Beschaffung der Netzreserve
§ 23b.
(1) Der Regelzonenführer hat den festgestellten Netzreservebedarf gemäß § 23a Abs. 2 mittels eines transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Ausschreibungsverfahrens gemäß den nachstehenden Absätzen zu beschaffen. Teilnahmeberechtigte Anbieter sind
- 1. Betreiber von inländischen Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW, deren Stilllegung im Falle von Erzeugungsanlagen gemäß § 23a Abs. 1 innerhalb des jeweiligen Ausschreibungszeitraums angezeigt wurde;
- 2. Entnehmer mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW, die durch Anpassung ihrer Verbrauchsanlagen ihren Verbrauch temporär, zumindest aber für 6 Stunden, reduzieren oder zeitlich verlagern können;
- 3. Aggregatoren, die mehrere Erzeugungs- oder Verbrauchseinheiten zu einem gesamthaft abrufbaren Pool mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW zusammenfassen, sowie
- 4. Betreiber von Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW im europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, sofern das betroffene Übertragungsnetz mit einer österreichischen Regelzone unmittelbar galvanisch verbunden ist und der betroffene Übertragungsnetzbetreiber vom österreichischen Regelzonenführer über einen abzuschließenden Engpassmanagementvertrag zur Erbringung von Engpassmanagement unmittelbar verhalten werden kann. Betreiber von Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 20 MW sind teilnahmeberechtigt, wenn sie Stilllegungen ihrer Anlagen in vergleichbarer Weise wie § 23a Abs. 1 ihrem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber oder der Regulierungsbehörde für den jeweiligen Ausschreibungszeitraum angezeigt haben.
(2) Der Regelzonenführer hat die Anbieter in einem zweistufigen Verfahren auszuwählen. Zu diesem Zweck hat der Regelzonenführer technische Eignungskriterien für die Netzreserve in Abstimmung mit der Regulierungsbehörde bis Ende Februar jedes Jahres festzulegen und in geeigneter Form zur Interessensbekundung aufzurufen. Im Aufruf zur Interessensbekundung hat der Regelzonenführer folgende Informationen bekanntzugeben:
- 1. den maximalen Netzreservebedarf in MW für das erste Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 23a Abs. 2 zweiter Satz;
- 2. den Zeitraum, in dem ein Netzreservebedarf gemäß § 23a Abs. 2 festgestellt wurde;
- 3. die Produkte, die auf Basis der angezeigten Stilllegungen gemäß § 23a Abs. 1 sowie der Ergebnisse der Systemanalyse gemäß § 23a Abs. 2 zur Deckung des festgestellten Netzreservebedarfs gemäß den nachstehenden Absätzen zu beschaffen sind.
Als Produkte gemäß Z 3 kommen Netzreserveverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren, Netzreserveverträge mit einer Laufzeit von einem Jahr sowie saisonale Netzreserveverträge in Betracht. Bei der Festlegung der Produkte sind laufende Netzreserveverträge sowie die Kriterien des Abs. 7 Z 1 bis Z 4 zu berücksichtigen.
(3) Alle Interessenten, die ihr Teilnahmeinteresse binnen vierwöchiger Frist bekundet haben, sind vom Regelzonenführer hinsichtlich ihrer Eignung zur Erbringung von Engpassmanagement und zur Erfüllung der Kriterien gemäß Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz sowie Abs. 4 zu prüfen. In der zweiten Verfahrensstufe sind die Betreiber der als geeignet eingestuften Anlagen zur Angebotslegung binnen vierwöchiger Frist aufzufordern. Betreiber der als nicht geeignet eingestuften Anlagen sind zu informieren. Betreiber von Erzeugungsanlagen gemäß § 23a Abs. 1, die ein Angebot für einen zweijährigen Netzreservevertrag legen möchten, sind verpflichtet, auch ein Angebot für einen einjährigen Netzreservevertrag zu legen.
(4) Erzeugungsanlagen dürfen nur dann als geeignet eingestuft werden, wenn ihre Emissionen nicht mehr als 550 g CO2 je kWh Elektrizität betragen und keine radioaktiven Abfälle entstehen. Außerdem darf eine Vergütung für die Erbringung von Netzreserve nicht an Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. Nr. C 249 vom 31.07.2014 S. 1, gewährt werden.
(5) Die eingelangten Angebote werden auf Basis eines Referenzwertes überprüft, welcher sich durch den mengengewichteten Durchschnitt aller Angebote errechnet. Die teuersten 10 % der angebotenen Leistung werden nicht in der Durchschnittsbildung berücksichtigt. Sollte ein Angebot diesen Referenzwert signifikant überschreiten, hat der Regelzonenführer diese Überschreitung der Regulierungsbehörde zu melden. Die Beurteilung der Signifikanz wird auf Basis der gebotenen Preise pro MW und pro Monat vom Regelzonenführer unter Berücksichtigung des Berichtes gemäß Abs. 10 vorgenommen und in der zweiten Verfahrensstufe gemäß Abs. 3 bekanntgegeben. Kann der für das erste Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 23a Abs. 2 zweiter Satz festgestellte Netzreservebedarf mit den, den Referenzwert nicht signifikant überschreitenden Angeboten, nicht gedeckt werden, hat der Regelzonenführer alle Anbieter zur neuerlichen Abgabe von Angeboten innerhalb von 10 Tagen aufzufordern. Dabei müssen die Gebotspreise unter jenem des erstmalig abgegebenen Gebotspreises liegen. Falls neuerlich eine signifikante Überschreitung des Referenzwertes vorliegt, werden die betreffenden Angebote vom Verfahren nach dieser Bestimmung ausgeschlossen.
