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BGBl II 438/2023

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

438. Verordnung: Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration

438. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration

Aufgrund des § 64 Abs. 2 des Tierarzneimittelgesetzes (TAMG), BGBl. I Nr. 186/2023, sowie der §§ 7 Abs. 3 und 24 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2022, wird verordnet:

Anwendungsbereich

§ 1. (1) Diese Verordnung regelt die Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration durch eine sachkundige Hilfsperson der TGD-Betreuungstierärztin bzw. des TGD-Betreuungstierarztes im Sinn des § 7 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes.

(2) Voraussetzung für die Möglichkeit zur Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration durch eine sachkundige Hilfsperson (§ 4) ist das Vorliegen eines TGD-Teilnahmevertrages im Sinn des § 2 Z 3 der Tiergesundheitsdienst-Verordnung 2009 (TGD-VO 2009), BGBl. II Nr. 434/2009, eines TGD-Betreuungsvertrages im Sinn des § 2 Z 2 der TGD-VO 2009 sowie der Teilnahme am jeweiligen Tiergesundheitsprogramm.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieser Verordnung bedeuten:

  1. 1. Ferkelkastration: die Kastration von männlichen Ferkeln, die nicht älter als sieben Tage sein dürfen und keine anatomischen Abweichungen (z. B. bei Binnen- und Bruchebern) aufweisen, die einer Kastration entgegenstehen;
  2. 2. Narkose: Inhalationsnarkose unter Verwendung eines für die Anwendung am Ferkel zugelassenen Narkosegases.

Ablauf der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration

§ 3. (1) Das zur Narkose angewendete Tierarzneimittel muss über eine Zulassung für die Allgemeinanästhesie (Narkose) von bis zu sieben Tage alten Ferkeln verfügen und es muss sich um ein gemäß der §§ 2 und 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Veterinär-Arzneispezialitäten-Anwendungsverordnung 2010, BGBl. II Nr. 259/2010, in im jeweiligen Tiergesundheitsprogramm angeführtes Tierarzneimittel handeln.

(2) Vor Einleitung der Narkose ist jedes Ferkel von der sachkundigen Hilfsperson auf seine Narkosefähigkeit zu untersuchen. Zudem ist ein Arzneimittel zur Schmerzbehandlung, welches auch postoperativ wirkt, rechtzeitig vor dem Eingriff zu verabreichen, sodass eine Wirksamkeit bereits bei Beginn der Kastration gegeben ist.

(3) Die Durchführung der Narkose durch eine sachkundige Hilfsperson hat unter Verantwortung der TGD-Betreuungstierärztin bzw. des TGD-Betreuungstierarztes und unter Beachtung der Gebrauchsanleitung des verwendeten Gerätes zu erfolgen. Die korrekte Durchführung der Inhalationsnarkose ist durch die TGD-Betreuungstierärztin bzw. den TGD-Betreuungstierarzt einmal jährlich zu kontrollieren und entsprechend zu dokumentieren. Dies hat durch eine Kastration mit Narkosegas im Beisein der TGD-Betreuungstierärztin bzw. des TGD-Betreuungstierarztes zu erfolgen.

(4) Vor der Kastration ist von der sachkundigen Hilfsperson die ausreichende Wirksamkeit der Narkose mittels geeigneter Kontrollmaßnahmen (zB durch Prüfung des Zwischenklauenreflexes oder des Afterklauenreflexes) zu überprüfen. Für die Dokumentation der Kontrollmaßnahmen ist die auf der Homepage der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz (im Folgenden: Fachstelle) veröffentliche Checkliste zu verwenden.

(5) Die Kastration ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft durchzuführen und es sind zur Nachsorge geeignete Maßnahmen, die in der Checkliste angeführt sind, zu ergreifen.

Sachkunde

§ 4. (1) Voraussetzung, um als sachkundige Hilfsperson die Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration durchzuführen, ist

  1. 1. ein Mindestalter von 18 Jahren, und
  2. 2. der Status als TGD-Arzneimittelanwender im Sinn des § 2 Z 4 der TGD-Verordnung 2009, und
  3. 3. die erfolgreiche Absolvierung einer von der gemäß § 18 und 18a TSchG eingerichteten Fachstelle überprüften zusätzlichen Schulung, bestehend aus einem theoretischen und einem praktischen Teil gemäß § 5.

(2) Ausbildungslehrgänge können durch den anerkannten Tiergesundheitsdienst, das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) und andere Bildungseinrichtungen durchgeführt werden. Die Ausbildungslehrgänge sind von der Fachstelle zu überprüfen. Dazu sind die Unterlagen für die theoretische Ausbildung und die dazugehörigen Prüfungsfragen der Fachstelle vorzulegen. Die Fachstelle veröffentlicht auf ihrer Homepage die für die theoretischen Inhalte anerkannten Ausbildungslehrgänge.

