OGH 8Ob128/09w (RS0126292)

OGH8Ob128/09w22.9.2010

Rechtssatz

Eine verwaltungsbehördliche Genehmigung kann als Indiz für die „Ortsüblichkeit“ im Sinne des § 364 ABGB ‑ je nach dem geprüften Inhalt des Verwaltungsverfahrens ‑ im Rahmen der vom gestörten Nachbarn erwarteten Bedachtnahme auf ‑ allgemeinen ‑ Interessen eine gewisse Bedeutung gewinnen. Deren Berücksichtigung erfordert aber auch, dass der „Störer“ alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat, um die Belastung für die gestörten Anrainer möglichst gering zu halten. Für die Bestimmung dieses noch unter der Schwelle der „Eigentumsbeschränkung“ anzusetzenden öffentlichen Entwicklungspotentials der „Ortsüblichkeit“ sind Kriterien wie Dauer und Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse als geeignet anzusehen. Wenn in einem Schigebiet in der Nähe eines Sanatoriums eine Änderung des Charakters des Ortsbereichs unter dem Aspekt des Lärmschutzes eintritt, dies aber durch zum Schutz höherwertiger Güter wie des Lebens und der Gesundheit erforderliche Rettungsflüge erfolgt, so kann dies als erwartbare Entwicklung noch als „ortsüblich“ im Sinne des § 364 ABGB angesehen werden, wenn

  1. a. die Grenzen der Bewilligung und deren Auflagen nicht überschritten werden,
  2. b. damit keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Anrainer entstehen,
  3. c. nur die Rettungsflüge im tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen Ausmaß durchgeführt werden und
  4. d. der Betreiber alle Maßnahmen trifft, um die Lärmbelastung für die Anrainer möglichst gering zu halten.

Normen

ABGB §364 A
ABGB §364 B2

8 Ob 128/09wOGH22.09.2010

Veröff: SZ 2010/112

Dokumentnummer

JJR_20100922_OGH0002_0080OB00128_09W0000_003