106. Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz - KSG)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Ziel
§ 1. Dieses Bundesgesetz soll eine koordinierte Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Klimaschutz ermöglichen.
Maßnahmen
§ 2. Maßnahmen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind solche, die eine messbare, berichtbare und überprüfbare Verringerung von Treibhausgasemissionen oder Verstärkung von Kohlenstoffsenken zur Folge haben, die in der österreichischen Treibhausgasinventur gemäß den geltenden völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Berichtspflichten abgebildet werden. Darunter fallen hoheitliche und privatwirtschaftliche Maßnahmen des Bundes und der Länder.
Aufteilung der festgelegten Höchstmengen von Treibhausgasemissionen; Verhandlungen zur Erarbeitung von Maßnahmen
§ 3. (1) Die gemäß völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Republik Österreich geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen werden gemäß den Anlagen festgelegt. Die Höchstmengen können auch auf Sektoren aufgeteilt festgelegt werden.
(2) Zur Erarbeitung von Maßnahmen zur Einhaltung der Höchstmengen in den jeweiligen Sektoren haben Verhandlungen stattzufinden. In den Verhandlungen sind insbesondere Maßnahmenmöglichkeiten in den folgenden Bereichen zu berücksichtigen: Steigerung der Energieeffizienz, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger am Endenergieverbrauch, Steigerung der Gesamtenergieeffizienz im Gebäudebereich, Einbeziehung des Klimaschutzes in die Raumplanung, Mobilitätsmanagement, Abfallvermeidung, Schutz und Erweiterung natürlicher Kohlenstoffsenken sowie ökonomische Anreize zum Klimaschutz. Maßnahmen können auch in Form von mehrjährigen Maßnahmenprogrammen sowie als gemeinsame Maßnahmen der Gebietskörperschaften ausgearbeitet werden. Die Verantwortlichkeit zur Führung von Verhandlungen in den jeweiligen Sektoren obliegt den analog zu den Klimastrategien 2002 und 2007 zuständigen Bundesministern, subsidiär den gemäß Bundesministeriengesetz 1986 (BMG), BGBl. Nr. 76 in der jeweils geltenden Fassung zuständigen Bundesministern. Die Verhandlungen sind jeweils einen Monat nach Vorliegen eines Vorschlags des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 4 Abs. 3 aufzunehmen. Die Verhandlungen sind jeweils innerhalb von neun Monaten vor Beginn eines Verpflichtungszeitraums, das ist für den Verpflichtungszeitraum 2013 bis 2020 der 31. März 2012, abzuschließen. Bei Überschreiten der gemäß völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Republik Österreich ab dem Jahr 2013 geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen sind auf Basis einer Evaluierung der gesetzten Maßnahmen umgehend weitere Verhandlungen über die Stärkung bestehender oder Einführung zusätzlicher Maßnahmen zu führen. Diese Verhandlungen sind jeweils binnen sechs Monaten abzuschließen.
(3) Das Ergebnis der Verhandlungen gemäß Abs. 2 ist gesondert festzuhalten. Die festgelegten Maßnahmen sind umgehend umzusetzen.
(4) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat dem Nationalen Klimaschutzkomitee (§ 4) über den Ausgang der Verhandlungen gemäß Abs. 2 und die festgelegten Maßnahmen gemäß Abs. 3 zu berichten.
Nationales Klimaschutzkomitee
§ 4. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat ein Nationales Klimaschutzkomitee einzurichten.
(2) Aufgabe des Nationalen Klimaschutzkomitees ist die Erörterung von Grundsatzfragen zur langfristigen österreichischen Klimapolitik, insbesondere die Ausarbeitung von Klimaschutzstrategien als Planungsgrundlage für die Aufteilung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen auf Sektoren für Verpflichtungszeiträume ab dem Jahr 2013, von langfristigen Szenarien zur Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energieträger am Endenergieverbrauch sowie von langfristigen Reduktionspfaden hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft. Die Fortschrittsberichte (§ 6) betreffend Einhaltung der gemäß § 3 Abs. 1 festgelegten Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und die Berichte gemäß § 3 Abs. 4 sind in den Arbeiten des Nationalen Klimaschutzkomitees zu berücksichtigen.
(3) Die Ausarbeitung von Planungsgrundlagen für die Aufteilung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen auf Sektoren für Verpflichtungszeiträume ab dem Jahr 2013 erfolgt jeweils auf Grundlage eines Vorschlags des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf Basis von im Inland wirksamen Maßnahmen. Die endgültige Festlegung der Aufteilung erfolgt im Rahmen einer gesonderten Vereinbarung, wobei diese Aufteilung auch in der Anlage 2 festzuhalten ist.
(4) Das Nationale Klimaschutzkomitee setzt sich aus je einem hochrangigen Vertreter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, des Bundesministeriums für Gesundheit, der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, des Österreichischen Gewerkschaftsbunds sowie der neun Bundesländer zusammen. Das Nationale Klimaschutzkomitee fasst seine Empfehlungen gemäß Abs. 2 mit einer Stimmenmehrheit von drei Vierteln bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Vertreter. Die näheren Modalitäten regelt eine Geschäftsordnung, welche vom Nationalen Klimaschutzkomitee bei seiner ersten Sitzung beschlossen wird.