(6) Auf Grundlage der geprüften und nicht ausgeschlossenen Angebote hat der Regelzonenführer jene Angebote auszuwählen, die es ermöglichen, den Netzreservebedarf im ersten Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 23a Abs. 2 zweiter Satz zu den geringsten Kosten zu decken. Die Auswahl ist der Regulierungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Die Regulierungsbehörde hat die Auswahl anhand der in Abs. 1 erster Satz genannten Grundsätze zu prüfen und innerhalb von acht Wochen mit Bescheid an den Regelzonenführer zu genehmigen, wobei die Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen erfolgen kann. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Regulierungsbehörde die Frist ungenützt verstreichen lässt. Einer Beschwerde gegen den Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(7) Nach erfolgter Genehmigung hat der Regelzonenführer mit den ausgewählten Anbietern Netzreserveverträge nach Maßgabe folgender Kriterien abzuschließen:
- 1. Verträge mit Betreibern von Erzeugungsanlagen gemäß Abs. 1 Z 1 und Z 4 dürfen längstens für die Dauer des gemäß § 23a Abs. 1 angekündigten Stilllegungszeitraums abgeschlossen werden.
- 2. Zweijährige Netzreserveverträge dürfen nur abgeschlossen werden, wenn für den gesamten Vertragszeitraum ein kontinuierlicher Netzreservebedarf gemäß § 23a Abs. 2 festgestellt wurde.
- 3. Für jene Zeiträume, in denen zweijährige Netzreserveverträge bestehen, dürfen keine weiteren zweijährigen Netzreserveverträge abgeschlossen werden.
- 4. Saisonale Netzreserveverträge dürfen nur für die Dauer einer einzelnen Winter- oder Sommersaison abgeschlossen werden.
Es besteht kein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Netzreservevertrags. Im Netzreservevertrag ist jedenfalls eine Rückforderungsklausel zugunsten des Regelzonenführers aufzunehmen. Mit erfolgter Kontrahierung haben Betreiber von Erzeugungsanlagen gemäß Abs. 1 Z 1 und Z 4 diese mit Ausnahme von Revisionszeiträumen ausschließlich für das Engpassmanagement zur Verfügung zu stellen; die Marktteilnahme ist für die Dauer des Netzreservevertrags unzulässig. Betreibern von Verbrauchsanlagen ist eine Marktteilnahme zur Deckung ihres Verbrauchs erlaubt; die kontrahierte Leistung zur Verbrauchsanpassung ist für die Dauer des Netzreservevertrags jedoch ausschließlich für das Engpassmanagement zur Verfügung zu stellen.
(8) Kann der für das erste Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 23a Abs. 2 zweiter Satz festgestellte Netzreservebedarf aufgrund der gelegten und nicht ausgeschiedenen Angebote nicht gedeckt werden oder wurden weniger als drei Gebote von unterschiedlichen Unternehmen gelegt, so sind die noch nicht ausgewählten Betreiber geeigneter Erzeugungsanlagen durch die Regulierungsbehörde zur Bekanntgabe ihrer Aufwendungen und Kosten gemäß § 23c Abs. 3 binnen angemessener, drei Wochen nicht überschreitender, Frist aufzufordern. Die Regulierungsbehörde hat diese Kosten nach Maßgabe des § 23c Abs. 3 und 4 zu prüfen und die Anlagen nach den erfolgten Kostenangaben zu reihen. Für diese Zwecke ist vom Betreiber unter sinngemäßer Anwendung des § 8 ein getrennter Rechnungskreis zu führen. Die Regulierungsbehörde hat darin volle Einsichts- und Auskunftsrechte. Der Regelzonenführer hat sodann den ausstehenden Bedarf durch Abschluss von Netzreserveverträgen zu den geringsten Kosten zu decken. Dabei gilt Abs. 7 mit der Maßgabe, dass keine zweijährigen Netzreserveverträge abgeschlossen werden dürfen.
(9) Wird der Betreiber einer Erzeugungsanlage gemäß Abs. 1 Z 1 nicht ausgewählt, hat dieser die Anlage für den gemäß § 23a Abs. 1 angekündigten Stilllegungszeitraum außer Betrieb zu nehmen, es sei denn § 23c Abs. 1 oder § 23d Abs. 3 sind anwendbar.
(10) Zumindest alle zwei Jahre hat die Regulierungsbehörde einen Bericht über die Situation am österreichischen Strommarkt in Bezug auf die Erbringung einer Netzreserveleistung zu erstellen und zu veröffentlichen. Dabei hat diese die Wettbewerbsintensität am relevanten Strommarkt anhand von Preisvergleichen, des Produktangebots und seiner Nutzung, der Marktkonzentration (Angebot und Nachfrage) unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit alternativer Lieferquellen sowie der Verfügbarkeit von Erzeugungsanlagen in Verhältnis zur Nachfrage zu beurteilen, die Signifikanz gemäß Abs. 5 zu analysieren und diesbezüglich gegebenenfalls eine Empfehlung auszusprechen. Der Bericht hat überdies die Berichte der Netzbetreiber gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2019/943 zu berücksichtigen. Die Ergebnisse des Berichts sind bei der Ausgestaltung der technischen Eignungskriterien und der Ausschreibung gemäß Abs. 2 bis 5 sowie der Vertragsgestaltung gemäß Abs. 6 bis 8 zu berücksichtigen.
Schlagworte
Erzeugungseinheit, Wintersaison, Einsichtsrecht
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2021
Gesetzesnummer
20007045
Dokumentnummer
NOR40230572
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