12. Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Rechtskanzleiassistent/ Rechtskanzleiassist-entin erlassen werden
Auf Grund des § 8 des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 79/2003, wird verordnet:
Lehrberuf Rechtskanzleiassistent/Rechtskanzleiassistentin
§ 1. Der Lehrberuf Rechtskanzleiassistent/Rechtskanzleiassistentin ist mit einer Lehrzeit von drei Jahren eingerichtet.
Berufsprofil
§ 2. Durch die Berufsausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule soll der ausgebildete Lehrling befähigt werden, die nachfolgenden Tätigkeiten fachgerecht, selbstständig und eigenverantwortlich auszuführen:
- 1. Arbeiten im Posteingang und Postausgang erledigen,
- 2. Texte und Schriftstücke aufgrund von Vorgaben korrekt und formgerecht erstellen,
- 3. Bestände (wie Büromaterial, Dokumente, Büroeinrichtungen) beschaffen und führen,
- 4. Arbeiten im Rahmen des Zahlungsverkehrs durchführen,
- 5. Arbeiten im Zusammenhang mit Gerichts- und Behördenangelegenheiten, insbesondere Fristlegung von Akten, Schriftstücken und Geschäftsstücken durchführen,
- 6. Kurrentien behandeln (Rechtsanwaltskanzlei), im Urkundswesen und in der Beurkundungstätigkeit mitwirken, Führen von Registern (Notariatskanzlei),
- 7. Termine koordinieren und überwachen, Verhandlungen und Besprechungen vorbereiten und nachbereiten,
- 8. Behörden, Mandanten, Parteien oder Parteienvertreter anmelden, informieren und betreuen,
- 9. Administrative Arbeiten mit Hilfe der betrieblichen Informations- und Kommunikationssysteme durchführen,
- 10. an der betrieblichen Buchführung und Kostenrechnung mitwirken,
- 11. Statistiken, Dateien und Karteien anlegen, warten und auswerten.
Berufsbild
§ 3. (1) Für die Ausbildung wird folgendes Berufsbild festgelegt. Die angeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sind spätestens in dem jeweils angeführten Lehrjahr beginnend derart zu vermitteln, dass der Lehrling zur Ausübung qualifizierter Tätigkeiten im Sinne des Berufsprofils befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen, Kontrollieren und Optimieren einschließt.
Pos. | 1. Lehrjahr | 2. Lehrjahr | 3. Lehrjahr |
---|---|---|---|
1 | Der Lehrbetrieb | ||
1.1 | Wirtschaftliche Stellung des Lehrbetriebes | ||
1.1.1 | Grundkenntnisse über die Organisation, die Kommunikation, die Aufgaben und das Leistungsangebot, die sich aus der Stellung des Betriebes im jeweiligen Wirtschaftsbereich ergeben | Kenntnis der Organisation, der Kommunikation, der Aufgaben und des Leistungsangebotes, die sich aus der Stellung des Betriebes im jeweiligen Wirtschaftsbereich ergeben | |
1.1.2 | Grundkenntnisse über die Branchenstellung und ihre Beziehungen zur übrigen Wirtschaft | - | - |
1.1.3 | - | Kenntnis der Marktposition, der betriebsspezifischen Kontakte zu den jeweiligen Auftraggebern, Auftragnehmern, Kunden, Parteien, Patienten oder Klienten und deren Verhalten | |
1.1.4 | - | Kenntnis der für den Betrieb maßgeblichen Standorteinflüsse und des Kundenverhaltens | |
1.1.5 | - | Kenntnis der Rechtsform und Grundkenntnisse über die spezifischen Rechtsvorschriften, sowie über die sich daraus ergebenden Aufgaben des Lehrbetriebs | |
1.2 | Einrichtungen, Arbeitssicherheit, Unfallverhütung und Umweltschutz | ||
1.2.1 | Kenntnis und funktionsgerechte Anwendung der betrieblichen Einrichtungen und der technischen Betriebsmittel und Hilfsmittel | ||
1.2.2 | Kenntnis der Unfallgefahren, über Erste-Hilfe-Maßnahmen, sowie der einschlägigen Sicherheitsvorschriften und der sonstigen in Betracht kommenden Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit | ||
1.2.3 | Grundkenntnisse der behördlichen Aufsichtsorgane, Sozialversicherungen und Interessenvertretungen, sowie der aushangpflichtigen arbeitsrechtlichen Vorschriften | ||
