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BGBl II 279/2012

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

279. Verordnung: Richteramtsanwärter/innen-Ausbildungsverordnung - RiAA-AusbVO

279. Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Ausbildung der Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter (Richteramtsanwärter/innen-Ausbildungsverordnung - RiAA-AusbVO)

Auf Grund des § 9 Abs. 4 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG), BGBl. Nr. 305/1961, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 35/2012, wird verordnet:

Anwendungsbereich

§ 1. Diese Verordnung enthält nähere Festlegungen zur Ausbildung der Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter für ihre spätere Tätigkeit als Richterin oder Richter bzw. als Staatsanwältin oder Staatsanwalt, wie insbesondere

  1. 1. zur Notwendigkeit und Dauer der jeweiligen Ausbildungsdienste,
  2. 2. zu den persönlichkeitsbildenden Ausbildungsinhalten sowie
  3. 3. zur Absolvierung von Ausbildungsdiensten im Bereich des Finanzwesens nach § 9c RStDG und Exkursionen.

Obligatorische Ausbildungsstationen

§ 2. Der Ausbildungsdienst ist

  1. 1. beim Bezirksgericht in der Dauer von mindestens zwölf Monaten,
  2. 2. beim Landesgericht in der Dauer von mindestens zwölf Monaten,
  3. 3. bei der Staatsanwaltschaft in der Dauer von mindestens sechs Monaten,
  4. 4. bei einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen oder vorbeugenden Maßnahmen in der Dauer von mindestens drei Wochen,
  5. 5. bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt (oder bei einer Notarin bzw. einem Notar oder bei der Finanzprokuratur) in der Dauer von mindestens vier Monaten sowie
  6. 6. bei einer Opferschutz- oder Fürsorgeeinrichtung in der Dauer von mindestens zwei Wochen

    zu leisten.

Fakultative Ausbildungsstationen

§ 3. (1) Ein Teil des Ausbildungsdienstes kann

  1. 1. beim Oberlandesgericht in der Dauer von höchstens sechs Monaten (davon höchstens zwei Monate bei der Justiz-Ombudsstelle),
  2. 2. beim Obersten Gerichtshof oder bei der Generalprokuratur in der Dauer von höchstens sechs Monaten,
  3. 3. beim Bundesministerium für Justiz in der Dauer von höchstens sechs Monaten,
  4. 4. bei der Vollzugsdirektion in der Dauer von höchstens drei Monaten,
  5. 5. bei dem oder der Rechtsschutzbeauftragten in der Dauer von höchstens drei Monaten,
  6. 6. bei einer Einrichtung der Bewährungshilfe (§ 24 Abs. 2 des Bewährungshilfegesetzes 1969, BGBl. Nr. 146) in der Dauer von höchstens vier Wochen und
  7. 7. bei einem für die Namhaftmachung von Sachwaltern, Patientenanwälten und Bewohnervertretern geeigneten Verein (§ 1 Abs. 1 des Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetzes - VSPBG, BGBl. Nr. 156/1990) oder bei einem Jugendwohlfahrtsträger (§ 4 Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 - JWG, BGBl. Nr. 161) in der Dauer von höchstens vier Wochen

    geleistet werden.

(2) Überdies kann - in der Dauer von höchstens vier Monaten und nach Möglichkeit in einem fortgeschrittenen Ausbildungsstadium - ein Teil des Ausbildungsdienstes im Bereich des Finanzwesens stattfinden (§ 9c RStDG). Im Rahmen einer solchen Ausbildung ist insbesondere das Verständnis für wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Abläufe und Zusammenhänge zu fördern (§ 10 Abs. 3 RStDG). Für die Ausbildung im Bereich des Finanzwesens kommen folgende Ausbildungsstationen in Betracht:

  1. 1. die Organe der Finanzverwaltung,
  2. 2. die Finanzmarktaufsicht,
  3. 3. die Abteilung Wirtschaftskriminalität im Bundeskriminalamt,
  4. 4. die Oesterreichische Nationalbank,
  5. 5. Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer,
  6. 6. Steuerberaterinnen und Steuerberater,
  7. 7. anerkannte Wirtschaftstreuhandgesellschaften und
  8. 8. geeignete Unternehmen.

