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EuGH Vorlagefragen

EuGH VorlagefragenZIIR 2019, 238 Heft 2 v. 1.5.2019

Art 15 der RL 2002/58/EG , Art 7, 8, 11 und 52 GRC
Telekommunikationsdaten, Vorratsdatenspeicherung, Vorabkontrollerfordernis, Straftaten, schwere, Verwaltungsbehörde, unabhängige, Staatsanwaltschaft

Mit dem gegenständlichen Vorabentscheidungsersuchen des „Riigikohus“ (Estland) vom 12.11.2018, eingetragen in das Register des Gerichtshofs am 29.11.2018, wird der Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) und der Art 7, 8, 11 und 52 Abs 1 GRC ersucht. Der Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens wurde insgesamt zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat ua wegen mehrerer Diebstähle, Geldbehebungen mit einer fremden Bankomatkarte, Störung einer Gerichtsverhandlung sowie Drohungen gegen Zeugen während ihrer gerichtlichen Aussage verurteilt. Das Gericht stützte die Verurteilung letztlich auch auf Daten aus einem Ermittlungsverfahren bei einem Telekommunikationsunternehmen auf Antrag der Bezirksstaatsanwaltschaft betreffend Anrufe und Nachrichten, deren Dauer, Art und Weise der Übertragung sowie personenbezogene Daten und den Standort der Beteiligten. Mit diesen Daten, die zT aus Erhebungen aufgrund von Genehmigungen in einem anderen Strafverfahren stammen, wurden die begangenen Straftaten nachgewiesen. Dagegen wird eingewendet, dass dies keine zulässigen Beweismittel seien und der Beschwerdeführer in seinen durch die GRC garantierten Rechte verletzt worden sei. Gemäß § 15 Abs 1 der Richtlinie 2002/58/EG können die Mitgliedstaaten ua durch Rechtsvorschriften vorsehen, dass Daten aus Gründen der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung, der öffentlichen Sicherheit sowie der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen während einer begrenzten Zeit aufbewahrt werden. Mit der ersten Frage soll geklärt werden, ob der Zugriff von Behörden auf bestimmte, auf Vorrat gespeicherte Kommunikationsdaten einen so schweren Eingriff in Grundrechte darstellt, dass er auf die Bekämpfung der schweren Kriminalität beschränkt werden muss, unabhängig davon, auf welchen Zeitraum sich diese Daten beziehen. Die relevanten Daten geben Aufschluss über den Ausgangs- und den Zielort, das Datum, die Uhrzeit und Dauer, die Art des Kommunikationsdienstes, die verwendete Endeinrichtung und den Standort der Verwendung einer mobilen Endeinrichtung in Bezug auf eine Telefon- oder Mobiltelefonkommunikation einer Person. Weiters soll geklärt werden, ob Art 15 Abs 1 der Richtlinie 2002/58/EG ausgehend von dem im Urteil des EuGH vom 2.10.2018 in der Rs C-207/16 , Rn 55 bis 57, zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass, wenn die Menge der in der ersten Frage genannten Daten, zu denen die staatlichen Behörden Zugang haben, nicht groß ist, der damit einhergehende Grundrechtseingriff durch den Zweck der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten im Allgemeinen gerechtfertigt sein kann und dass die Straftaten, die durch den Eingriff bekämpft werden sollen, umso schwerer sein müssen, je größer die Menge der Daten ist, zu denen die staatlichen Behörden Zugang haben. Schließlich soll geklärt werden, ob die im Urteil des EuGH vom 21.12.2016 in den verb Rs C-203/15 und C-698/15 genannte Anforderung, dass der Datenzugang der zuständigen staatlichen Behörden einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde unterliegen muss, dahin auszulegen ist, dass die Staatsanwaltschaft als unabhängige Verwaltungsbehörde an- gesehen werden kann. Dies vor dem Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren leitet, wobei sie nach dem Gesetz zu unabhängigem Handeln verpflichtet ist und nur an das Gesetz gebunden ist und im Ermittlungsverfahren sowohl die den Angeklagten belastenden als auch entlastenden Umstände aufklärt, aber später im gerichtlichen Verfahren die öffentliche Klage vertritt.

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