1.2.4 | Kenntnis der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes | ||
1.2.5 | Kenntnis der Vermeidung, umweltgerechten Trennung und Entsorgung von im Betrieb anfallenden Abfall- und Reststoffen | ||
1.2.6 | Kenntnis und Anwendung der betrieblichen Vorschriften über Hygiene und Brandverhütung | - | - |
1.3 | Ausbildung im dualen System | ||
1.3.1 | Kenntnis der sich aus dem Lehrvertrag ergebenden Verpflichtungen (§§ 9 und 10 des Berufsausbildungsgesetzes) | ||
1.3.2 | Kenntnis über Inhalt und Ziel der Ausbildung sowie über wesentliche einschlägige Weiterbildungsmöglichkeiten | ||
2 | Verwaltung, Organisation, Kommunikation und EDV | ||
2.1 | Verwaltung | ||
2.1.1 | Kenntnis des organisatorischen Aufbaus, der Aufgaben, Zuständigkeiten und Zusammenhänge der einzelnen Betriebsbereiche und der Beziehungen zu außerbetrieblichen einschlägigen Unternehmen | ||
2.1.2 | Kenntnis der betrieblichen Arbeitsabläufe | ||
2.1.3 | Anlegen, Führen und Archivieren von Dateien, Statistiken, Karteien und Akten | ||
2.1.4 | - | Auswerten von betriebsspezifischen Statistiken und Berichten und entscheidungsorientierte Bewertung der Ergebnisse | |
2.2 | Organisation und Qualität | ||
2.2.1 | Fach- und funktionsgerechte Verwendung und Pflege der betrieblichen, bürotechnischen Organisations-, Arbeits- und Kommunikationsmittel | ||
2.2.2 | - | - | Kenntnis der Risken, die sich aus dem Arbeitsumfeld ergeben, deren Versicherungsmöglichkeiten sowie Verhalten im Schadensfall |
2.2.3 | - | Kenntnis der betriebsüblichen Behandlung und des Verhaltens bei Reklamationen oder Beschwerden | Mitwirken beim Behandeln von Reklamationen oder Beschwerden |
2.2.4 | - | Grundkenntnisse über das Leistungsangebot von Bahn, Post, anderen Verkehrsträgern und Kommunikationseinrichtungen | |
2.2.5 | Administration und Organisation von Terminen und/oder Dienstreisen sowie Vor- und Nachbereiten von Verhandlungen und Besprechungen | ||
2.2.6 | Grundkenntnisse des Qualitätswesens | Kenntnis des betriebsüblichen Qualitätsmanagements | |
2.2.7 | Kenntnis über Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung | - | |
2.3 | Kommunikation | ||
2.3.1 | Schreiben nach konkreter Vorgabe und allgemeinen Angaben, Schreiben von Standardbriefen | ||
2.3.2 | Arbeiten mit Formularen und Vordrucken | ||
2.3.3 | Sprach- und fachgerechte Ausdrucksweise (deutsch- und fremdsprachig) | ||
2.3.4 | Führen von zielgerichteten Gesprächen (deutsch- und fremdsprachig) | ||
2.3.5 | Kunden-, Patienten- und mitarbeiterorientierte Kommunikation | ||
2.3.6 | Kenntnis des fachgerechten Verhaltens gegenüber Auftraggebern, Auftragnehmern, Kunden, Parteien, Klienten oder Lieferanten | ||
2.3.7 | Einschlägige Schriftverkehrsarbeiten, Arbeiten bei Postein- und -ausgang, Ablage, Evidenz und Registratur | ||
2.3.8 | - | Kenntnis der facheinschlägigen fremdsprachigen Fachausdrücke | |
2.3.9 | - | Grundkenntnisse über die branchen- und betriebsüblichen Mittel und Möglichkeiten von Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit | Kenntnis der branchen- und betriebsüblichen Mittel und Möglichkeiten von Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit |
2.3.10 | - | Mitwirken bei der Betreuung und Beratung von Kunden, Klienten, Patienten oder Parteien | |
2.4 | EDV | ||
2.4.1 | Grundkenntnisse über die Struktur der betrieblichen EDV (Anwendung und Aufgabe der EDV in der Betriebsorganisation wie Textverarbeitung, Kalkulation, Bestellwesen, Buchhaltung und Lagerhaltung) | Kenntnis der Struktur der betrieblichen EDV (Anwendung und Aufgabe der EDV in der Betriebsorganisation wie Textverarbeitung, Kalkulation, Bestellwesen, Buchhaltung und Lagerhaltung) | - |
