbar mit den Druckereien zusammen und war weitgehend bei den Korrekturarbeiten für die Anzeigen eingeschaltet. Er bearbeitete Beanstandungen der Anzeigen grundsätzlich selbst. Bei Mangel an Aufträgen für Anzeigen wandte er sich an die Verlage, die dann für Fülltexte sorgten. Den Verlagen verblieben außer der Beauftragung der Druckereien im wesentlichen nur die Aussonderung von Anzeigen, die dem Wesen der Zeitschriften widersprachen, die Aufstellung der Preislisten (im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen), die Raumverteilung zwischen Textteil und Anzeigenteil sowie die Placierung der Anzeigen (die jedoch unter Berücksichtigung etwaiger Wünsche der Werbekunden im Regelfalle von den Druckereien selbständig vorgenommen wurde). Diese Tatsachen ergeben ein Gesamtbild, das den Steuerpflichtigen in den streitigen Fällen als den "Herrn des Werbungsgeschäfts" und damit als Werber in Erscheinung treten läßt.
4. Es spielt keine Rolle, ob der Steuerpflichtige "vom Zweck des § 53 Abs. 1 UStDB 1951 her der Begünstigung würdig" ist. Diese Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck nur anwendbar, wenn der Unternehmer als Werbungsmittler tätig geworden ist. Für den Werbungspächter (Anzeigenpächter), der sich in einer sichereren Position befindet als der Werbungsmittler, ist die Vergünstigung des § 53 Abs. 1 UStDB 1951 nicht bestimmt.
Die Vorinstanzen haben daher den Steuerpflichtigen zu Recht mit den vollen, von den Werbekunden vereinnahmten Entgelten zur Umsatzsteuer herangezogen.