Artikel XII
Beschränkungen zum Schultz der Zahlungsbilanz
- 1. Ungeachtet des Artikels XI Absatz 1 kann eine Vertragspartei
zum Schutz ihrer finanziellen Lage gegenüber dem Ausland und zum Schutz ihrer Zahlungsbilanz Menge und Wert der zur Einfuhr zugelassenen Waren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Artikels beschränken.
- 2. a) Eine Vertragspartei darf Einfuhrbeschränkungen nach diesem Artikel nur einführen, beibehalten oder verschärfen, soweit dies erforderlich ist,
- i) um der unmittelbar drohenden Gefahr einer bedeutenden Abnahme ihrer Währungsreserven vorzubeugen oder eine solche Abnahme aufzuhalten oder
- ii) um ihre Währungsreserven, falls diese sehr niedrig sind, in maßvoller Weise zu steigern.
In beiden Fällen sind alle besonderen Umstände gebührend zu berücksichtigen, die den Bestand oder den Bedarf der betreffenden Vertragspartei an Währungsreserven beeinflussen; verfügt sie über besondere Auslandskredite oder andere Hilfsquellen, so ist die Notwendigkeit einer geeigneten Verwendung dieser Kredite oder Hilfsquellen ebenfalls gebührend zu berücksichtigen.
- b) Vertragsparteien, die Beschränkungen nach lit. a) anwenden, werden diese entsprechend der fortschreitenden Besserung der unter lit. a) beschriebenen Lage stufenweise abbauen und sie nur beibehalten, soweit die Lage ihre Anwendung noch rechtfertigt. Sie werden die Beschränkungen aufheben, sobald die Lage ihre Einführung oder Beibehaltung nach lit. a) nicht mehr rechtfertigen würde.
- 3. a) Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Durchführung ihrer Wirtschaftspolitik gebührend zu berücksichtigen, daß es notwendig ist, das Gleichgewicht ihrer Zahlungsbilanz auf einer gesunden und dauerhaften Grundlage aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, und daß es erstrebenswert ist, eine unwirtschaftliche Verwendung der Produktionsfaktoren zu vermeiden. Sie halten es für wünschenswert, daß zur Erreichung dieser Ziele in weitestmöglichem Umfang Maßnahmen getroffen werden, die den internationalen Handel nicht einschränken, sondern ausweiten.
- b) Vertragsparteien, die Beschränkungen nach diesem Artikel anwenden, können bestimmen, wie stark sich diese auf die Einfuhr der verschiedenen Waren oder Warengruppen auswirken sollen, um so der Einfuhr wichtiger Waren den Vorrang zu geben.
- c) Vertragsparteien, die Beschränkungen nach diesem Artikel anwenden, verpflichten sich,
- i) eine unnötige Schädigung der Handels- oder Wirtschaftsinteressen anderer Vertragsparteien zu vermeiden,
- ii) die Beschränkungen derart anzuwenden, daß die Einfuhr von Waren in handelsüblichen Mindestmengen, deren Fortfall eine Beeinträchtigung der normalen Handelsverbindungen zur Folge hätte, nicht in unbilliger Weise verhindert wird, und
iii) keine Beschränkungen anzuwenden, welche die Einfuhr von Warenmustern oder die Einhaltung der Vorschriften über Patente, Handelsmarken, Urheberrechte und verwandte Gebiete verhindern.
- d) Die Vertragsparteien anerkennen, daß die von einer Vertragspartei zur Erreichung und Erhaltung der produktiven Vollbeschäftigung oder zur Erschließung der wirtschaftlichen Hilfsquellen durchgeführte Wirtschaftspolitik bei dieser Vertragspartei einen starken Einfuhrbedarf hervorrufen kann, der eine Bedrohung ihrer Währungsreserven im Sinne des Absatzes 2 lit. a) zur Folge haben könnte. Demnach ist eine Vertragspartei, die im übrigen nach diesem Artikel handelt, nicht verpflichtet, Beschränkungen deswegen aufzuheben oder zu ändern, weil eine Änderung ihrer Wirtschaftspolitik die von der Vertragspartei nach diesem Artikel angewandten Beschränkungen unnötig machen würde.
- 4. a) Wendet eine Vertragspartei neue Beschränkungen an oder erhöht sie das allgemeine Niveau der bestehenden Beschränkungen durch eine wesentliche Verschärfung der nach diesem Artikel angewandten Maßnahmen, so wird sie unverzüglich nach der Einführung oder Verschärfung dieser Beschränkungen (oder, soweit tunlich, vorher) mit den VERTRAGSPARTEIEN Konsultationen führen über die Art ihrer Zahlungsbilanzschwierigkeiten, über andere mögliche Abhilfemaßnahmen und über die etwaigen Auswirkungen dieser Beschränkungen auf die Wirtschaft anderer Vertragsparteien.
