Art 101 AEUV, Art 4 der VO (EU) Nr 330/2010
Wettbewerbsrecht, Internetverkauf, selektives Vertriebssystem
Mit dem gegenständlichen Vorabentscheidungsersuchen des OLG Frankfurt/Main vom 19.4.2016, wird der Gerichtshof um Auslegung des Art 101 AEUV und der Verordnung (EU) Nr 330/2010 der Kommission über die Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ersucht. Die Klägerin bietet Luxuskosmetik in Deutschland an und vertreibt diese im selektiven Vertrieb auf der Grundlage eines Depotvertrags. Die Beklagte vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler (Depositär) die Produkte der Klägerin sowohl in stationären Absatzstätten als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über einen eigenen Internet-Shop und zum Teil über die Plattform „amazon.de“. Aufgrund der Verordnung (EU) Nr 330/2010 wurden die Depot- und Internet-Zusatzverträge für alle Abnehmer überarbeitet: Der Depositär ist demnach dazu berechtigt, die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen, wenn er sein Internet-Geschäft als „elektronisches Schaufenster“ des autorisierten Ladengeschäfts führt und hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt. Die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens ist untersagt. Die Beklagte hat das neue Vertragswerk nicht unterzeichnet. Als Vorfrage soll zunächst geklärt werden, ob selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines „Luxusimages“ der Waren dienen – unabhängig davon, ob sie das Internet oder andere Absatzmodalitäten betreffen – einen mit Art 101 Abs 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen können. Bejahendenfalls soll geklärt werden, ob es eine wettbewerbskonforme Vorgangsweise darstellen kann, wenn einem Mitglied eines selektiven Vertriebssystems verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, auch ohne Berücksichtigung von Qualitätskriterien. Weiters will das Vorlagegericht wissen, ob Art 4 lit b der Verordnung (EU) Nr 330/2010 dahingehend auszulegen ist, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt. Schließlich soll geklärt werden, ob Art 4 lit c der genannten Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass das oben dargelegte Verbot der Einschaltung eines nach außen erkennbaren Drittunternehmens eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt.