OGH 8Ob93/14f; 6Ob207/20i (RS0130434)

OGH8Ob93/14f; 6Ob207/20i18.2.2021

Rechtssatz

Die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, ist eine quaestio mixta, die sowohl Tatsachen- als auch Rechtselemente enthält. Was konkret von einem gewissenhaften Abschlussprüfer zu fordern ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Abschlussprüfung abzuleiten. Die einzufordernde Sorgfalt bemisst sich nach der aus objektiver Sicht zu beurteilenden Verkehrsauffassung. Maßgeblich ist, welcher Prüfungsstandard normativ geboten ist, um dem gesetzlichen Zweck der Abschlussprüfung gerecht zu werden.

Normen

ABGB §1299 E
UGB §269, UGB
UGB §274
UGB §275

8 Ob 93/14fOGH29.09.2015

Beisatz: Zur näheren Konkretisierung welcher Grad an Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit in Bezug auf das Prüfungsrisiko aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise im Anlassfall angemessen ist, dienen insbesondere die Verlautbarungen der nationalen und internationalen Berufsorganisationen. Diesen Standards kommt zwar keine Rechtsnormqualität zu, ihre Einhaltung ist aber ein Indiz für die Gewissenhaftigkeit der Prüfungsdurchführung. Umgekehrt indiziert ein Nichterreichen der Anforderungen in einem Fachgutachten der Berufsorganisationen, dass es der Abschlussprüfung an der geforderten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mangelt. (T1)<br/>Beisatz: Informationen, die in einem Abschluss enthalten sind, sind wesentlich und daher der Prüfung zu unterziehen, wenn ihr Weglassen oder ihre fehlerhafte Darstellung einzeln oder insgesamt wirtschaftliche Entscheidungen der Abschlussadressaten, die auf der Grundlage des Abschlusses getroffen werden, beeinflussen kann. Die Beurteilung, was wesentlich ist, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Abschlussprüfers. (T2)<br/>Beisatz: Für die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, sind im Tatsachenbereich die geprüften Daten und die ihnen zugrunde liegenden wesentlichen unternehmensinternen Vorgänge sowie die Prüfungsmethoden und -schritte zu erheben, aber auch der Inhalt der zum Prüfungszeitpunkt veröffentlichten nationalen und internationalen Standards der beteiligten Verkehrskreise. Der rechtlichen Beurteilung unterliegt es, ob die strittige Prüfung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände den umschriebenen gesetzlichen Anforderungen entsprach. (T3); Veröff: SZ 2015/105

6 Ob 207/20iOGH18.02.2021

Beisatz: Der Abschlussprüfer handelt dann rechtmäßig, wenn er die Abschlussprüfung so durchführt wie ein sorgfältiger durchschnittlicher Abschlussprüfer. Der Abschlussprüfer als Sachverständiger hat die Abschlussprüfung sorgfältig iSd § 1299 ABGB vorzunehmen, wobei seine Sorgfalt an den Berufsstandards einerseits und andererseits am abstrakten Ziel der Abschlussprüfung einer möglichst getreuen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens zu messen ist. (T4)<br/>Anm: Veröff: SZ 2021/12

Dokumentnummer

JJR_20150929_OGH0002_0080OB00093_14F0000_001