- b) Die VERTRAGSPARTEIEN werden zu einem von ihnen zu bestimmenden Zeitpunkt alle dann nach diesem Artikel noch angewandten Beschränkungen überprüfen. Die Vertragsparteien, die Beschränkungen nach diesem Artikel anwenden, werden mit den VERTRAGSPARTEIEN jährlich, erstmalig ein Jahr nach dem obengenannten Zeitpunkt, in Konsultationen nach lit. a) dieses Absatzes eintreten.
- c) i) Gelangen die VERTRAGSPARTEIEN bei den nach Absatz 4 lit. a) oder b) geführten Konsultationen zu der Auffassung, daß die Beschränkungen gegen diesen Artikel oder gegen den Artikel XIII (vorbehaltlich des Artikels XIV) verstoßen, so geben sie an, inwiefern ein Verstoß vorliegt; sie können den Rat erteilen, die Beschränkungen in geeigneter Weise zu ändern.
- ii) Stellen die VERTRAGSPARTEIEN jedoch auf Grund der Konsultationen fest, daß die Anwendung der Beschränkungen einen schwerwiegenden Verstoß gegen diesen Artikel oder gegen den Artikel XIII (vorbehaltlich des Artikels XIV) darstellt und den Handel einer Vertragspartei schädigt oder zu schädigen droht, so bringen sie dies der Vertragspartei, welche diese Beschränkungen anwendet, zur Kenntnis und erteilen entsprechende Empfehlungen, um sicherzustellen, dass innerhalb einer festgesetzten Frist die Anwendung der Beschränkungen mit diesen Bestimmungen in Einklang gebracht wird. Leistet die Vertragspartei diesen Empfehlungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht Folge, so können die VERTRAGSPARTEIEN eine Vertragspartei, deren Handel durch die Beschränkungen geschädigt wird, gegenüber der die Beschränkungen anwendenden Vertragspartei von Verpflichtungen aus diesem Abkommen entbinden, soweit dies nach ihrer Feststellung den Umständen angemessen ist.
- d) Die VERTRAGSPARTEIEN werden einer Vertragspartei, die Beschränkungen nach diesem Artikel anwendet, auf Antrag einer anderen Vertragspartei, die glaubhaft machen kann, daß die Beschränkungen gegen diesen Artikel oder gegen den Artikel XIII (vorbehaltlich des Artikels XIV) verstoßen und daß ihr Handel dadurch geschädigt wird, einladen, in Konsultationen mit ihnen einzutreten. Eine solche Einladung darf jedoch nur ausgesprochen werden, wenn sich die VERTRAGSPARTEIEN vergewissert haben, daß unmittelbare Besprechungen zwischen den betreffenden Vertragsparteien erfolglos geblieben sind. Wird bei diesen Konsultationen keine Einigung erzielt und stellen die VERTRAGSPARTEIEN fest, daß die Beschränkungen in einer Weise angewendet werden, die gegen diese Bestimmungen verstößt und den Handel der antragstellenden Vertragspartei schädigt oder zu schädigen droht, so empfehlen die VERTRAGSPARTEIEN die Aufhebung oder Änderung der Beschränkungen. Werden die Beschränkungen innerhalb einer von den VERTRAGSPARTEIEN festzusetzenden Frist nicht aufgehoben oder geändert, so können die VERTRAGSPARTEIEN die antragstellende Vertragspartei gegenüber der die Beschränkungen anwendenden Vertragspartei von Verpflichtungen aus diesem Abkommen entbinden, soweit dies nach ihrer Feststellung den Umständen angemessen ist.
- e) Die VERTRAGSPARTEIEN werden bei Anwendung dieses Absatzes alle besonderen außenwirtschaftlichen Umstände gebührend berücksichtigen, welche die Ausfuhr der die Beschränkungen anwendenden Vertragspartei beeinträchtigen.
- f) Feststellungen nach diesem Absatz müssen rasch, möglichst innerhalb von sechzig Tagen nach Einleitung der Konsultationen, getroffen werden.
- 5. Erweist sich die Anwendung von Einfuhrbeschränkungen nach
diesem Artikel als nachhaltig und weitverbreitet und somit als Anzeichen eines allgemeinen Gleichgewichtsmangels, der den internationalen Handel einschränkt, so leiten die VERTRAGSPARTEIEN Besprechungen ein, um zu prüfen, ob von den Vertragsparteien, deren Zahlungsbilanz stark angespannt ist, oder von den Vertragsparteien, deren Zahlungsbilanz sich außergewöhnlich günstig entwickelt, oder von einer dazu berufenen zwischenstaatlichen Organisation sonstige Maßnahmen getroffen werden können, um die Ursachen dieses Gleichgewichtsmangels zu beseitigen. Die von den VERTRAGSPARTEIEN zu diesen Besprechungen eingeladenen Vertragsparteien sind verpflichtet, daran teilzunehmen.
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