146. Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Begriffsbestimmungen
§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
- 1. „Neue Psychoaktive Substanz“ eine Substanz oder Zubereitung, die die Fähigkeit besitzt, bei ihrer Anwendung im menschlichen Körper eine psychoaktive Wirkung herbeizuführen und nicht der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961, BGBl. Nr. 531/1978, oder dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, BGBl. III Nr. 148/1997, unterliegt;
- 2. „psychoaktive Wirkung“ die mit Halluzinationen oder Störungen der motorischen Funktionen, des Denkens, des Verhaltens, der Wahrnehmung oder der Stimmung einher gehende Anregung oder Dämpfung des Zentralnervensystems;
- 3. „Substanz“ eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung;
- 4. „Zubereitung“ ein Gemisch oder eine Lösung, das oder die eine Neue Psychoaktive Substanz oder mehrere solcher Substanzen enthält.
Anwendungsbereich
§ 2. Dieses Bundesgesetz ist auf Neue Psychoaktive Substanzen anzuwenden, soweit sie nicht nach Maßgabe der arzneimittel-, apotheken- oder arzneiwareneinfuhrrechtlichen Vorschriften in Verkehr gebracht werden dürfen.
(2) Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Stoffe und Zubereitungen anzuwenden, die dem Suchtmittelgesetz, BGBl. I Nr. 112/1997, unterliegen.
Verordnung
§ 3. (1) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann Neue Psychoaktive Substanzen mit Verordnung bezeichnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
- 1. anzunehmen ist, dass sie wegen ihrer Wirkung gemäß § 1 Z 2 in bestimmten Verkehrskreisen Verbreitung zur missbräuchlichen Anwendung finden, und
- 2. bei ihrer Anwendung nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung eine Gefahr für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten besteht oder nicht ausgeschlossen werden kann.
(2) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann ferner chemische Substanzklassen definieren, wenn diese Maßnahme besser als die Bezeichnung einzelner Neuer Psychoaktiver Substanzen geeignet erscheint, der Verbreitung solcher Substanzen und der damit für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten verbundenen oder nicht auszuschließenden Gefahren vorzubeugen.
(3) Der Anwendung des Abs. 2 steht nicht entgegen, dass von den chemischen Substanzklassen auch Substanzen mit erfasst sind, die
- 1. die Fähigkeit zur Herbeiführung einer Wirkung gemäß § 1 Z 2 nicht oder nur in geringem Maß besitzen, oder
- 2. als Suchtmittel den suchtmittelrechtlichen Bestimmungen unterliegen.
Gerichtliche Strafbestimmungen
§ 4. (1) Wer mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß § 3 bezeichnete oder von einer gemäß § 3 definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz mit dem Vorsatz erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Hat die Straftat den Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs. 1 StGB) einer größeren Zahl von Menschen zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Einziehung
§ 5. (1) Eine mit Verordnung gemäß § 3 bezeichnete oder von einer gemäß § 3 definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz ist - sofern nicht bereits eine Einziehung nach § 26 StGB stattfindet - auch einzuziehen, wenn keine bestimmte Person wegen einer Straftat nach § 4 verfolgt oder verurteilt werden kann, es sei denn, der oder die Verfügungsberechtigte macht einen rechtmäßigen Verwendungszweck glaubhaft und bietet Gewähr dafür, dass die Substanz nicht zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird.
(2) Für das Verfahren gelten die §§ 443 bis 446 StPO entsprechend. Für die Anwendung von § 445a StPO ist eine Neue Psychoaktive Substanz als Gegenstand zu behandeln, deren Besitz allgemein verboten ist.
Verdacht auf arzneimittelrechtliche Verstöße
§ 6. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben, wenn sich im Zuge von Strafverfolgungshandlungen nach diesem Bundesgesetz der Verdacht eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983, oder das Arzneiwareneinfuhrgesetz, BGBl. I Nr. 79/2010, ergibt, unverzüglich das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen von dem Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und diesem alle zur Klärung des Sachverhaltes erforderlichen Daten, insbesondere produktbezogene Daten, zu übermitteln. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind in diesem Zusammenhang ermächtigt, zum Schutz vor den mit dem vorschriftswidrigen in Verkehr Bringen von Arzneimitteln verbundenen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auch die zur Klärung des Sachverhalts erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.
Informationspflichten der Zollbehörden
§ 7. (1) Wenn bestimmte Tatsachen darauf schließen lassen, dass Neue Psychoaktive Substanzen zum Zweck nach oder aus Österreich befördert werden, dass sie zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet werden, so sind die Zollorgane befugt, diese vorläufig sicher zu stellen. Von der Sicherstellung haben sie unverzüglich der zuständigen Staatsanwaltschaft zu berichten. Erklärt diese, dass die Voraussetzungen einer Sicherstellung gemäß § 110 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631, nicht vorliegen, ist die Sicherstellung sogleich aufzuheben. Im Übrigen tritt die vorläufige Sicherstellung außer Kraft, wenn seit ihrer Erlassung sechs Monate vergangen sind oder sobald das Gericht den Antrag auf Beschlagnahme rechtskräftig abgewiesen hat.
(2) Im Zusammenhang mit der Kontrolle von Neuen Psychoaktiven Substanzen, die zu dem im Abs. 1 genannten Zweck nach oder aus Österreich befördert werden, dürfen die Zollbehörden personenbezogene Daten ermitteln und verarbeiten (§ 4 Z 9 des Datenschutzgesetzes 2000 - DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999) und diese den zuständigen Strafverfolgungsbehörden übermitteln, soweit dies zur Erfüllung deren gesetzlicher Aufgabe erforderlich ist.“
Monitoring
§ 8. (1) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit hat mit dem Ziel der Vorbeugung vor den mit dem Missbrauch für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten einher gehenden Gefahren Sorge zu tragen für die
- 1. Beobachtung des Marktes im Hinblick auf das Auftreten Neuer Psychoaktiver Substanzen,
- 2. Bewertung der Risiken der Neuen Psychoaktiven Substanzen, soweit dies auf Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen möglich ist,
- 3. Information der maßgeblichen Stellen des Gesundheitswesens über die gemäß Z 1 und 2 gewonnenen Erkenntnisse.
(2) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann mit den Maßnahmen gemäß Abs. 1 die nationale Kontaktstelle im Informationsnetz der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (§ 26a des Suchtmittelgesetzes) beauftragen. Diese kann zur Beratung in Fragen der Neuen Psychoaktiven Substanzen einen Fachbeirat aus Sachverständigen der einschlägigen Fachgebiete aus Wissenschaft und Praxis einrichten. Die Tätigkeit der Sachverständigen im Fachbeirat ist ehrenamtlich. Allfällige Reisekosten sind vom Bundesminister oder von der Bundesministerin für Gesundheit nach der höchsten Gebührenstufe der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, zu ersetzen.
Vollziehung
§ 9. Mit der Vollziehung ist hinsichtlich
- 1. der §§ 4 und 5 die Bundesministerin oder der Bundesminister für Justiz,
- 2. des § 6 die Bundesministerin oder der Bundesminister für Inneres,
- 3. des § 7 die Bundesministerin oder der Bundesminister für Finanzen,
- 4. der übrigen Bestimmungen der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit
betraut.
Schlussbestimmungen
§ 10. (1) Soweit dieses Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verweist, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
(2) Die Durchführungsverordnung gemäß § 3 darf bereits ab dem der Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag erlassen werden. Sie darf jedoch nicht vor dem Inkrafttreten Bundesgesetzes in Kraft treten.
Inkrafttreten
§ 11. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2012 in Kraft.
Fischer
Faymann
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