(3) Auf Antrag können in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworbene, vergleichbare Ausbildungen anerkannt werden, wenn diese dem § 5 vergleichbare Anforderungen erfüllen. Die Unterlagen dazu sind der Fachstelle in deutscher oder englischer Sprache vorzulegen.

(4) Innerhalb von drei Jahren ab Absolvierung der Schulung gemäß § 5 hat die sachkundige Hilfsperson eine Fortbildung von jeweils mindestens zwei Stunden sowohl im Bereich des theoretischen als auch des praktischen Teils im Sinne des § 5 Abs. 2 und 3 zu absolvieren. Die Schulung des praktischen Teils hat am jeweils am Betrieb einzusetzenden Gerät zu erfolgen und ist auch bei jeder maßgeblichen Änderung sowie bei jedem Wechsel des Gerätes im erforderlichen Ausmaß vorzunehmen und nachzuweisen.

Schulung

§ 5. (1) Die Schulung der sachkundigen Hilfsperson gliedert sich in

  1. 1. einen theoretischen Teil im Ausmaß von mindestens 15 Stunden, und
  2. 2. einen praktischen Teil im Ausmaß von mindestens vier Stunden.

(2) Ausbildungsinhalte des theoretischen Teils gemäß Abs. 1 Z 1 sind:

  1. 1. rechtliche Grundlagen (Tierschutzgesetz, 1. Tierhaltungsverordnung, Arzneimittelrecht)
  2. 2. Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane beim Ferkel (inkl. Erkennens von Anomalien)
  3. 3. Physiologie des Herz-Kreislaufsystems und klinische Parameter zur Feststellung der Narkosefähigkeit
  4. 4. Grundlagen der Schmerzausschaltung, insbesondere Kennzeichen der erfolgten Schmerzausschaltung
  5. 5. Narkoseüberwachung: Narkosetiefe und Wirkungsweise von Schmerzmitteln und dem eingesetzten Narkosegas
  6. 6. Durchführung der Kastration, Voruntersuchung und Vorbehandlung sowie Nachsorge
  7. 7. spezifische Schulung hinsichtlich der Anwenderinnen- bzw. Anwendersicherheit im Umgang mit Narkosegasen, Arzneimittelanwendung: Lagerung, Dosierung, bestimmungsgemäße Anwendung, mögliche Nebenwirkungen, Entsorgung, Vorgaben, welche Personen sich nicht am Durchführungsort der Kastration bzw. in den Aufwachbereichen aufhalten dürfen (z. B. Schwangere oder stillende Mütter)
  8. 8. Einhaltung von Hygienestandards
  9. 9. Demonstration der fachgerechten Durchführung einer Ferkelkastration unter Anwendung der Inhalationsnarkose
  10. 10. Notfallpläne für Narkosezwischenfälle.

    Über die theoretischen Ausbildungsinhalte ist eine Prüfung abzulegen.

(3) Im Anschluss an den positiven Abschluss des Theorieteils gemäß Abs. 2 ist eine praktische Ausbildung am eigenen Betrieb mit dem vor Ort befindlichen registrierten Gerät gemäß § 7 Abs. 2 zu absolvieren. Der praktische Teil findet unter Beiseins der TGD-Betreuungstierärztin bzw. des TGD-Betreuungstierarztes sowie einer Vertreterin bzw. eines Vertreters des Geräteherstellers oder der Vertreiberin bzw. dem Vertreiber des Gerätes statt und umfasst:

  1. 1. korrekter Aufbau und Bedienung des Gerätes
  2. 2. Vorbereitung des Ferkels auf den Eingriff
  3. 3. Anwendung eines Arzneimittels zur wirksamen Schmerzbehandlung, welches auch postoperativ wirkt, um auftretenden Schmerz nach der Narkose zu lindern
  4. 4. Dosierung und Anwendung sowie ordnungsgemäßer Umgang mit Arzneimitteln
  5. 5. Durchführung der Ferkelkastration unter Narkose sowie Nachsorge bei mehreren Ferkeln
  6. 6. Vorgehen beim Auftreten von Problemen; Notfallplan
  7. 7. Hygiene, Reinigung des Gerätes und Desinfektion.

    Der Nachweis über die Erfüllung der praktischen Erfordernisse ist von der Vertreterin bzw. dem Vertreter des Geräteherstellers oder der Vertreiberin bzw. des Vertreibers des Gerätes mit einschlägigem Fachwissen und der TGD-Betreuungstierärztin bzw. dem TGD-Betreuungstierarzt auszustellen.

(4) Bis zum positiven Abschluss beider Schulungsteile, darf die sachkundige Hilfsperson die Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration nur unter Aufsicht der TGD-Betreuungstierärztin bzw. des TGD-Betreuungstierarztes ausüben.

(5) Die Teilnahme an der Schulung steht Personen ab 15 Jahren offen.