2.4.2 | - | Kenntnis und Anwendung der betrieblichen Einrichtungen der EDV (Hardware, Software und Betriebssysteme) | |
2.4.3 | - | Durchführen arbeitsplatzspezifischer EDV-Anwendungen (wie Textverarbeitung, Kalkulation, Internet, e-mail, Buchhaltung, Terminüberwachung und Ablage) | |
2.4.4 | Grundkenntnisse über den Stand und die Entwicklung neuer arbeitsplatzspezifischer Anwendungen der EDV | ||
2.4.5 | Grundkenntnisse über den Datenschutz | ||
2.4.6 | Erstellen und Warten von Textbausteinen und Adressdateien | ||
3 | Beschaffung und Angebot (Arbeitsmittel, Material, Waren, Dienstleistungen) | ||
3.1 | Beschaffung | ||
3.1.1 | Grundkenntnisse über die branchen- und betriebsspezifischen Beschaffungsmöglichkeiten und über die Ermittlung des Bedarfs | Kenntnis der branchen- und betriebsspezifischen Beschaffungsmöglichkeiten und der organisatorischen Durchführung der Beschaffung | - |
3.1.2 | - | - | Mitwirken bei der Ermittlung des Bedarfs |
3.1.3 | - | Vorbereitung von und Mitwirken bei Bestellungen | Durchführen von Bestellungen |
3.1.4 | - | Einholen, Bearbeiten und Prüfen von Angeboten, Prüfen von Auftragsbestätigungen | |
3.1.5 | - | Überwachen der Liefertermine | Maßnahmen bei Lieferverzug |
3.2 | Anbot | ||
3.2.1 | Kenntnis der betrieblichen Leistungen (Waren, Produkte, Dienstleistungen) | ||
3.2.2 | Kenntnis der branchenspezifischen Warenkennzeichnung, Normen und Produktdeklaration und/oder Rahmenbedingungen für die betriebliche Leistung | ||
3.2.3 | - | Mitwirken bei der Erstellung von Anboten und/oder Informationen über die betrieblichen Leistungen | |
4 | Betriebliches Rechnungswesen | ||
4.1 | Kostenrechnung und Kalkulation | ||
4.1.1 | - | Grundkenntnisse über die betrieblichen Kosten, deren Beeinflussbarkeit und deren Auswirkung auf die Rentabilität und/oder Effizienz | |
4.1.2 | - | Grundkenntnisse über die Kostenrechnung, Kalkulation und/oder Budgeterstellung | - |
4.1.3 | - | Mitwirken bei Kalkulationsarbeiten und/oder Budgeterstellung | |
4.2 | Steuern, Abgaben und Lohnverrechnung | ||
4.2.1 | - | Grundkenntnisse über die betriebsspezifischen Steuern und Abgaben | |
4.2.2 | - | Grundkenntnisse über die Information der Lohn- und Gehaltsverrechnung | |
4.3 | Rechnungswesen | ||
4.3.1 | Grundkenntnisse über Aufgaben und Funktion des betrieblichen Rechnungswesens | Kenntnis der Aufgaben und Funktion des betrieblichen Rechnungswesens | |
4.3.2 | - | Grundkenntnisse über rechnergestützte Abläufe im betrieblichen Rechnungswesen | Kenntnis der rechnergestützten Abläufe im betrieblichen Rechnungswesen |
4.3.3 | - | Grundkenntnisse über Bedeutung und Aufgabe der Inventur und Bestandsaufnahme | |
4.3.4 | - | Mitarbeit bei der Inventur oder Bestandsaufnahme | |
4.3.5 | Durchführen von betrieblichen Rechnungsarten, Erfassen, Prüfen und Kontrollieren von Daten | ||
4.3.6 | Vorbereiten von Unterlagen für die Verrechnung | - | |
4.4 | Zahlungsverkehr | ||
4.4.1 | Grundkenntnisse über den Zahlungsverkehr mit Lieferanten, Kunden, Behörden, Post, Geld- und Kreditinstituten | Kenntnis des betriebsspezifischen Zahlungsverkehrs mit Lieferanten, Kunden, Behörden, Post, Geld- und Kreditinstituten | |
4.4.2 | Grundkenntnisse über Kassaführung und Kassabuch | Kenntnis der Kassaführung | |
4.4.3 | - | - | Mitwirken beim Zahlungsverkehr |
4.4.4 | - | - | Kenntnis des betriebsüblichen Verfahrens bei Zahlungsverzug, Mahnwesen |
4.5 | Buchführung | ||
4.5.1 | Grundkenntnisse über die betriebliche Buchführung und die betrieblichen Buchungsunterlagen | - | - |
4.5.2 | Grundkenntnisse über Buchungen und Kontierungen; Durchführen einfacher, einschlägiger Arbeiten | Betriebliche Buchungsarbeiten und Erstellen von Auswertungen und Statistiken | |
