OGH 12Os71/91 (RS0091702)

OGH12Os71/9120.6.1991

Rechtssatz

Ein Beschluß über die bedingte Entlassung ist einem Strafurteil so ähnlich, daß eine analoge Anwendung der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 356 StPO durchaus zulässig erscheint, allerdings unter Ausklammerung der Einschränkungen (Z 1 bis 3), die für die Zulässigkeit eines strengeren Schuldspruches auf eine bestimmte (deutlich höhere) Strafdrohung abstellen. Zwar kann die Prognose immer dann, wenn das Gericht einer Fehleinschätzung unterliegt oder der Strafgefangene seine bei der Entlassung noch vorhandenen guten Vorsätze in der Freiheit schnell wieder vergißt, einer nachträglichen Korrektur im Weg einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht unterliegen, in diesen Fällen kommt nur ein Widerruf nach § 53 StGB in Frage. Anders muß der Fall aber dann gesehen werden, wenn sich (wie hier) nach der Beschlußfassung über die Bewilligung der bedingten Entlassung herausstellt, daß schon zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wesentliche Sachverhaltskomponenten (hier: Wohnmöglichkeit und Arbeitsmöglichkeit) in Wahrheit nicht vorlagen.

Normen

StGB §46
StPO §355
StPO §356

12 Os 71/91OGH20.06.1991

Veröff: EvBl 1991/176 S 743 = JBl 1992,466 = RZ 1992/65 S 187

11 Os 82/96OGH06.08.1996

Vgl auch

14 Os 131/04OGH08.03.2005

Vgl aber; Beisatz: Lediglich in einzelnen Fällen von meritorischen Beschlüssen (etwa bedingte Entlassung) hat die Rechtsprechung bisher in analoger Anwendung der entsprechenden Bestimmungen der Strafprozessordnung die Wiederaufnahme gestattet. Nicht zulässig ist eine Wiederaufnahme aber bei rein prozessualen Beschlüssen, wie etwa bei der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde wegen verspäteter Ausführung. Diesbezüglich fehlerhafte Entscheidungen dürfen nur durch den Obersten Gerichtshof in einem vom Generalprokurator initiierten Verfahren nach § 33 Abs 2 StPO beseitigt werden. (T1)

11 Os 122/12vOGH25.09.2012

Vgl; Beisatz: Hier analoge Anwendung verneint, weil Ordnungswidrigkeit nach Rechtskraft des Beschlusses über die bedingte Entlassung begangen wurde. (T2)

Dokumentnummer

JJR_19910620_OGH0002_0120OS00071_9100000_001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)