Örtliche Gegebenheiten

§ 6. (1) Der Ort, an dem die Narkose durch die sachkundige Hilfsperson durchgeführt wird, muss trocken, sauber, ausreichend temperiert sowie leicht zu reinigen sein und eine hohe Luftwechselrate aufweisen. Zudem sind Notfallpläne für Störfälle und Notsituationen durch das Narkosegas bzw. durch das Narkosegerät am Durchführungsort anzubringen. Dabei ist auf die jeweiligen negativen Auswirkungen auf den menschlichen sowie den tierischen Organismus Bedacht zu nehmen.

(2) Das Gerät ist sicher zu verwahren, um in zumutbarer Weise eine unbefugte Verwendung des Gerätes oder Manipulation am Gerät zu verhindern.

Anforderungen an das Gerät

§ 7. (1) Es darf nur ein Gerät verwendet werden, das von einer von der Fachstelle anerkannten unabhängigen Stelle auf die technische Eignung und Funktionstüchtigkeit im Sinne des Abs. 3 überprüft wurde. Die Prüfgutachten sind der Fachstelle in deutscher oder englischer Sprache vorzulegen. Die Fachstelle veröffentlicht auf ihrer Homepage eine Liste geeigneter Geräte.

(2) Das von der sachkundigen Hilfsperson einzusetzende Gerät ist von der TGD-Tierhalterin bzw. vom TGD-Tierhalter im Rahmen des TGD-Programmes an seinen jeweiligen Tiergesundheitsdienst zu melden und dort zu registrieren. Das Gerät darf nur für die von der betroffenen TGD-Tierhalter bzw. vom betroffenen TGD-Tierhalter gehaltenen Ferkel am Betriebsstandort verwendet und nicht auf andere Betriebe verbracht und dort verwendet werden.

(3) Das Gerät muss folgende Eigenschaften aufweisen:

  1. 1. es muss von der Herstellerin bzw. vom Hersteller für die Verwendung bei der Ferkelkastration bestimmt sein;
  2. 2. die Be- und Nachfüllung des Behälters des Narkosegases ist nur durch die TGD-Betreuungstierärztin bzw. den TGD-Betreuungstierarzt zulässig. Der Behälter für den Wirkstoff muss manipulationssicher verschlossen sein.;
  3. 3. es muss technisch und baulich dazu geeignet sein, die erforderliche Narkosetiefe sicherzustellen;
  4. 4. es muss sich in einem einwandfreien hygienischen Zustand befinden;
  5. 5. Gewährleistung einer genauen Steuerung der Dosierung;
  6. 6. es muss ordnungsgemäß entsprechend den Herstellerangaben gewartet sein;
  7. 7. die Anzahl der Anwendungen inklusive der jeweiligen Anflutungszeit mit dem eingesetzten Narkosegas und gegebenenfalls Warn- oder Fehlermeldungen des Gerätes und das Datum der jeweiligen Anwendung müssen manipulationssicher aufgezeichnet werden. Die Auswertung muss jederzeit auslesbar und ausdruckbar sein.

(4) Das Gerät muss jährlich durch eine fachkundige Person des Geräteherstellers oder der Vertreiberin bzw. des Vertreibers auf die Funktionalität überprüft werden. Verdampfer sind einer jährlichen Überprüfung durch eine speziell dafür akkreditierte Prüfstelle zu unterziehen.

Dokumentation

§ 8. (1) Von der sachkundigen Hilfsperson sind zusätzlich zu den vom Gerät auslesbaren und ausdruckbaren Geräteauswertungen des § 7 Abs. 3 Z 7 Aufzeichnungen über Komplikationen bei der Narkose zu führen; dies sind insbesondere Wachzustände während der Narkose, Störungen der Atmung, Herz-Kreislauf-Störungen, allergische Reaktionen oder der Tod von Ferkeln während oder unmittelbar nach der Narkose. Die Aufzeichnungen sind mindestens drei Jahre am Betrieb aufzubewahren und bei einer Kontrolle auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. Halbjährlich sind diese auch mit der TGD-Betreuungstierärztin bzw. dem TGD-Betreuungstierarzt zu besprechen und zu dokumentieren.

(2) Weiters sind die Wartungsprotokolle mindestens drei Jahre am Betrieb aufzubewahren und bei einer Kontrolle auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

Sanktionen

§ 9. (1) Sollte die sachkundige Hilfsperson wiederholt gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen, so hat die TGD-Betreuungstierärztin bzw. der TGD-Betreuungstierarzt die Beiziehung zur Durchführung der Inhalationsnarkose bis zur erfolgreichen neuerlichen Absolvierung der Schulung gemäß § 5 zu unterlassen.

(2) Die Verstöße gemäß Abs. 1 sind der Geschäftsstelle des Tiergesundheitsdienstes und der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

Inkrafttreten

§ 10. Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Tierarzneimittelgesetz, frühestens jedoch mit dem Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt, in Kraft.

Rauch

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