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BGBl II 100/2008

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

100. Verordnung: Gerberei-Ausbildungsordnung

100. Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Berufsausbildung im Lehrberuf Gerberei (Gerberei-Ausbildungsordnung)

Auf Grund der §§ 8 und 24 des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2006, wird verordnet:

Lehrberuf Gerberei

§ 1. (1) Der Lehrberuf Gerberei ist mit einer Lehrzeit von drei Jahren eingerichtet.

(2) Die in dieser Verordnung gewählten Begriffe schließen jeweils die männliche und weibliche Form ein. Im Lehrvertrag, Lehrzeugnis, Lehrbrief und im Lehrabschlussprüfungszeugnis ist der Lehr-beruf in der dem Geschlecht des Lehrlings entsprechenden Form (Gerber oder Gerberin) zu bezeichnen.

Berufsprofil

§ 2. Durch die Berufsausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule soll der im Lehrberuf Gerberei ausgebildete Lehrling befähigt werden, die nachfolgenden Tätigkeiten fachgerecht, selbständig und eigenverantwortlich ausführen zu können:

  1. 1. Lagern, Sortieren und Vorbereiten der Rohware sowie der erforderlichen Chemikalien und Hilfsstoffe,
  2. 2. Verarbeiten der Rohware zu Blößen durch Bearbeitungsverfahren wie Weichen, Äschern, Entfetten, Enthaaren, Crouponieren, Entfleischen und Spalten,
  3. 3. Herstellen von Leder durch pflanzliches und mineralisches oder synthetisches Gerben der Blößen in Fässern oder Maschinen,
  4. 4. Zurichten von Leder durch Verfahrensschritte wie Falzen, Färben, Nachgerben, Finischen, Bügeln oder Prägen,
  5. 5. Erfassen technischer Daten über den Arbeitsablauf und Beurteilen der Qualität der Produkte,
  6. 6. Ausführen der Arbeiten unter Berücksichtigung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften, Normen und Umweltstandards.

Berufsbild

§ 3. (1) Für die Ausbildung im Lehrberuf Gerberei wird folgendes Berufsbild festgelegt. Die angeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sind spätestens in dem jeweils angeführten Lehrjahr beginnend derart zu vermitteln, dass der Lehrling zur Ausübung qualifizierter Tätigkeiten im Sinne des Berufsprofils befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen, Kontrollieren und Optimieren einschließt.

Pos.

1. Lehrjahr

2. Lehrjahr

3. Lehrjahr

1.

Kenntnis der Betriebs- und Rechtsform des Lehrbetriebes

-

-

2.

Kenntnis des organisatorischen Aufbaus und der Aufgaben und Zuständigkeiten der einzelnen Betriebsbereiche

-

3.

Einführung in die Aufgaben, die Branchenstellung und das Angebot des Lehrbetriebs

Kenntnis der Marktposition und des Kundenkreises des Lehrbetriebes

4.

Kenntnis der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes

5.

Kenntnis der Arbeitsplanung und Arbeitsvorbereitung

Durchführen der Arbeitsplanung; Festlegen von Arbeitsschritten, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden

6.

Führen von Gesprächen mit Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Lieferanten unter Beachtung der fachgerechten Ausdrucksweise

7.

Handhaben und Instandhalten der zu verwendenden Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Arbeitsbehelfe

8.

Kenntnis der Rohware und Hilfsstoffe, der verwendeten Chemikalien, ihrer Eigenschaften, Verarbeitungs- und Verwendungsmöglichkeiten

9.

Grundkenntnisse der facheinschlägigen Richtlinien, Bearbeitungshinweise und Verarbeitungshinweise

10.

Lesen von technischen Unterlagen wie von technischen Merkblättern, Rezepturen und Sicherheitsdatenblättern

11.

Grundlegende Fertigkeiten in der Werkstoffbearbeitung von Hand und unter Verwendung von Maschinen und Geräten

-

12.

Kenntnis des Aufbaus und der Funktion der in der Gerberei eingesetzten Geräte, Apparate und Maschinen wie zB Entfleischmaschine, Gerbfässer, Färbefässer, Stollmaschinen, Schleifmaschinen, Bügelmaschinen

13.

Mitarbeit beim Einrichten, Bedienen und Überwachen von Geräten, Apparaten und Maschinen

Einrichten, Bedienen und Überwachen von Geräten, Apparaten und Maschinen

14.

