56. Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (Grace-Period – Gesetz)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Bundesabgabenordnung
Die Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 201/2023, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 153g wird folgender Unterabschnitt eingefügt:
„2b. Begleitung einer Unternehmensübertragung
Merkmale der Begleitung einer Unternehmensübertragung
§ 153h. (1) Eine natürliche Person, die angibt, innerhalb von zwei Jahren
- 1. einen Betrieb,
- 2. einen Teilbetrieb oder
- 3. einen Anteil an einer Mitunternehmerschaft, an der ausschließlich Angehörige des Antragstellers beteiligt sind,
im Sinn des § 24 EStG 1988 an eine oder mehrere Personen aus dem Kreis ihrer Angehörigen übertragen zu wollen, kann einen Antrag auf Begleitung der Unternehmensübertragung stellen.
(2) Während der Begleitung der Unternehmensübertragung besteht nach Maßgabe des § 153k eine erhöhte Offenlegungspflicht und ein laufender Kontakt zwischen dem voraussichtlichen Erwerber und den Organen des Finanzamtes Österreich.
(3) Nach Beendigung der Begleitung einer Unternehmensübertragung gemäß § 153l Abs. 1 sind die von dieser umfassten (Teil-)Betriebe für die jeweils umfassten Zeiträume von einer Außenprüfung auszunehmen. Für die Mitunternehmerschaft gilt § 148 Abs. 3a sinngemäß.
Antrag auf Begleitung einer Unternehmensübertragung
§ 153i. (1) Der Antrag auf Begleitung einer Unternehmensübertragung kann gestellt werden, wenn für die Erhebung der Umsatzsteuer bzw. der Einkommensteuer des Antragstellers und sämtlicher im Antrag angeführter voraussichtlicher Erwerber – sowie gegebenenfalls für die Feststellung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft – das Finanzamt Österreich zuständig ist.
(2) Der Antrag ist beim Finanzamt Österreich durch Übermittlung des amtlichen elektronischen Formulars im Verfahren FinanzOnline zu stellen.
(3) Als Teil des Antrags ist im Verfahren FinanzOnline eine Erklärung darüber zu übermitteln, dass an der Begleitung der Unternehmensübertragung mitgewirkt wird und dass der Offenbarung von Informationen, die der abgabenrechtlichen Geheimhaltung unterliegen (§ 48a Abs. 4 lit. c), zugestimmt wird, soweit dies für die Durchführung der Begleitung der Unternehmensübertragung erforderlich ist. Diese Erklärung ist vom Antragsteller sowie von allen angeführten voraussichtlichen Erwerbern und – im Fall der Übertragung eines Mitunternehmeranteils – von sämtlichen Mitunternehmern zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung kann entweder mittels qualifizierter elektronischer Signatur oder durch eine elektronische Abbildung der eigenhändigen Unterschrift erfolgen. Enthält der Antrag elektronische Abbildungen einer eigenhändigen Unterschrift, ist der Antragsteller verpflichtet, das Original einer jeden betroffenen Unterschrift sieben Jahre lang zu Beweiszwecken aufzubewahren.
Erledigung des Antrags auf Begleitung der Unternehmensübertragung
§ 153j. (1) Das Finanzamt Österreich hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Begleitung der Unternehmensübertragung zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen vor, ist eine Außenprüfung (§ 147) des Antragstellers und gegebenenfalls der Mitunternehmerschaft, deren Anteile er zu übertragen beabsichtigt, durchzuführen. Mit der Bekanntgabe des Prüfungsauftrags gegenüber dem Antragsteller gilt der Antrag als erledigt.
(2) Für diese Außenprüfung gilt Folgendes:
- 1. Sie umfasst die letzten drei Jahre vor der Antragstellung, für die bereits eine Abgabenerklärung abgegeben worden ist, wenn nicht bereits eine Außenprüfung stattgefunden hat.
- 2. Sie ist tunlichst innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu beginnen.
- 3. Sie umfasst alle in die Zuständigkeit des Finanzamtes Österreich fallenden Abgaben, ausgenommen jene, die von der Lohnsteuerprüfung gemäß § 86 EStG 1988 umfasst sind.
- 4. Sie ist tunlichst innerhalb von sechs Monaten ab dem Beginn der Prüfung abzuschließen.
(3) Liegen die Voraussetzungen für die Begleitung der Unternehmensübertragung nicht vor, ist der Antrag mit Bescheid abzuweisen.
Rechte und Pflichten während der Begleitung der Unternehmensübertragung
§ 153k. (1) Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Beendigung der Begleitung der Unternehmensübertragung haben der Antragsteller und sämtliche im Antrag angeführten voraussichtlichen Erwerber unbeschadet anderer abgabenrechtlicher Offenlegungspflichten jene Umstände unaufgefordert vor Abgabe der Abgabenerklärungen offenzulegen, die für die abgabenrechtliche Würdigung der Übertragung des (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils relevant sind und hinsichtlich derer ein ernsthaftes Risiko einer abweichenden Beurteilung durch das Finanzamt Österreich besteht, wenn sie nicht unwesentliche Auswirkungen auf das steuerliche Ergebnis haben können.
(2) Während der Begleitung der Unternehmensübertragung können zur Klärung abgabenrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Übertragung des (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils Besprechungen zwischen dem Antragsteller und den im Antrag angeführten voraussichtlichen Erwerbern und Organen des Finanzamtes Österreich stattfinden. Über diese Besprechungen sind Niederschriften gemäß § 87 zu erstellen.
(3) Während der Begleitung der Unternehmensübertragung hat das Finanzamt Österreich einem im Antrag angeführten voraussichtlichen Erwerber Auskünfte über bereits verwirklichte oder noch nicht verwirklichte Sachverhalte zu erteilen, soweit sie mit der Übertragung des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen und nicht die Möglichkeit zur Beantragung eines Auskunftsbescheids gemäß § 118 besteht.