(3) Die Eignung eines Unternehmens (Abs. 2 Z 8) ist unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit, Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter in wirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Abläufen und Zusammenhängen (§ 10 Abs. 3 RStDG) auszubilden, zu beurteilen.

Ausbildungsinhalte

§ 4. (1) Die Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sind im Zuge ihrer Ausbildung in sämtlichen Geschäftszweigen des gerichtlichen und des staatsanwaltschaftlichen Dienstes zu unterweisen (§ 10 Abs. 1 RStDG). Dabei sind insbesondere auch die Angelegenheiten des Familienrechts, des Wirtschafts- und des Wirtschaftsstrafrechts sowie die europarechtlichen Bezüge zu berücksichtigen. Die Inhalte der Ausbildung sind in fachlicher und formeller Hinsicht auch auf die Anforderungen der Richteramtsprüfung (§ 16 RStDG) hin auszurichten.

(2) Bei der Gestaltung der Ausbildung ist der erforderliche Praxisbezug sicherzustellen, um die Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter auf bestmögliche Weise auf ihre spätere Tätigkeit als Richterin oder Richter bzw. als Staatsanwältin oder Staatsanwalt vorzubereiten. Die Ausbildungsverantwortlichen haben dafür Sorge zu tragen, dass neben den theoretischen Fachkenntnissen auch die praktischen und sozialen Fähigkeiten der Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter gefördert werden.

(3) Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass die Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter auch

  1. 1. im Umgang mit Parteien und in den Bereichen des Bürgerservices,
  2. 2. im Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (auch vor dem Hintergrund der Wahrnehmung von Führungs- und Leitungsaufgaben),
  3. 3. in der Verhandlungsführung sowie in der Vernehmungs- bzw. Ermittlungstechnik und -taktik,
  4. 4. im sprachlichen Ausdruck und im verständlichen Formulieren von Entscheidungen,
  5. 5. in der Bewältigung von Konflikten und schwierigen Situationen,
  6. 6. in Angelegenheiten des richterlichen bzw. staatsanwaltlichen Verhaltenskodex und Berufsethos sowie des Integritätsmanagements und der Korruptionsbekämpfung einschließlich des Datenschutzes und der Datensicherheit sowie
  7. 7. in Angelegenheiten der Gleichbehandlung und Antidiskriminierung, der Mobbing-Prävention und-Sanktion sowie der Toleranz und des Umgangs mit Angehörigen fremder Ethnien

    besonders geschult werden.

(4) Den Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärtern ist der nötige Einblick in den Behördenaufbau im Allgemeinen sowie den Aufbau und die Organisation der österreichischen Justiz einschließlich des Strafvollzugs im Besonderen zu geben. Dabei sind auch die Strukturen der Justizverwaltung sowie die Grundzüge der Personal- und Wirtschaftsverwaltung zu vermitteln, weiters die wesentlichen Grundlagen der Dienstaufsicht und der inneren Revision sowie der Justizstatistiken und der Informationstechnik-Anwendungen in der Justiz.

Exkursionen

§ 5. Der Präsident oder die Präsidentin des Oberlandesgerichts hat im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Verwaltungsstellen den Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärtern Gelegenheit zu geben, die Einrichtungen und die Arbeitsweisen der Dienststellen des Bundes kennenzulernen, die für die Tätigkeit im Dienste der Justiz von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Exkursionen zu den betreffenden Dienststellen, verbunden mit Vorträgen durch Vertreter oder Vertreterinnen dieser Dienststellen, zu veranstalten.

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

§ 6. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Oktober 2012 in Kraft.

(2) Vor dem 1. Oktober 2012 absolvierte Ausbildungsdienste und -zeiten sind einzurechnen.

(3) Die nach den bisherigen Bestimmungen vollständig absolvierten Ausbildungsdienste gelten auch dann als abgeschlossen, wenn nach der vorliegenden Verordnung nunmehr eine längere oder kürzere Dauer für den jeweiligen Ausbildungsdienst vorgesehen ist.

Karl

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