4.5.3 | - | Kenntnis des Einheitskontenrahmens | |
5 | Erweiterte Grundkenntnisse | ||
5.1 | Grundkenntnis über die österreichische Rechtsordnung; Aufbau der Behörden- und Gerichtsstruktur | - | |
5.2 | - | Kenntnis über Aufgaben und Aufbau der Rechtspflege und der einschlägigen Gerichtszweige | |
5.3 | - | - | Kenntnis über Art und Umfang der Beglaubigungsurkunde |
5.4 | - | Ordnungsgemäße Übernahme von Schriftstücken unter Beachtung besonderer Fristenläufe | |
5.5 | Kenntnis über Urkundswesen und/oder die einschlägigen Beurkundungstätigkeiten | Mitarbeit im Urkundswesen und/oder in der Beurkundungstätigkeit | |
5.6 | Kenntnis der Kurrentien und Arbeitsabläufe | Mitarbeit bei der Erstellung und Verwaltung von Kurrentien | Erstellen und Verwalten von Kurrentien |
5.7 | Kenntnis der Termin- und Fristverwaltung | Mitarbeit bei der Termin- und Fristverwaltung | Verwalten von Terminen und Fristen |
5.8 | - | Kenntnis über wichtige Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beschaffung wie Einkaufskonditionen, Liefer- und Zahlungsbedingungen | |
5.9 | - | Grundkenntnisse über die betriebsspezifischen einkaufsbezogenen, rechtlichen Bestimmungen | |
5.10 | - | Kenntnis und Anwendung der einschlägigen Tarife | |
6 | Spezifische Kenntnisse in Rechtsanwalts- und Notariatskanzleien | ||
6.1 | Empfangen von Mandanten und Parteien und Parteienvertretern | ||
6.2 | Zielgerichtete Auskunft an Mandanten, andere Parteien oder Parteienvertreter unter Ausschluss von Rechtsauskünften | - | |
6.3 | - | Kommunikation mit Gerichten, Behörden, Mandanten, anderen Parteien oder Parteienvertretern | |
6.4 | - | Fachgerechte Auskunftserteilung über den Aufgabenbereich der jeweiligen Kanzlei | |
6.5 | Kenntnis über rechnergestützte öffentliche Register | Abfragen von rechnergestützten öffentlichen Registern | |
6.6 | Kenntnis über die in den Aufgabenbereich der jeweiligen Kanzlei fallenden Leistungen | - | - |
(2) Bei der Ausbildung in den fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten ist − unter besonderer Beachtung der betrieblichen Erfordernisse und Vorgaben − auf die Persönlichkeitsbildung des Lehrlings zu achten, um ihm die für eine Fachkraft erforderlichen Schlüsselqualifikationen bezüglich Sozialkompetenz (wie Offenheit, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit), Selbstkompetenz (wie Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen, Eigenständigkeit, Belastbarkeit), Methodenkompetenz (wie Präsentationsfähigkeit, Rhetorik in deutscher Sprache, Verständigungsfähigkeit in den Grundzügen der englischen Sprache) und Kompetenz für das selbstgesteuerte Lernen (wie Bereitschaft, Kenntnis über Methoden, Fähigkeit zur Auswahl geeigneter Medien und Materialien) zu vermitteln.
In-Kraft-Treten
§ 4. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2004 in Kraft.
Übergangsbestimmungen
§ 5. (1) Die Rechtskanzleiassistent-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 291/1998, tritt unbeschadet der Bestimmungen über die Prüfungsvorschriften mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft.
(2) Lehrlinge, die am 31. Dezember 2003 im Lehrberuf Kanzleiassistent-Notariat oder Kanzleiassistent-Rechtsanwaltskanzlei ausgebildet werden, können entsprechend der in Abs. 1 angeführten Ausbildungsordnung weiter ausgebildet werden.
(3) Die Lehrzeiten, die im Lehrberuf Kanzleiassistent-Notariat oder Kanzleiassistent-Rechtsanwaltskanzlei entsprechend der in Abs. 1 angeführten Ausbildungsordnung zurückgelegt wurden, sind auf die Lehrzeit im Lehrberuf Rechtskanzleiassistent/Rechtskanzleiassistentin voll anzurechnen.
Bartenstein
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