(5) Vorsitzender des Nationalen Klimaschutzkomitees ist der Vertreter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Stellvertretender Vorsitzender ist der Vertreter jenes Bundeslandes, das den Vorsitz im Rahmen der Landesumweltreferentenkonferenz führt.
(6) Das Nationale Klimaschutzkomitee tritt mindestens einmal im Jahr zusammen.
Nationaler Klimaschutzbeirat
§ 5. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat einen Nationalen Klimaschutzbeirat einzurichten.
(2) Der Nationale Klimaschutzbeirat hat das Nationale Klimaschutzkomitee in seinen Aufgaben gemäß § 4 Abs. 2 zu beraten.
(3) Der Nationale Klimaschutzbeirat setzt sich aus je einem Vertreter der im Nationalrat vertretenen Parteien, des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, der Vereinigung der Österreichischen Industrie, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes, des Umweltbundesamtes, von Österreichs Energie, des Verbandes Erneuerbare Energie Österreich, der Wissenschaft, drei Vertretern der Bundesländer sowie drei Vertretern österreichischer Umweltschutzorganisationen zusammen. Er fasst seine Empfehlungen mit einfacher Stimmenmehrheit bei Anwesenheit von mindestens sechs Vertretern. Für die Tätigkeit der Vertreter wird keine Entschädigung geleistet. Die näheren Modalitäten regelt eine Geschäftsordnung, welche vom Nationalen Klimaschutzbeirat bei seiner ersten Sitzung beschlossen wird.
(4) § 4 Abs. 5 und 6 sind sinngemäß anzuwenden.
Fortschrittsbericht
§ 6. Über den Fortschritt bei der Einhaltung der gemäß § 3 Abs. 1 festgelegten Höchstmengen von Treibhausgasemissionen hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft dem Nationalrat sowie dem Nationalen Klimaschutzkomitee jährlich einen schriftlichen Bericht vorzulegen. Der Bericht ist nach Sektoren gemäß den Anlagen zu untergliedern.
Klimaschutz-Verantwortlichkeitsmechanismus
§ 7. Die Verantwortlichkeiten im Falle eines Überschreitens der gemäß völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Verpflichtungen für die Republik Österreich ab dem Jahr 2013 geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen sind in einer gesonderten Vereinbarung festzuhalten. Für den Verpflichtungszeitraum 2008 bis 2012 fallen für die Bundesländer keine finanziellen Verpflichtungen im Falle der Überschreitung der in der Anlage 1 festgelegten Höchstmengen von Treibhausgasen an. Allfällige Verpflichtungen des Bundes im Falle der Überschreitung der in der Anlage 1 festgelegten Höchstmengen von Treibhausgasen sind unter Einhaltung des jeweils geltenden Bundesfinanzrahmengesetzes zu bedecken.
Vollziehung
§ 8. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, soweit Abs. 2 nicht anderes bestimmt, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut.
(2) Mit der Vollziehung des § 3 Abs. 2 ist der gemäß BMG jeweils zuständige Bundesminister betraut.
Geschlechtsneutrale Funktionsbezeichnungen
§ 9. Die in diesem Bundesgesetz verwendeten Funktionsbezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.
Anlage 1
Höchstmengen von Treibhausgasemissionen nach Sektoren
für den Verpflichtungszeitraum 2008 bis 2012
in Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxidäquivalent
Sektor | Höchstmengen von Treibhaus-gasemissionen 2008 bis 2012 |
Raumwärme CRF-Sektoren 1A4a, 1A4b und 1A4c | 59,5 |
Energieaufbringung CRF-Sektor 1A1 | Nicht- Emissionshandel: 8,9 |
Abfallwirtschaft CRF-Sektor 6 | 10,5 |
Verkehr CRF-Sektor 1A3 | 94,5 |
Industrie und produzierendes Gewerbe CRF-Sektoren 1A2 und 2A, 2B, 2C, 2D und 2G | Nicht- Emissionshandel: 18,4 |
„Fluorierte Gase“ CRF-Sektoren 2E und 2F | 7,0 |
Sonstige Emissionen CRF-Sektoren 1A5, 1B und 3 | 4,5 |
Landwirtschaft CRF-Sektor 4 | 35,5 |
Anlage 2
Handlungsbedarf für den Verpflichtungszeitraum 2013 bis 2020
Gemäß Anhang II der Entscheidung 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Anstrengungen der Mitgliedsstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 sind die Emissionen von Treibhausgasen Österreichs außerhalb des EU-Emissionshandelssystems bis zum Jahr 2020 um 16 % zu verringern (bezogen auf das Referenzjahr 2005), wobei ein linearer Zielpfad ausgehend von der gemeldeten und überprüften mittleren jährlichen Emissionsmenge in den Jahren 2008, 2009 und 2010 im Zeitraum 2013 bis 2020 einzuhalten ist.
Fischer
Faymann
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