Anfechtung von Kündigungen
§ 354.
(1) Die Betriebsinhaberin bzw. der Betriebsinhaber hat vor jeder Kündigung einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb von acht Tagen dazu Stellung nehmen kann.
(2) Die Betriebsinhaberin bzw. der Betriebsinhaber hat auf Verlangen des Betriebsrates mit diesem innerhalb der Frist zur Stellungnahme über die Kündigung zu beraten. Eine vor Ablauf dieser Frist ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam, es sei denn, dass der Betriebsrat eine Stellungnahme bereits abgegeben hat.
(3) Die Kündigung kann bei Gericht angefochten werden, wenn
- 1. die Kündigung
- a) wegen des Beitrittes oder der Mitgliedschaft der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers zu Gewerkschaften;
- b) wegen einer Tätigkeit in Gewerkschaften oder in einer gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
- c) wegen Einberufung der Betriebsversammlung durch die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer;
- d) wegen einer Tätigkeit als Mitglied des Wahlvorstandes, einer Wahlkommission oder als Wahlzeugin bzw. Wahlzeuge;
- e) wegen einer Bewerbung um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat oder wegen einer früheren Tätigkeit im Betriebsrat;
- f) wegen einer Tätigkeit als Mitglied der land- und forstwirtschaftlichen Schlichtungsstelle;
- g) wegen der bevorstehenden Einberufung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zuweisung zum Zivildienst (§ 3 APSG);
- h) wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer;
- i) wegen der Tätigkeit als Sicherheitsvertrauensperson, Sicherheitsfachkraft oder Arbeitsmedizinerin bzw. Arbeitsmediziner, als arbeitsmedizinischer Fachdienst oder als Fach- oder Hilfspersonal von Sicherheitsfachkräften oder Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmedizinern,
- erfolgt ist oder
- 2. die Kündigung sozial ungerechtfertigt und die gekündigte Arbeitnehmerin bzw. der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, die Betriebsinhaberin bzw. der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung
- a) durch Umstände, die in der Person der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder
- b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers entgegenstehen,
- begründet ist.
(4) Umstände gemäß Abs. 3 Z 2 lit. a, die ihre Ursache in einem höheren Lebensalter einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers haben, die bzw. der im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, langjährig beschäftigt ist, dürfen zur Rechtfertigung der Kündigung der älteren Arbeitnehmerin bzw. des älteren Arbeitnehmers nur dann herangezogen werden, wenn durch die Weiterbeschäftigung betriebliche Interessen erheblich nachteilig berührt werden. Bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Dies gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört.
(5) Hat der Betriebsrat gegen eine Kündigung gemäß Abs. 3 Z 2 lit. b ausdrücklich Widerspruch erhoben, so ist die Kündigung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers sozial ungerechtfertigt, wenn ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte für die Gekündigte bzw. den Gekündigten eine größere soziale Härte als für andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des gleichen Betriebes und derselben Tätigkeitssparte, deren Arbeit die bzw. der Gekündigte zu leisten fähig und willens ist, ergibt.
(6) Die Betriebsinhaberin bzw. der Betriebsinhaber hat den Betriebsrat vom Ausspruch der Kündigung zu verständigen. Der Betriebsrat kann auf Verlangen der gekündigten Arbeitnehmerin bzw. des gekündigten Arbeitnehmers binnen zwei Wochen nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung diese bei Gericht anfechten, wenn er der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen hat. Kommt der Betriebsrat dem Verlangen der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers nicht nach, so kann diese bzw. dieser innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der für den Betriebsrat geltenden Frist die Kündigung selbst bei Gericht anfechten. Hat der Betriebsrat innerhalb der Frist des Abs. 1 keine Stellungnahme abgegeben, so kann die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung diese bei Gericht selbst anfechten; in diesem Fall ist ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte im Sinne des Abs. 5 nicht vorzunehmen. Nimmt der Betriebsrat die Anfechtungsklage ohne Zustimmung der bzw. des gekündigten oder entlassenen Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmers zurück, so tritt die Wirkung der Klagsrücknahme erst ein, wenn die bzw. der vom Gericht davon verständigte Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen ab Verständigung in den Rechtsstreit eintritt. Hat der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung innerhalb der im Abs. 1 genannten Frist ausdrücklich zugestimmt, so kann die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung diese bei Gericht anfechten, soweit Abs. 9 nicht anderes bestimmt.
(7) Bringt die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer die Anfechtungsklage innerhalb offener Frist bei einem örtlich unzuständigen Gericht ein, so gilt die Klage damit als rechtzeitig eingebracht.
(8) Insoweit die Klägerin bzw. der Kläger im Zuge des Anfechtungsverfahrens sich auf einen Anfechtungsgrund im Sinne des Abs. 3 Z 1 beruft, hat sie bzw. er diesen glaubhaft zu machen. Die Anfechtungsklage ist abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war.
(9) Hat der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung innerhalb der im Abs. 1 genannten Frist ausdrücklich zugestimmt, so kann die Kündigung gemäß Abs. 3 Z 2 nicht angefochten werden.
(10) Gibt das Gericht der Anfechtungsklage statt, so ist die Kündigung rechtsunwirksam.
Schlagworte
Präsenzdienst, Fachpersonal
Zuletzt aktualisiert am
27.07.2022
Gesetzesnummer
20011524
Dokumentnummer
NOR40245768
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