-

Durchführen einfacher Instandhaltungsarbeiten sowie Erkennen und Beseitigen von Störungen an Geräten, Apparaten und Maschinen

15.

Kenntnis der Konservierungs-verfahren für Rohhäute und Rohfellen sowie Konservieren und Lagern von Rohwaren und Hilfsstoffen

-

-

16.

-

Kenntnis des Sortierens der Rohhäute und Rohfelle sowie Mitarbeit beim Sortieren

Sortieren von Rohhäuten und Rohfellen

17.

Kenntnis der Verfahrens-schritte (Weichen, Äschern) zur Enthaarung der Rohware

-

-

18.

Weichen und Äschern zur Enthaarung der Rohware

-

19.

-

Kenntnis der Verfahrens-schritte (Äschern, Crouponieren, Spalten, Entkalken, Beizen, Entfetten) zur Herstellung der Blößen

-

20.

-

Äschern, Crouponieren, Spalten, Entkalken und Beizen zur Herstellung der Blößen

21.

Kenntnis des Pickelns und des Vorgerbens für die verschiedenen Gerbarten

Pickeln und Vorgerben unter Beachtung der verwendeten Gerbart

22.

Kenntnis der Gerbverfahren (wie zB pflanzliche, mineralische, synthetische Fettgerbung, Kombinationsgerbung), des Abwelkens, Falzens und Trocknens

-

23.

-

Anwenden des dem Leder oder Fell entsprechenden Gerbverfahrens und Abwelken, Falzen und Trocknen

24.

Kenntnis der Nasszurichtverfahren wie Neutralisieren, Nachgerben, Färben sowie Fetten

-

25.

-

Nasszurichten von Leder durch Neutralisieren, Nachgerben, Färben sowie Fetten

26.

-

Kenntnis der verschiedenen Trocknungsarten wie zB Hängetrocknen, Spanntrocknen, Vacuumieren

27.

Kenntnis der verschiedenen Zurichtungsarten und Auftragstechniken wie Stollen, Millen, Walken, Schleifen, Spannen, Entstauben, Narben pressen, Bügeln, Glanzstoßen, Polieren, Walzen, Prägen

-

28.

-

Anwenden von Zurichtungsarten und Auftragstechniken wie Stollen, Millen, Walken, Schleifen, Spannen, Entstauben, Narben pressen, Bügeln, Glanzstoßen, Polieren, Walzen, Prägen

29.

-

Kenntnis der Farbstoff-lösungen, Grundierungen, Deckfarben, Appreturen und deren Rezepturen sowie der Auftragsverfahren

Auftragen von Farbstoff-lösungen, Grundierungen, Deckfarben und Appreturen

30.

-

Durchführen von Prozesskontrollen und Prozessoptimierungen sowie Erfassen von Betriebsdaten

31.

-

Kenntnis und Durchführung von betriebsspezifischen Kontrollen der Rohwaren und Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte

32.

-

Kenntnis des Sortierens, Messens und Lagerns des Leders und der Felle sowie Mitarbeit beim Sortieren, Messen und Lagern

Sortieren, Messen und Lagern von Leder und Fellen

33.

Grundkenntnisse der betrieblichen Kosten, deren Beeinflussbarkeit und deren Auswirkungen

-

34.

Kenntnis der Qualitätssicherung einschließlich der Reklamationsbearbeitung und Durchführung von betriebsspezifischen, qualitätssichernden Maßnahmen

35.

Kenntnis der betriebsspezifischen Hard- und Software

-

36.

Kenntnis über Inhalt und Ziel der Ausbildung sowie über wesentliche einschlägige Weiterbildungsmöglichkeiten

37.

Kenntnis der einschlägigen Sicherheitsvorschriften und Normen sowie der einschlägigen Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit, insbesondere hinsichtlich von Gerüsten und Arbeitsbühnen

38.

Grundkenntnis der Erstversorgung bei betriebsspezifischen Arbeitsunfällen

39.

Die für den Lehrberuf relevanten Maßnahmen und Vorschriften zum Schutze der Umwelt: Grundkenntnisse der betrieblichen Maßnahmen zum sinnvollen Energieeinsatz im berufs-relevanten Arbeitsbereich; Grundkenntnisse der im berufsrelevanten Arbeitsbereich anfallenden Reststoffe und deren Trennung, Verwertung sowie über die Entsorgung des Abfalls

40.

Kenntnis der sich aus dem Lehrvertrag ergebenden Verpflichtungen (§§ 9 und 10 Berufsausbildungsgesetz)

41.

Grundkenntnisse der aushangpflichtigen arbeitsrechtlichen Vorschriften

(2) Bei der Ausbildung in den fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten ist − unter besonderer Beachtung der betrieblichen Erfordernisse und Vorgaben − auf die Persönlichkeitsbildung des Lehrlings zu achten, um ihm die für eine Fachkraft erforderlichen Schlüsselqualifikationen bezüglich Sozialkompetenz (wie Offenheit, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit), Selbstkompetenz (wie Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen, Eigenständigkeit, Belastbarkeit), Methodenkompetenz (wie Präsentationsfähigkeit, Rhetorik in deutscher Sprache, Verständigungsfähigkeit in den Grundzügen der englischen Sprache) und Kompetenz für das selbstgesteuerte Lernen (wie Bereitschaft, Kenntnis über Methoden, Fähigkeit zur Auswahl geeigneter Medien und Materialien) zu vermitteln.

Lehrabschlussprüfung

Gliederung

§ 4. (1) Die Lehrabschlussprüfung gliedert sich in eine theoretische und in eine praktische Prüfung.

(2) Die theoretische Prüfung umfasst die Gegenstände Gerbtechnik und Angewandte Mathematik.

(3) Die theoretische Prüfung entfällt, wenn der Prüfungskandidat das Erreichen des Lehrziels der letzten Klasse der fachlichen Berufsschule oder den erfolgreichen Abschluss einer die Lehrzeit ersetzenden berufsbildenden mittleren oder höheren Schule nachgewiesen hat.

(4) Die praktische Prüfung umfasst die Gegenstände Prüfarbeit und Fachgespräch.

Theoretische Prüfung

Allgemeine Bestimmungen

§ 5. (1) Die theoretische Prüfung hat schriftlich zu erfolgen. Sie kann für eine größere Anzahl von Prüflingen gemeinsam durchgeführt werden, wenn dies ohne Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs möglich ist. Die theoretische Prüfung kann auch in rechnergestützter Form erfolgen, wobei jedoch alle wesentlichen Schritte für die Prüfungskommission nachvollziehbar sein müssen.

(2) Die theoretische Prüfung ist grundsätzlich vor der praktischen Prüfung abzuhalten.

(3) Die Aufgaben haben nach Umfang und Niveau dem Zweck der Lehrabschlussprüfung und den Anforderungen der Berufspraxis zu entsprechen. Sie sind den Prüflingen anlässlich der Aufgabenstellung getrennt zu erläutern.

(4) Die schriftlichen Arbeiten des Prüflings sind entsprechend zu kennzeichnen.

Gerbtechnik

§ 6. (1) Die Prüfung hat die stichwortartige Beantwortung von Fragen aus sämtlichen nachstehenden Bereichen zu umfassen:

  1. 1. Rohwaren, Werkstoffe und Hilfsstoffe,
  2. 2. Werkzeuge, Geräte und Maschinen,
  3. 3. Arbeitsverfahren.

(2) Die Prüfung kann auch in programmierter Form mit Fragebögen erfolgen. In diesem Fall sind aus jedem Bereich je zehn Fragen zu stellen.

(3) Die Aufgaben sind so zu stellen, dass sie in der Regel in 60 Minuten durchgeführt werden können.

(4) Die Prüfung ist nach 80 Minuten zu beenden.

Angewandte Mathematik

§ 7. (1) Die Prüfung hat Aufgaben aus sämtlichen nachstehenden Bereichen zu umfassen:

  1. 1. Längen- und Flächenberechnung,
  2. 2. Volums- und Masseberechnung,
  3. 3. Technische Berechnungen,
  4. 4. Rezepturberechnungen.

(2) Die Verwendung von Rechenbehelfen, Formeln und Tabellen ist zulässig.

(3) Die Aufgaben sind so zu stellen, dass sie in der Regel in 40 Minuten durchgeführt werden können.

(4) Die Prüfung ist nach 60 Minuten zu beenden.

Praktische Prüfung

Prüfarbeit

§ 8. (1) Die Prüfung ist nach Angabe der Prüfungskommission in Form der Bearbeitung eines betrieblichen Arbeitsauftrages durchzuführen.

(2) Die Aufgabe hat sich auf die Herstellung eines Werkstückes unter Einschluss von Arbeits-planung, Maßnahmen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit, allenfalls erforderliche Maßnahmen zum Umweltschutz und Maßnahmen der Qualitätskontrolle zu erstrecken, wobei insbesondere folgende Fertigkeiten nachzuweisen sind:

  1. 1. Sortieren,
  2. 2. Gerben,
  3. 3. Zurichten,
  4. 4. Beurteilen von Leder oder Fellen.