Beendigung der Begleitung der Unternehmensübertragung
§ 153l. (1) Die Begleitung der Unternehmensübertragung endet im Zeitpunkt des Einlangens der letzten Abgabenerklärung, die das Kalenderjahr betrifft, in dem die Unternehmensübertragung abgeschlossen wurde.
(2) Vor diesem Zeitpunkt endet die Begleitung der Unternehmensübertragung im Fall eines entsprechenden Antrags. Ein solcher Antrag kann von jedem voraussichtlichen Erwerber gestellt werden, jedoch erst, nachdem sämtliche Außenprüfungen gemäß § 153j abgeschlossen sind. In diesem Fall hat das Finanzamt Österreich die Begleitung der Unternehmensübertragung einzustellen, womit der Antrag als erledigt gilt.
(3) Von Amts wegen kann die Begleitung der Unternehmensübertragung mit Bescheid beendet werden
- 1. wenn der Vorgang der Unternehmensübertragung unterbrochen oder abgebrochen wird;
- 2. wenn über das zu übertragende Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder
- 3. wenn für die Erhebung der Umsatzsteuer bzw. der Einkommensteuer des Antragstellers oder eines der im Antrag angeführten voraussichtlichen Erwerber oder – gegebenenfalls – für die Feststellung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft – nicht mehr das Finanzamt Österreich zuständig ist.
(4) Die Betroffenen sind über die Beendigung der Unternehmensübertragung zu verständigen.“
2. Dem § 323 wird folgender Abs. 72 angefügt:
„(72) Unterabschnitt 2b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2024 tritt mit 1. Dezember 2024 in Kraft. Anträge auf Begleitung einer Unternehmensübertragung können frühestens ab dem 1. Jänner 2025 gestellt werden. Die Begleitung der Unternehmensübertragung ist spätestens bis zum 31. Dezember 2028 durch das Finanzamt Österreich zu evaluieren, und zwar insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Finanzverwaltung und ihre Kapazitäten. Der Bundesminister für Finanzen hat den Evaluationsbericht dem Nationalrat bis zum 30. Juni 2029 vorzulegen.“
Artikel 2
Änderung der Gewerbeordnung
Die Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 75/2023, wird wie folgt geändert:
1. In § 339 Abs. 3 wird am Ende der Z 1 der Beistrich durch das Wort „und“ ersetzt und wird am Ende der Z 2 das Wort „und“ durch einen Punkt ersetzt und entfällt Z 3.
2. § 353 Z 1 lit. a lautet:
- „a) eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen; das Verzeichnis hat zumindest aus Rahmenangaben von Prozess-, Leistungs- oder Emissionsdaten und von Stoffeigenschaften und -mengen (mit beispielhaft angeführten Maschinen, Geräten oder Ausstattungen sowie Gefährlichkeitsmerkmalen) zu bestehen, wobei diese Rahmenangaben jeweils den höchsten beabsichtigten Auslastungsgrad, die höchste beabsichtigte Emissionsintensität bzw. den höchsten Gefährlichkeitsgrad anzuführen haben,“
3. In § 365g entfällt beim Text des bisherigen Absatz 1 die Absatzbezeichnung und entfällt der bisherige Abs. 2.
4. Dem § 376 wird folgende Z 72 angefügt:
- „72. Für Gewerbeanmeldungen, die vor dem in § 382 Abs. 97 bestimmten Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bei der Behörde eingelangt sind, sind § 339 Abs. 3 und § 365g in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, sofern die Gewerbeberechtigung im GISA noch nicht freigegeben worden ist und nicht bereits entweder der Behörde ein dem § 339 Abs. 3 Z 3 in der Fassung vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes entsprechender Firmenbuchauszug vorgelegt worden ist oder die Behörde gemäß § 365g Abs. 2 in der Fassung vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes einen Firmenbuchauszug zur Verfügung gestellt hat.“
5. Dem § 382 wird folgender Abs. 97 angefügt:
„(97) § 339 Abs. 3 Z 1 und 2, § 353 Z 1 lit. a, § 365g und § 376 Z 72 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2024 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft, gleichzeitig treten § 339 Abs. 3 Z 3 und § 365g Abs. 2 außer Kraft.“
Artikel 3
Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes
Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 115/2022, wird wie folgt geändert:
1. Im Inhaltsverzeichnis zum 9. Abschnitt wird vor § 102 der Eintrag zu § 101a „§ 101a. Erleichterungen bei Betriebsübergaben“ neu eingefügt.
2. Im 9. Abschnitt wird vor § 102 samt Überschrift folgender § 101a samt Überschrift eingefügt:
„Erleichterungen bei Betriebsübergaben
§ 101a. Im Fall einer Betriebsübergabe gilt für die Dauer von zwei Jahren ab Übergabe:
- 1. Werden Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt, so darf die Mitteilung an das Arbeitsinspektorat nach § 10 Abs. 8 innerhalb dieses zweijährigen Zeitraums erfolgen.
- 2. Der Arbeitsschutzausschuss ist abweichend von § 88 Abs. 5 erster Satz nur mindestens einmal innerhalb der zwei Jahre einzuberufen. Vorsitz, Einladung und Protokoll sind in diesem Zeitraum an keine Formerfordernisse gebunden, § 88 Abs. 4, Abs. 5 letzter Satz und Z 1 bis 3 sowie Abs. 7 und 8 kommen nicht zur Anwendung.“
3. Dem § 131 wird folgender Abs. 21 angefügt:
„(21) Das Inhaltsverzeichnis zu § 101a und § 101a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2024 treten mit 1. Jänner 2024 in Kraft.“
Van der Bellen
Nehammer
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