Die einzelnen Schritte bei der Ausführung der Aufgabe sind von Hand oder rechnergestützt zu dokumentieren. Die Prüfungskommission kann dem Prüfling anlässlich der Aufgabenstellung hierfür entsprechende Unterlagen zur Verfügung stellen.

(3) Die Prüfungskommission hat unter Bedachtnahme auf den Zweck der Lehrabschlussprüfung, die Anforderungen der Berufspraxis und das Tätigkeitsgebiet des Lehrbetriebs jedem Prüfling eine Prüfarbeit zu stellen, die in der Regel in fünf Stunden durchgeführt werden kann.

(4) Die Prüfung ist nach sieben Stunden zu beenden.

(5) Für die Bewertung der Prüfarbeit sind folgende Kriterien maßgebend:

  1. 1. fachgerechte Ausführung,
  2. 2. Genauigkeit und Sauberkeit,
  3. 3. Verwenden der richtigen Werkzeuge, Geräte und Maschinen,
  4. 4. Beachtung des Umweltaspektes.

Fachgespräch

§ 9. (1) Das Fachgespräch ist vor der gesamten Prüfungskommission abzulegen.

(2) Das Fachgespräch hat sich aus der praktischen Tätigkeit heraus zu entwickeln. Hierbei ist unter Verwendung von Fachausdrücken das praktische Wissen des Prüflings festzustellen. Im Fachgespräch soll der Prüfling zeigen, dass er fachbezogene Probleme und deren Lösungen darstellen, die für einen Auftrag relevanten fachlichen Hintergründe aufzeigen und die Vorgehensweise bei der Ausführung dieses Auftrags begründen kann.

(3) Die Themenstellung hat dem Zweck der Lehrabschlussprüfung und den Anforderungen der Berufspraxis zu entsprechen. Hierbei sind Werkzeuge, Demonstrationsobjekte, Arbeitsbehelfe oder Schautafeln heranzuziehen. Fragen über einschlägige Sicherheitsvorschriften, Schutzmaßnahmen und Unfallverhütung sowie über einschlägige Umweltschutzmaßnahmen und Entsorgungsmaßnahmen sind mit einzubeziehen. Die Prüfung ist in Form eines möglichst lebendigen Gesprächs mit Gesprächsvorgabe durch Schilderung von Situationen oder Problemen durchzuführen.

(4) Das Fachgespräch soll für jeden Prüfling 15 Minuten dauern. Eine Verlängerung um höchstens zehn Minuten hat im Einzelfall zu erfolgen, wenn der Prüfungskommission ansonsten eine zweifelsfreie Bewertung der Leistung des Prüflings nicht möglich ist.

Wiederholungsprüfung

§ 10. (1) Die Lehrabschlussprüfung kann wiederholt werden.

(2) Wenn bis zu zwei Gegenstände mit „Nicht genügend“ bewertet wurden, ist die Wiederholungs-prüfung auf die mit „Nicht genügend“ bewerteten Gegenstände zu beschränken.

(3) Wenn mehr als zwei Gegenstände mit „Nicht genügend“ bewertet wurden, ist die gesamte Prüfung zu wiederholen.

Inkrafttreten und Schlussbestimmungen

§ 11. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. April 2008 in Kraft.

(2) Die Ausbildungsordnung für den Lehrberuf Gerberei, BGBl. II Nr. 305/2000, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 177/2005, tritt unbeschadet Abs. 3 mit Ablauf des 31. März 2008 außer Kraft.

(3) Lehrlinge, die am 31. März 2008 im Lehrberuf Gerberei ausgebildet werden, können gemäß der in Abs. 2 angeführten Ausbildungsordnung bis zum Ende der vereinbarten Lehrzeit weiter ausgebildet werden und können bis ein Jahr nach Ablauf der vereinbarten Lehrzeit zur Lehrabschlussprüfung auf Grund der in der Ausbildungsordnung gemäß Abs. 2 enthaltenen Prüfungsvorschriften antreten.

(4) Die Lehrzeiten, die im Lehrberuf Gerberei zurückgelegt wurden, sind auf die Lehrzeit im Lehrberuf Gerberei gemäß dieser Verordnung voll anzurechnen.

Bartenstein

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